Rücktritt von Dick Costolo:Twitter, eine ganz schön komplizierte Sache

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Er hat sein Geld schon als Komiker verdient und als Manager bei Google. Für ein paar Tage ist Dick Costolo, 51, noch Chef von Twitter. (Foto: Stephen Lam / Reuters)
  • Dick Costolo tritt als Chef von Twitter zurück - dabei stieg der Wert des Dienstes während seiner Amtszeit von drei auf 24 Milliarden US-Dollar.
  • Nun kämpft der Diensten mit negativen Berichten und flachem Wachstum.
  • Mitgründer Jack Dorsey wird für Costolo einspringen und kündigte an, den Führungsstil nicht zu ändern. Die Aktie von Twitter sank daraufhin.

Von Johannes Kuhn und Jürgen Schmieder, San Francisco

Twitter ist eine einfache Sache. Man schreibt eine Nachricht mit höchstens 140 Zeichen und schickt sie in die Welt. Kompliziert wird es erst, wenn man erklären muss, warum das Unternehmen dahinter bedeutsam und es sich somit für Investoren lohnen könnte, sich an dieser Firma zu beteiligen.

In den vergangenen viereinhalb Jahren hat sich Dick Costolo, ein Mann, der schon Komiker und Google-Manager war, an dieser schwierigen Aufgabe versucht. Nun hat er seinen Rücktritt als Geschäftsführer des Unternehmens zum 1. Juli erklärt. Mitgründer Jack Dorsey springt ein, bis ein Nachfolger gefunden ist. An seinem Führungsstil ist Costolo, 51, gewiss nicht gescheitert, er wird von der Belegschaft für seine Geduld und klaren Worten geschätzt - die Mitarbeiter verabschiedeten ihn nach seiner kurzen Rede in der Firmenzentrale in San Francisco mit stehenden Ovationen.

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Er ist auch nicht daran gescheitert, was er in den vergangenen Jahren mit Twitter angestellt hat: Er hat ein Unternehmen übernommen, das seine wachsende Popularität kaum in Gewinne ummünzen konnte und von Machtkämpfen zwischen den Gründern geprägt war. 2013 brachte er Twitter an die Börse, der Wert stieg in seiner Amtszeit von drei auf 24 Milliarden US-Dollar. Gescheitert ist Costolo, weil er trotz zahlreicher und auch kreativer Versuche den Menschen nicht erklären konnte, was dieses Twitter ist und was es in Zukunft sein kann. Für Außenstehende und Neulinge wirkt der Dienst bisweilen wie ein wildgewordener Bienenhaufen: noch eine Nachricht, noch eine Nachricht, noch eine Nachricht, doch welche ist wirklich wichtig?

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"Die Probleme sind mit dem Rücktritt des Geschäftsführers sicherlich nicht gelöst", sagt Gartner-Analyst Brian Blau. Mit Wechseln im Management und Design sowie Anstrengungen bei den Werbeverkäufen versuchte die Firma zuletzt, den negativen Berichten, dem flachen Wachstum und den ernüchternden Umsatzprognosen etwas entgegen zu setzen. Doch vielen Börsianern war das zu wenig. Sie träumen immer noch davon, dass sich der 140-Zeichen-Dienst irgendwann mit Facebook wird messen können. Zuletzt war die Kritik der Investoren an Costolos Strategie fast so laut wie das Summen in einem wildgewordenen Bienenhaufen.

Costolo war es leid, ständig auf Kritik reagieren zu müssen, bereits im Januar soll er, wie aus dem Umfeld des Unternehmen zu hören ist, einigen Freunden gestanden haben, dass er auf diese Ärgernisse keine Lust mehr habe. "Die Struktur ist stabil; Tempo und Qualität bei der Umsetzung der Strategie, an die wir alle glauben, war niemals besser als jetzt", sagte er nun.

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Es sind Sätze wie dieser und auch die Ankündigung von Dorsey, die Strategie nicht zu ändern, die den Aktienkurs zunächst um sieben Prozent steigen und danach gleich wieder um fünf Prozent fallen ließen. Was ist ein Neuanfang wert, wenn gleich zu Beginn verkündet wird, nicht wirklich etwas neu machen zu wollen? Und ist dieser Dorsey der richtige Mann dafür?

Er war bereits von 2007 bis 2008 Geschäftsführer, damals hoffnungslos überfordert. Nach seiner Absetzung sabotierte Dorsey die Arbeit seines Nachfolgers und Mitgründers Evan Williams, er war an dessen Ablösung durch Costolo maßgeblich beteiligt. Bei Twitter hat er seitdem nicht mehr viele Vertraute.

Er wird vor allem eine Frage beantworten müssen: Wie will Twitter mehr von den 19,2 Milliarden Dollar abbekommen, das amerikanische Unternehmen in Werbung im mobilen Internet stecken, als die 3,6 Prozent im vergangenen Jahr. Facebooks Anteil lag bei 18,5 Prozent, der von Google bei 36,9 Prozent. Es ist fraglich, ob es überhaupt jemanden gibt, der ein rentables Konzept fürs Gezwitscher hat.

"Wir suchen jemanden, der das Produkt bedingungslos liebt und nutzt", sagt Dorsey. Was er nicht sagt: Der neue Chef wird sich auch der wohl einmaligen Situation stellen müssen, von einem Verwaltungsrat beaufsichtigt zu werden, in dem drei seiner Vorgänger Dorsey, Costolo und Williams sitzen. Dieses Twitter, das ist ganz offensichtlich doch eine komplizierte Sache.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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