Computerspiel "Battlefield 4":Nächster Halt Weltkrieg, Endstation unbekannt

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Battlefield 4 (Foto: Electronic Arts)

2020 rasselt der Russe im Osten und in China droht ein Staatsstreich. Die Welt steht mal wieder am Abgrund: In "Battlefield 4" zieht man als US-Elitesoldat ins Gefecht. Der Spieler ist gefragt, das geopolitische Schlamassel in bester Wildwest-Manier bleihaltig zu entwirren - und findet dazu trotz fortgeschrittener Technik keine neuen Ideen.

Von Rudolf Inderst

Eigentlich haben wir dort nichts verloren. Doch die Dinge sind kompliziert. Ich liege mit meinem Trupp Soldaten irgendwo an der chinesischen Küste auf einem Stück Straße. Ein Taifun peitscht die See über das Ufer, Bäume biegen sich, schwanken bedrohlich und das Sausen des Windes ist ohrenbetäubend. Die chinesischen Gastgeber sind alles andere als erfreut über unsere Invasions-Präsenz und empfangen uns mit Maschinengewehrfeuer und Handgranaten. Natürlich erwidern wir das Feuer und schreien uns markige Alpha-Tier-Sprüche zu.

Pünktlich, wenn im November die Vorweihnachtszeit allmählich in die Herzen der Deutschen schleicht, und das zugehörige -geschäft an Fahrt aufnimmt, schleichen auch digitale Soldaten wieder vermehrt über die Egoshooter-Schlachtfelder der aktuellen und kommenden Konsolengeneration. Zumindest an der Oberfläche wartet der First Person Shooter Battlefield 4 mit einer politisch brisanten Geschichte auf. In der nahen Zukunft steigern sich die Spannungen zwischen den USA und Russland, bis im Grunde nur noch der berüchtigte Funken fehlt, um das Pulverfass Weltkrieg zur Explosion zu bringen. Und genau in dieser Situation entwickelt sich die Lage in China katastrophal: Ein Militärcoup sorgt für neue Machtverhältnisse - der reaktionäre General Chang ist jetzt am Ruder und möchte das Gesicht der Welt in seinem Sinn für immer verändern.

Es dürfte damit auch gleichzeitig klar sein, welche Roller die Spieler in Battlefield 4 übernehmen. Richtig, natürlich die des Weltpolizisten. Denn es stehen hier die ganz großen Dinge auf dem Spiel: Demokratie, Menschenrechte, Pluralismus. Darunter, so scheint es, geht es in großbudgetierten Egoshootern nicht mehr. Auch der direkte Konkurrent aus dem Hause Activision - Call of Duty: Ghosts - schlägt in eine ähnliche Kerbe. Da mag man irritiert die Frage stellen, wenn der nächste Halt "Weltkrieg" ist, wie lautet dann wohl die Endstation?

Action ist Stillstand

Tatsächlich befindet sich das Genre der Shooter in einer Krise. Diese ist keineswegs technischer Natur - im Gegenteil. Was die Programmierer aus den Titeln an optischer Wucht und akustischer Brillanz (Schlagwort "5.1-Tonabmischung") herauskitzeln, ist äußerst beeindruckend. Zwar sind auch millionenschwere Titel wie Battlefield 4 nicht vor Programmierfehlern sicher, aber sie bilden mittlerweile die Ausnahme und können auch nach Einführung des Produktes meist zügig durch Patches behoben werden. Doch je weiter man sich dem offensichtlichen fotorealistischen Traum vieler Programmierer, Produzenten und Produktmanager nähert, desto deutlicher werden die Schwächen.

Natürlich kann man immer noch mehr Pixel auf den Bildschirm zaubern und die halbtransparente Haut von Ohrläppchen nachbilden, die im physikalisch korrekten Maße durchlässig für Lichtstrahlen sind. Aber das macht eine Spielwelt nur bedingt authentischer. Angesichts der "wunderbar" nachgeformten Schnellfeuergewehre und der bildschirmfüllenden Explosionen zu Land, See und Luft (alles ist möglich in Battlefield 4) mag man sich nur kleinlaut zu fragen trauen: Ist das emotional anrührend? Packt mich die Geschichte? Verändert sie mich gar als Konsument eines Kulturgutes? Denn das möchten Spieler und Industrie nur zu gerne sein: Joypad-Agenten von irgendwie gemünztem kulturellen Wert.

Wenn man nach etwa sechs Stunden Kampf für Menschenrechte die Einzelspieler-Kampagne bezwungen hat, kann man sich in den Mehrspieler-Modus stürzen. Für viele Spieler ist dies ohnehin der wahre Grund, aktuelle Egoshooter zu erwerben. Ehe man sich versieht, sind 200 Stunden Lebenszeit in die Online-Schlachten geflossen. Tatsächlich fand in den Multiplayer-Modi der aktuellen Shooer auch die nachhaltigste Entwicklung innerhalb des Genres statt - die angehende Verschmelzung von Action- und Rollenspiel.

Was dem Ersten das Haustier, dem Zweiten das Tamagotchi ist, ist dem Dritten sein Held aus dem deutschen Traditions-Rollenspielklassiker Das Schwarze Auge. Offensichtlich bereitet es Menschen Freude, Dinge, die ihnen am Herzen liegen, wachsen und gedeihen zu sehen. Es ist genau diese Mechanik, die sich Mehrspieler-Modi in modernen Shootern zu Eigen machen. Gekoppelt an ein Glückshormone ausschüttendes Belohnungssystem freuen sich weltweit Millionen von Spielern, wenn ihr Battlefield 4-Avatar neue Ausrüstungsgegenstände benutzen oder Waffen ausprobieren darf. Durch das Erledigen von Aufgaben (und Mitspielern gleichermaßen) sammelt man Erfahrungspunkte, steigt Level um Level auf und vervollständigt so seinen kleinen, digitalen Söldner. Individueller ist eigentlich nur das Bemalen von Zinnsoldaten.

Nur hat man das alles schon in anderen Titel gesehen - in den Vorgängern der Battlefield-Reihe ebenso wie bei der Konkurrenz von Call of Duty. Battlefield 4 wird nie mehr als die Summe seiner spielerischen Einzelteile. Technisch (fast) voll auf der Höhe der Zeit, aber dennoch äußerst überraschungsarm.

"Battlefield 4" (USK ab 18) ist am 30. Oktober 2013 für PC, Xbox 360 und Playstation 3 erschienen. Am 21. November 2013 erscheint das Spiel für die Xbox One, am 28. November für die Playstation 4. Dieser Text beruht auf der Xbox-360-Version.

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