Sicherheitstechnik für Diktaturen:Exporte von Späh-Software müssen reguliert werden

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Jahrelang konnten IT-Firmen Späh-Software ungehindert an Diktaturen und autoritäre Regime verkaufen. Jetzt will Wirtschaftsminister Gabriel die Exporte auf EU-Ebene stärker regulieren. Der Vorstoß kommt zu spät.

Von Hakan Tanriverdi

Es gibt Milliarden Gründe dafür, den Verstoß von Sigmar Gabriel gut zu finden: Auf europäischer Ebene soll eine Expertengruppe eingesetzt werden, die sich regelmäßig trifft und darüber berät, wie die Exportkontrolle von Überwachungs-Software in Europa verbessert werden kann.

Es ist ein Markt, in dem vor allem westeuropäische Firmen ihre Produkte an Diktaturen und autoritäre Regime bringen. Auch deutsche Unternehmen gehören zu den Top-Verkäufern. Die Regime setzen die Software ein, um Oppositionelle zu finden. Menschenrechtsgruppen berichten von Folterungen, ermöglicht durch den Verkauf dieser Software. Es ist ein Markt, in dem jährlich mehrere Milliarden Euro umgesetzt werden - und jeder einzelne dieser Euros ist Grund genug, um zum Fazit zu kommen: Die Exportregulierungen sind eine Notwendigkeit. Denn sie sorgen dafür, dass weniger Geld für Menschenrechtsverbrechen ausgegeben wird.

Was man aber auch sagen muss: Dass diese Kontrollen erst im Jahr 2014 in Kraft treten, ist beschämend.

Über Jahre hinweg hat die Bundesregierung das Problem schlicht ignoriert. Im Jahr 2010 erklärte das Wirtschaftsministerium Sicherheitstechnologien zum Zukunftsmarkt. Jahrelang lautete das Motto: "Auslandsaktivitäten unterstützen, Exporte stärken". Als potenzielle Absatzmärkte wurden die Golfstaaten und Nordafrika ausgemacht, also auch jene Länder, in denen Aktivisten und Computer-Experten kurze Zeit später tatsächlich Spuren von deutschen IT-Unternehmen gefunden haben. Unterlagen, auf denen mit einem Rundum-sorglos-Paket gelockt wird. Überwachung auf Knopfdruck, zu kaufen für 287 137 Euro.

Wie gut werden die Experten ihren Job machen?

Mehr noch: Auf EU-Ebene wurden im Jahr 2011 Vorabkontrollen diskutiert. Sie sollten gesetzlich verankert werden, doch das Vorhaben scheiterte - in quasi letzter Sekunde stimmten FDP-Politiker dagegen. Eine ihrer Begründungen lautete: "Man wird nicht alle Eventualitäten des Lebens durch detaillierte Gesetze einfangen können." Das ist eine sehr bürokratische Formulierung. Ein einfaches "Mir egal" wäre ehrlicher gewesen.

Diese Zeit ist nun vorbei. Wirtschaftsminister Gabriel hat die Regulierung des Exports von Späh-Software anscheinend zu einem Thema gemacht, das er vorantreiben will. Erst wurde ein Exportstopp bekanntgegeben, das war im Mai, und nun folgt die EU-Expertengruppe, um Fachwissen zu bündeln und um eigene Regelungen zu erlassen. Die IT-Technik entwickelt sich schnell, es ist notwendig, ähnlich schnell zu reagieren.

Die zentrale Frage wird sein, wie gut die Experten ihren Job machen. Denn es gibt einen guten Grund dafür, warum Späh-Software als Dual-Use-Güter gelten, die sowohl militärisch als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden können. Sie sind in der Lage, Systeme abzusichern oder sie zu attackieren. Die Software an sich ist neutral, es kommt darauf an, wie sie eingesetzt wird. IT-Experten zweifeln aus diesem Grund daran, dass eine sinnvolle Unterscheidung möglich ist und befürchten, dass durch die Kontrolle ihre tägliche Arbeit kriminalisiert wird.

Sollte das der Fall sein, wird dadurch das gesamte Internet unsicherer. Mit die ersten Menschen, die darunter zu leiden hätten, wären Regimekritiker. Also jene Menschen, für die diese Exportkontrollen eingeführt werden.

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