Technik:Zugeklebte Handys entmündigen den Verbraucher

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Reparaturunfreundlich: iPhones lassen sich nur von Fachwerkstätten öffnen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Viele technische Geräte sind nur mühsam zu reparieren. Für die Hersteller ist das fantastisch.

Ein Kommentar von Hans von der Hagen

Wem es noch nicht aufgefallen ist - das iPhone macht bisweilen komische Geräusche. Wenn man es irgendwo hinlegt, klirrt es leicht. So, als sei etwas nicht ganz fest. Vielleicht wackelt im Inneren ein Draht oder ein Schräubchen. Man weiß es nicht so genau. Die Ursache lässt sich auch nicht erforschen, weil das Handy sich nicht öffnen lässt. Es ist dicht, für den Normalbürger eine Kapsel ohne Zugang. Seit mehreren iPhone-Generationen ist die Frage nun ungelöst. Immer wieder wird sie in den Foren des Internets diskutiert. Manche haben deswegen ihre Telefone getauscht. Geholfen hat es nichts. Wahrscheinlich ist es die Kamera.

Das bisschen Geräusch ist auch kaum der Rede wert. Die Hilflosigkeit, mit der Nutzer ihren Geräten gegenüberstehen, allerdings schon. Denn es geht ja nicht nur um Handys, sondern um alle technischen Geräte bis hin zum Auto: Der Blick unter die Motorhaube eines modernen Fahrzeugs ist mitunter genauso ernüchternd wie die Rückseite eines Handys: Alles ist glatt und unnahbar. Alles signalisiert: "Lass bloß die Finger von mir!"

Die Kunden geraten in eine Abhängigkeit, die hervorragende Geschäfte ermöglicht

Auf den ersten Blick scheint das ja auch vernünftig zu sein. Viele Bauteile sind empfindlich. Das Geräteinnere ist oft komplex und dicht bepackt - wer da rumfummelt, kann eigentlich nur zerstören. Und keine Frage: Viele haben auch nicht die geringste Lust, sich mit dem Innenleben ihrer Geräte zu beschäftigen. Schon gar nicht mit dem der Handys. Nach wenigen Jahren wird es eh ausgetauscht - schon weil das neue angeblich so viel mehr kann. Da ist es sogar egal, dass bei vielen Handys nicht einmal mehr der Akku getauscht werden kann. Wie auch beim neuen Aldi-Handy, das jetzt vorgestellt wurde. Und wenn ein Gerät dann doch reparaturfreundlich gestaltet ist, nimmt es kaum jemand wahr. Das Interesse an solchen Produkten ist gering. Zumindest dann, wenn die Kunden die Entscheidung für einen Kauf treffen.

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Für die Konzerne ist das Desinteresse fantastisch: Die Kunden geraten nach und nach in eine Abhängigkeit, die den Unternehmen auf Jahre hervorragende Geschäfte ermöglicht. Bei vielen Produkten geht nichts mehr ohne eine Fachwerkstatt, die dann allein mit den originalen Ersatzteilen beliefert wird. Lästige Drittanbieter, die das gleiche Produkt womöglich weit günstiger anbieten könnten, haben keine Chance mehr.

Auf einer anderen, eher emotionalen Ebene setzt sich diese Abhängigkeit fort. Kann denn das Gerät, das meist schon nach kurzer Zeit ein altes ersetzt, tatsächlich so viel mehr, wie die Industrie ihren Kunden zuflüstert? Wenn die sich für einen Wechsel entschieden haben, ist die Ernüchterung oft groß. Das Handy ist immer noch ein Handy, die Kamera da drin ist immer noch nicht so toll. Und das Nachfolgemodell des Autos fährt auch nicht schneller. Doch bei jedem Kauf ist die Zuversicht da, dass es dieses Mal anders sein könnte. Tatsächlich ist genau das die Strategie der Unternehmen: Hoffnung und Frustration im steten Wechsel. Die Kunden sollen sich nicht zu lange wohlfühlen mit ihren Produkten. Jede technische Anpassung ist ein kleines Ärgernis für die, die das Vorgängermodell bereits besitzen. Denn das fühlt sich plötzlich alt an, auch wenn es erst wenige Monate zuvor gekauft wurde. Wie erfolgreich die Methode ist, lässt sich jedes Jahr im Spätsommer studieren, wenn erst Samsung und dann Apple mit Aplomb ihre neuen Produkte auf den Markt werfen. Doch was wie eine Feier aussieht - und ja, auch Spaß machen kann - ist in Wahrheit eine Entmündigung des Verbrauchers. Eine, die scheinbar niemanden stört.

Wirklich niemanden? Unfug. Viele ärgern sich darüber. Aus den unterschiedlichsten Gründen: Weil es die Kunden wütend macht, wie die Konzerne nach dem Kauf mit ihnen umspringen. Wenn etwa das schöne, schraubenlose Gerät nicht mehr funktioniert. Oder weil die Firmen so unnahbar sind wie ihre Produkte. Und weil es ein Wahnsinn ist, mit welcher Leichtigkeit Ressourcen für die in immer rascherer Folge auf den Markt geworfenen Produkte verschwendet werden.

Allein: Auf diejenigen, die es stört, hört kaum jemand: auf die Umweltschützer, auf die Menschen in den vielen neuen Reparatur-Cafés, die sich mit ihren Gerätekapseln nicht mehr zufrieden geben wollen. Und auf die, die wutentbrannt ihre elektrische Zahnbürste in den Müll pfeffern, weil ihnen den Akku keiner wechselt. Wie kann sich das ändern? Es sind die Kunden, die auf nachhaltige Geräte pochen müssen. Leicht zu reparieren, wertig in der Technik. Und zwar so lange, bis die Unternehmen solche Produkte als Chance begreifen. Das wäre dann das Slow Food der Technikindustrie.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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