Internet: Lehren aus Ägypten:Angst vor dem Ausschalt-Knopf

Hat das abgetretene ägyptische Regime mit der Abschaltung des Internets eine Blaupause für Autokraten in aller Welt geschaffen? Ein Bericht der New York Times wirft Fragen auf.

Der Versuch Hosni Mubaraks, mit der Abschaltung des ägyptischen Internets die Proteste gegen ihn zum Erliegen zu bringen, scheiterte. Einer Recherche der New York Times (NYT) zufolge könnte er allerdings anderen Autokraten eine Blaupause für einen "Ausschalt-Knopf für das Internet" liefern.

Demonstrationen in Kairo

Demonstrant in Kairo während der Proteste gegen Mubarak: Auch ohne Internet erfolgreich.

(Foto: dpa)

Ausführlich schildern die NYT-Autoren James Glanz und John Markoff die verheerende Kombination von Nutzungsgewohnheiten und staatlich kontrollierter Infrastruktur, die eine Abschaltung des Internets ermöglichte.

Dabei beziehen sie sich auf eigene Recherchen, aber auch auf Gespräche mit IT-Experten in Ägypten, die derzeit die technischen Hintergründe der Abschaltung rekonstruieren. Die neue ägyptische Regierung hat sich bislang zu dem Thema noch nicht geäußert.

Die wichtigsten Punkte, die dem Mubarak-Regime in die Hände spielten, waren dem NYT-Bericht zufolge:

Ein staatlich kontrolliertes Netz

Wie in vielen anderen autokratischen Ländern ist das Telekommunikationsnetz in Ägypten komplett in der Hand von regierungstreuen Staatsunternehmen. Diese zentrale Struktur erlaubt einen direkten Zugriff. Auch in Ländern wie Syrien, Jordanien, Katar oder Saudi-Arabien gehört dem Staat das Netz.

Wenige Knotenpunkte

Das Internet mag uns als Netz mit vielen Maschen und Knoten vorkommen, in der Realität sind aber gerade viele Schwellenländer nur an wenige Glasfaser-Hauptleitungen angeschlossen.

Auch in Ägypten gibt es nur wenige Knotenpunkte, an denen die heimischen Leitungen auf die aus dem Ausland treffen. Mehr noch: Nur zwei Kilometer vom Tahrir-Platz in Kairo, dem zentralen Ort der Demonstrationen, laufen die Kabel der fünf großen Internet-Provider zusammen, die wiederum Ägypten mit dem Ausland verbinden. Möglicherweise wurde dort die Abschaltung des heimischen Internets durchgeführt - ob manuell oder durch Software-Befehle, ist nicht bekannt.

China gilt als Land, dass die Knotenpunkte am besten kontrolliert: Dort hat Peking Filter installiert, die Anfragen an ausländische Webseiten blocken oder bestimmte Schlüsselworte nicht übermitteln. Der Artikel legt nahe, dass autoritäre Regierungen beim Ausbau des Breitband-Internet genau aufpassen, die Kontrolle über die Knotenpunkte zu behalten.

Wesentliche Portale in den USA

Als das ägyptische Breitbandnetz weitestgehend offline ging, waren dem Bericht zufolge noch nicht alle Verbindungen gekappt. Offenbar wäre es noch stellenweise möglich gewesen, zumindest im ägyptischen Netz eine Kommunikationsstruktur zu etablieren: So gelang es der American University in Kairo, die auf den eigenen Servern lagernde Homepage zu aktualisieren, einige Studenten konnten diese offenbar trotz Internet-Blockade zeitweise erreichen.

Da populäre Dienste wie Facebook und Twitter allerdings auf US-Servern liegen, gelang es der ägyptischen Regierung, den Protestierenden den Zugang zu diesen zu verwehren.

Weil soziale Medien und das zwischenzeitlich gesperrte Mobilfunknetz allerdings nur ein Teil der Weiterverbreitungsstrategie bildeten, gelang es den Demonstranten, sich über andere Wege zu verständigen - zum Beispiel, indem sie in Gruppen durch die Straßen Kairos liefen und die Bewohner der Stadt dazu aufriefen, sich ihnen anzuschließen.

Abhängigkeit der Internetprovider

Vier von fünf Internetanbieter gingen Ende Januar auf Geheiß der ägyptischen Regierung sofort vom Netz, der kleinere Anbieter Noor Data Networks folgte erst später: Das Unternehmen zählt wichtige ausländische Konzerne zu seinen Kunden und ist auch für einen Großteil der Finanztransaktionen zuständig.

Auch das britische Unternehmen Vodafone folgte dem Befehl, dem Bericht zufolge aus Sorge, bei einer Abschaltung durch die Regierung seine Infrastruktur in Ägypten zu beschädigen.

Die Wahrheit ist allerdings banaler: Wollen Internet- oder Mobilfunk-Provider in autoritären Staaten Geschäfte machen, müssen sie sich dem Willen der Herrscher beugen - ob es um Abschaltung, Filter-Methoden oder die Überwachung der Bürger geht.

Die Lehren aus der Ägypten-Blockade dürfte für autoritäre Regierungen klar sein: Eine Kontrolle über die Knotenpunkte und die Netz-Infrastruktur kann sehr effektiv dazu beitragen, wichtige Kommunikationsmittel wie Internet und das Handynetz abzuklemmen. "Gut möglich, dass es Leute gibt, die das sehen und sagen: Das hat gut funktioniert, nur das Timing war schlecht", zitiert die New York Times einen amerikanischen IT-Netzwerkexperten.

Allerdings zeigen die Ereignisse auch, dass technische Hürden eine Revolution im Zweifelsfall auch nicht verhindern können.

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