Pinterest, Path, Fab und Co.:Warum Nischenanbietern die Zukunft gehört

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Aus dem erfolglosen Schwulennetzwerk Fabulous wurde der Design-Verkäufer Fab. Inzwischen läuft der Laden. (Foto: Screenshot: Fab.com)

Bei Pinterest, Path, Fab, Etsy und Co. können Nutzer stöbern statt shoppen, Kochrezepte teilen oder einfach ihren Liebsten sagen, wann es ins Bett geht: Im Schatten von Facebook und Amazon gedeihen Anbieter, die Nischen bedienen - und die Etablierten ärgern.

Von Sophie Crocoll

Die Welt brauchte seine Firma nicht. Das gestand Bradford Shellhammer sich ein, als sich nicht mal Bekannte für den Dienst begeistern ließen. Mit einem Freund, dem Unternehmer Jason Goldberg, hatte der Designer Fabulous gegründet, ein Netzwerk für Schwule, die sich auf der Plattform Restaurants, Bars und Hotels empfehlen sollten, in denen die Gäste auch zwei Männer als Paar akzeptieren.

Millionen Mitglieder wollten sie locken, 150.000 meldeten sich an, von denen sich gerade mal 30.000 regelmäßig austauschten. Die Nische, in die sich die Gründer vorgewagt hatten, war zu klein. Das tägliche Sonderangebot auf der Seite aber lief gut. Und so verlegten sich Shellhammer und Goldberg darauf, im Internet Designprodukte zu günstigeren Preisen zu verkaufen, als sie im Laden zu haben sind. Und das nicht nur an Schwule.

Während Fabulous als Nischen-Facebook scheiterte, hat Fab, wie die Firma heute heißt, als Nischen-Amazon Erfolg. Inzwischen kaufen elf Millionen Menschen über die Seite ein, im vergangenen Jahr sollen sie dabei 150 Millionen US-Dollar ausgegeben haben. Fab ist nicht das einzige Unternehmen, das den Großen Konkurrenz macht. Da gibt es den Onlinehändler Etsy, eine Art Ebay für Bastler, über dessen Seite Leute Selbstgemachtes verkaufen. Bei den Netzwerken locken Pinterest, Path und Instagram mit dem Versprechen, anders als Facebook mit seinen Abermillionen von Mitgliedern zu sein.

Pinterest erhält weitere 200 Millionen Dollar von Investoren

"Menschen suchen immer nach einer Nische, die ihre ganz speziellen Bedürfnisse erfüllt", sagt James Murray, Analyst beim IT-Dienstleister Experian. Paare, die gerade Eltern geworden sind beispielsweise, oder überzeugte Fußballfans. Die wollen auch im Internet mit Gleichgesinnten sprechen, ohne Singles oder Fußball-Hassern bei Facebook auf die Nerven zu gehen. "Leute haben im echten Leben Kontakt zur Familie, zu Kollegen und Vereinsbekanntschaften. Inzwischen diversifizieren sie auch ihre Beziehungen im Netz", sagt Murray. Facebook und Twitter haben mittlerweile eine Größe erreicht, mit der sie das nicht mehr bieten können.

So erklärt sich die Beliebtheit des Fotodienstes Instagram, der verändert hat, wie Menschen im Internet Bilder ansehen und den Facebook inzwischen für eine Milliarde Dollar übernommen hat. Pinterest, das sich als digitales Notizbuch vermarktet, hat gerade weitere 200 Millionen Dollar von Investoren bekommen, was einer Bewertung des Nischennetzwerks mit 2,5 Milliarden Dollar entspricht. Es bringt vor allem Frauen zusammen, die sich für Mode, Gartenarbeit oder Rezepte interessieren, sich im echten Leben aber nicht persönlich kennen.

Auch der Nachrichtendienst Path ist einmal in Abgrenzung zu Facebook entstanden. Gründer Dave Morin stellte irgendwann fest, dass er in dem sozialen Netzwerk nie mit den Menschen sprach, die ihm am nächsten stehen: seiner Freundin, seiner Schwester, seiner Mutter. Er entwickelte sein eigenes Portal, das die Anzahl der Menschen, mit denen man sich verbinden kann, auf 150 begrenzt. Path soll helfen, den Alltag mit den Liebsten zu teilen, auch wenn der oft ganz schön banal ist. Die Lieblingsfunktion der Mitglieder, sagt Morin, sei "Sleep" - sie dient nur dazu, anderen mitzuteilen, wann man ins Bett geht und am Morgen wieder aufsteht.

Jeden Monat wächst die Nutzerzahl von Path um 50 Prozent

"Für die richtigen Leute ist das Banale besonders", sagt Morin. Path läuft nur auf Smartphones und Tablets, weil Menschen die immer dabei haben, wenn etwas passiert, was sie mit der Familie und Freunden teilen möchten. Am Anfang hat das wenige überzeugt, lange hatten sich nur einige Zehntausend angemeldet. Im Dezember nutzten schon fünf Millionen Menschen Path, jeden Monat wächst die Anzahl der Mitglieder derzeit um etwa 50 Prozent. Google soll für das Mininetzwerk, das praktisch kein Geld verdient, bereits 125 Millionen Dollar geboten haben.

Noch stellt die wachsende Beliebtheit der Nischenanbieter für die Etablierten keine allzu große Konkurrenz dar. "Bislang nehmen sich die Netzwerke gegenseitig nicht die Zeit und die Aufmerksamkeit ihrer Mitglieder weg", sagt Analyst Murray. Von der Zeit, die Menschen insgesamt im Internet verbringen, entfiele aber ein immer größerer Teil auf Netzwerke. "Das Onlinegeschäft ist auf keinen Fall schon so weit entwickelt, dass nicht auch kleine Spieler einen Markt dominieren könnten." Besonders wenn sie von den Mitgliedermassen der Großen profitieren: Zu Etsy und Fab finden viele Käufer über Netzwerke wie Facebook und Twitter, wo Menschen zeigen, was sie gerade erstanden haben und was ihnen gefällt.

So reagieren die ersten Etablierten auf den Erfolg der neuen Anbieter: Ebay hat kürzlich in den USA seiner Homepage ein neues Design verpasst, das optisch sehr an Pinterest erinnert. Auf einer Investorenkonferenz hat der Konzern gerade angekündigt, Handelserlebnisse gestalten und damit 2015 mindestens 21,5 Milliarden Dollar umsetzen zu wollen.

Zudem will Ebay seine Seite noch stärker an die Bedürfnisse seiner Besucher anpassen, ihm Produkte und Marken zeigen, die seinem Geschmack entsprechen. Entdecken statt suchen, nennt das Unternehmen das - ein Spruch, den auch Fab benutzt. Während Käufer bislang bei Ebay und auch Amazon wissen mussten, wonach sie suchen, bot Fab sich ihnen als Boutique an, in die man geht, weil man Lust zum Stöbern hat. Aber nicht, weil man unbedingt etwas kaufen will. "Wir ermöglichen es Menschen, sich kreativer zu fühlen und nach außen darzustellen, wie sie sein wollen", sagt Bradford Shellhammer.

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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