Kontroverse Icann-Registrierung:Warum die Domain .kinder jetzt eine Ferrero-Marke ist

A woman takes a Kinder Ferrero chocolate in Milan

"Kinder"-Produkte haben jetzt ihre eigene Domain.

(Foto: Stefano Rellandini/Reuters)
  • Der Süßwarenhersteller Ferrero, der unter anderem "Nutella" und die "Kinder-Schokolade" produziert, hat sich die Domainendung .kinder gesichert.
  • Die internationale Internetverwaltung Icann wacht über alle Domainendungen wie .com oder .de. Die Icann hat nun auch die neue Endung .kinder freigegeben.
  • Der Kinderschutzbund und später auch das Familienministerium haben heftig dagegen protestiert, dass ein Konzern die Endung .kinder exklusiv für seine Marke beansprucht.

Von Angela Gruber

Es geht nicht um die Ferienfreizeit für Kinder, nicht um Schulen und nicht um Erziehungstipps: Wer im Internet URL-Adressen mit der Endung .kinder ansteuert, kann sich bald ausgiebig über das Kinder-Überraschungsei, die Kinder-Schokolade und vielleicht auch Nutella informieren, solange der Hersteller Ferrero das marketingmäßig für sinnvoll hält.

Denn Ferrero hat die Domainendung .kinder für sich registrieren lassen und macht für das Wort Markenrechte geltend. Die Domainendung ist vor wenigen Tagen freigeschaltet worden, Protesten des Kinderschutzbundes und des Familienministeriums zum Trotz.

Jeder, der im Internet unterwegs ist, gibt auf der Tastatur auch Domainnamen ein. Sie sind Teil der Adressen im Internet, der URLs. Damit jede Adresse eindeutig ist und es kein Chaos gibt, koordiniert die als Nonprofit-Organisation registrierte Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) die Vergabe. Lange Zeit gab es nur Endungen wie .com, .de oder .org. Dann öffnete die Icann diese sehr kurze Liste der Top-Level-Domains für neue Einträge.

Eine Übersicht der Icann listet seit dem 9. Oktober 2015 auch die Endung .kinder auf, um die es geht. In der Vergangenheit wurden mit .barcelona oder .berlin ortsbezogene Bezeichnungen freigegeben, aber auch Markennamen wie .nokia oder .skype. Außerdem gibt es sogenannte generische Top-Level-Domains wie .app.

An der Endung .berlin könnten Berliner Firmen genauso wie Hotels oder Blogger Interesse haben. Das ist kein Problem, denn jeder kann sich eine Adresse mit der entsprechenden Endung sichern, sollte sie noch frei sein. Eine Adresse mit .nokia kann sich wiederum keiner einfach einrichten lassen, denn die Rechte an der Marke hält unbestreitbar Nokia, das Unternehmen.

Das verdeutlicht das Problem im Fall Ferrero: Der Süßwaren-Hersteller sicherte sich eben nicht nur .ferrero. Mit .kinder zielt es auf die exklusive Nutzung eines Begriffs ab, der zwar für die Marke eine Rolle spielt, aber gleichzeitig auch in der deutschen Sprache geläufig ist. "Die Freischaltung von .kinder ist aus deutschsprachiger Sicht daher hochgradig problematisch", sagt Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann. Sie forscht als Direktorin des Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft zu Internetregulierung. Beim System der Domainvergabe kann nur eine Partei weltweit den Zuschlag erhalten. "Das Beispiel .kinder zeigt, wie ungeheuer schwer es ist, eine einheitliche globale Namenspolitik zu entwickeln." In Deutschland hat "Kinder" eben für viele Menschen bisher nicht so viel mit Schokozeug zu tun, Ferrero-Produktpalette hin oder her.

Als der Deutsche Kinderschutzbund von dem Fall erfuhr, protestierte er heftig. "Wir sind mit der exklusiven Nutzung der Domain durch ein kommerzielles Unternehmen nach wie vor überhaupt nicht einverstanden", sagt Anja Berger, Fachreferentin beim Kinderschutzbund. "Der Begriff 'Kinder' wird als Handelsobjekt missbraucht." Der Kinderschutzbund will auch nach der Freischaltung der Domain nicht aufgeben. Man suche Kooperationspartner und wolle bald gemeinsam an Ferrero herantreten, um einen Kompromiss zu erzielen, sagt Berger.

Auch in der Politik hatte der Kinderschutzbund Mitstreiter gesucht und gefunden. Caren Marks, parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium, protestierte schriftlich bei der Icann, ohne Ergebnis.

Auf Anfrage sagte eine Sprecherin des Familienministeriums jetzt: "Kinderschutzorganisationen protestieren zu Recht gegen die Vergabepraxis." Auch das Ministerium wehre sich gegen eine "Kommerzialisierung des Begriffs 'Kinder' als Markenbegriff" und lehne es ab, dass die Vergabe von .kinder "nach rein wirtschaftlichen Interessen" erfolgt sei.

Das Ministerium will sich der Sprecherin zufolge nun für einen offeneren Vergabeprozess einsetzen, etwa durch eine Reform des Prozederes der Domainvergabe. In Sachen Ferrero kommt dieses Engagement wohl zu spät.

Bei Ferrero ist man sich keiner Schuld bewusst. "'Kinder' ist eine internationale Marke der Ferrero-Gruppe", heißt es von dort auf Anfrage. "Die Nutzung der Top Level Domain geschah aus Markenschutzgründen, wie dies durchaus üblich ist." Das deutsche Wort "Kinder" habe in den meisten Ländern nun mal keine Bedeutung, nur der deutsche Sprachraum sei für das internationale Unternehmen problematisch. "In nicht deutschsprachigen Ländern wird 'kinder' allein als Marke beziehungsweise Markenname von Ferrero wahrgenommen."

Dementsprechend forderte das Unternehmen in einem früheren Schriftsatz zur Domainregistrierung: ".kinder-Domainnamen dürfen unter keinen Umständen von Dritten registriert oder genutzt werden, außer von Ferrero."

Die Icann lässt sich normalerweise nicht auf solche Deals ein, in denen ein allgemeiner Begriff exklusiv einer Marke zugeschrieben werden soll. Bei Ferrero und .kinder allerdings hat sie das getan und ist Ferreros Argumentation gefolgt. Die Widerspruchsfrist gegen die Pläne von Ferrero lief schon vor rund zwei Jahren ab, ohne dass jemand Anstoß nahm. Möglicherweise hatte einfach niemand mit Deutschkenntnissen gemerkt, was Ferrero plante. "Es gab während der offiziellen Bewilligungsphase keinerlei Einspruch von Dritten", so Ferrero.

Was das Unternehmen mit der Domain plant, lässt sich noch nicht genau sagen, da Ferrero seine neue Internet-Heimat noch nicht bespielt. Lediglich die verpflichtende Informationsseite ist schon online. Wer sie aufruft, sieht ein Platzhalter-Produktfoto der bekannten Ferrero-Süßigkeiten und kann lesen, wie das Unternehmen sich selbst gerne sieht: "Ferrero trägt soziale Verantwortung in seiner DNA. In Sachen guter Ruf gehört Ferrero durchweg zu den am besten gerankten Firmen weltweit."

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