E-Reader der Zukunft:E-volution der Dinos

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Elektronische Lesegeräte fristen in Deutschland ein Nischendasein. Der technische Fortschritt könnte ihnen aber bald zum Durchbruch verhelfen. Ein Ausblick auf 2010.

Christian Aichner

Wenn sich Anfang Januar 2010 die Eleketronikbranche in Las Vegas trifft, um auf der Consumer Electronics Show ihre Neuheiten vorzustellen, steht eine Gerätegattung unter besonderer Beobachtung: Die E-Book-Reader, elektronische Lesegeräte für digitale Bücher.

Das britische Unternehmen Plastic Logic hat ein biegbares Display entwickelt. Produziert wird es in Dresden. (Foto: Foto: dpa)

Kaum ein Segment entwickelt sich in einer solchen Geschwindigkeit: Sony, Amazon, Vodafone, Asus, Samsung und Barnes&Noble sehen E-Book-Reader bereits als wichtigen Teil ihres Portfolios. Doch sie wissen: Nur wer seine Geräte im Jahr 2010 weiterentwickelt, kann den Konsumenten überzeugen.

Derzeit sehen viele Beobachter im "Nook" der US-Buchhandelskette Barnes&Noble das Gerät mit dem größten Potential. Er hat zwei Bildschirme, ein etwas kleineres LC-Farb-Display mit Touchfunktion und einen größeren E-Ink-Bildschirm. So können Bilder und Multimedia-Anwendungen wie auf einem PC in Farbe genossen werden, während einfaches Lesen dank der kleinsten Teilchen, die im Display liegen, fast so komfortabel wie auf bedrucktem Papier ist.

Der Anfang Dezember in den USA auf den Markt gekommene Nook ist in den USA bereits ausverkauft, erst im neuen Jahr kann Barnes&Noble die schon vorbestellten E-Reader ausliefern.

Verkaufszahlen ziehen an: US-Verbraucher vorn

Auch der angekündigte Asus E-Reader setzt auf zwei Bildschirme, über die parallel gelesen und gesurft werden kann. Zudem bietet der taiwanesische Hersteller eine Touch-Tastatur für Schreibanwendungen und entdeckt das gute alte Buchformat neu: Der "Eee" ist wie ein echter Schmöcker einfach zusammenklappbar - und soll überdies zum Sparpreis von unter 200 Dollar im kommenden Jahr zunächst in Asien und den USA erhältlich sein.

Nicht zuletzt wegen der Neuentwicklungen ziehen die Verkaufszahlen von digitalen Lesegeräten vor allem in Übersee an. Die Analysten von Forrester Research erwarten für das Jahr 2009 zwei Millionen verkaufte E-Reader in den USA, nachdem 2008 bereits eine Million digitaler Lesegeräte den Besitzer wechselten.

Das US-Marktforschungsunternehmen In-Stat hat nach der Befragung von 1529 Verbrauchern hochgerechnet, dass mittlerweile knapp sechs Prozent der amerikanischen Verbraucher ein Lesegerät für digitale Inhalte besitzen. Innerhalb des nächsten Jahres soll diese Zahl auf 17 Prozent steigen, rechnet In-Stat vor.

In Deutschland wächst der E-Reader-Markt ebenfalls, wenn auch langsamer als in den USA. Gab es zu Beginn des Jahres hierzulande nur eine handvoll E-Book-Reader, ist der deutsche Markt Ende 2009 mit 39 schon veröffentlichten oder für 2010 angekündigten elektronischen Lesegeräten mittlerweile reichlich bestückt.

Die bekanntesten in Deutschland erhältlichen E-Reader sind bisher immer noch der Amazon "Kindle" und die Sony "PRS"-Reihe - doch es schlummern noch weitaus vielseitigere elektronische Lesegeräte in den Labors der Hersteller.

Eine dieser vielversprechenden Neuentwicklungen kommt aus dem Hause Plastic Logic. Nach zehnjähriger Entwicklung bietet der "Que" ein neuartiges, weil biegbares Display im DinA4-Format, dazu einen Touchscreen, eine umfassende Schreibfunktionen im Office-Stil, eine Volltextsuche, eine Drahtlosschnittstelle und eine enorme Dateikompatibilität.

Evolution der E-Reader soll Verkauf auch hierzulande ankurbeln Zwar dürfte das den Preis in die Höhe treiben, dafür ist der Plastic Logic E-Reader sowohl als Lesegerät für eBooks, digitale Zeitungen und Magazine, als auch als Arbeitsgerät im Stile eines Netbooks oder Tablets geeignet. Im kommenden Jahr sollen eine Profi-Edition und eine abgespeckte Version zunächst den amerikanischen und dann den europäischen Markt erobern.

Mit den E-Readern der ersten Generation von Ectaco, Bookeen oder den Marktführern von Sony und Amazon hat der "Que" nur noch wenig gemein. "Die bisher verfügbaren E-Book-Reader sind vor allem etwas für Leseratten, für Vielreiser, die nicht zig Bücher mit sich herumschleppen wollen, und Menschen, die auf technische Gimmiks und den Herzeige-Effekt stehen", erklärt Dr. Marco Olavarria, Geschäftsführer der Verlagsberatungsfirma Kirchner + Robrecht, warum die E-Reader der ersten Generation die breite Masse noch nicht in Kauflaune bringen konnten: "So viel Spaß wie zum Beispiel das iPhone mit allerlei Tools und Beschäftigungsmöglichkeiten machen die aktuellen eReader nicht."

Bisher hätten vor allem technikaffine Männer zwischen Ende 20 und Anfang 40 E-Reader und E-Books gekauft, vor allem aus dem Wissenschafts- und Sachbuchbereich, sagt Olavarria. In den kommenden Jahren soll auch bei anderen Gruppen der Durchbruch gelingen.

Der Absatz von digitalen Büchern wird weiter steigen, prognostiziert Kirchner + Robrech deshalb: Bis 2015 könnten in Deutschland im schlechtesten Fall etwas mehr als 15 Millionen, im besten Fall 60 Millionen E-Books verkauft werden. Dann werden auch die Absatzzahlen von E-Readern anziehen, so die Logik: In den kommenden fünf Jahren sollen der Prognose zufolge hierzulande knapp drei Millionen digitale Lesegeräte über den Ladentisch gehen.

Die Buch- und Verlagsbranche stehe vor einem rasanten Wandel, ähnlich wie es der Musikindustrie nach der Entwicklung des MP3-Formats ergangen sei - wenn erst einmal die technische Evolution aus der ersten E-Reader-Generation multimediale Alleskönner gemacht hat: "Bei unserer Prognose setzen wir darauf, dass die eReader-Technologie weiter entwickelt wird. Es sind viele technische Neuerungen absehbar, welche die heutige Generation - übertrieben könnte man sie auch Dinosaurier nennen - recht bald alt aussehen lassen werden", erklärt Marco Olavarria.

Unter diesen Voraussetzungen könnten E-Book-Reader den Markt ähnlich schnell durchdringen, wie es einst auch MP3- und DVD-Playern gelungen ist. Das hat auch für den Konsumenten einen Vorteil: Die Preise für solche Geräte dürften mittelfristig deutlich sinken.

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