Wohnzimmer-Vorlesung:Professoren werben für Studium in "Fernost"

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Vorlesung im Wohnzimmer: Der Soziologieprofessor der TU Dresden, Karl-Siegbert Rehberg, zum Hausbesuch in Hannover. (Foto: dpa)

Günstige Mieten, gut ausgestattete Hochschulen: Trotz vieler Vorteile fehlt es den Uni-Städten in Ostdeutschland an Studenten. Eine Werbekampagne will westdeutsche Abiturienten gewinnen - mit Hausbesuchen von Professoren.

Vor mehr als 20 Jahren machte Karl-Siegbert Rehberg selbst den Schritt, vor dem viele westdeutsche Abiturienten zurückschrecken. Der Soziologe aus Aachen entschied sich für eine Hochschule im Osten. Allerdings war er nicht Studienanfänger, sondern aufstrebender Wissenschaftler. 1992 wurde er Gründungsprofessor des Instituts für Soziologie der Technischen Universität Dresden.

Jetzt steht Rehberg im dunklen im Wohnzimmer von Timos Familie in Hannover. Zwischen Zimmerpalme und Flachbildfernseher will er den 17-Jährigen und eine Freundin von einem Studium an einer der 43 Ost-Unis überzeugen. "Soziologie in und über Ostdeutschland" lautet der Titel der exklusiven Vorlesung, die Rehberg eigens für diesen Zweck vorbereitet hat. Kritik gibt es dabei auch, "ich will ja nicht alles in Zuckersoße gießen", betont Rehberg.

Die Aktion hat die Hochschulmarketingkampagne der neuen Bundesländer initiiert. Über das Internet und soziale Netzwerke, mit Auftritten auf Messen sowie in Fußgängerzonen wirbt die Kampagne für ein "Studium in Fernost" - aktuell gehören die Hausbesuche von Professoren mit zum Angebot.

"Wir haben zu wenig eigene Abiturienten"

Von 2008 bis 2012 förderte der Bund die Initiative mit rund 16 Millionen Euro, noch bis 2015 fließen jährlich 1,9 Millionen Euro. "Wir haben zu wenig eigene Abiturienten", schildert Petra Heydrich vom federführenden Wissenschaftsministerium in Magdeburg den Hintergrund der Initiative.

Weil in den ersten Jahren nach der Wende die Geburtenzahlen drastisch zurückgegangen sind, fehlen Studienanfänger zwischen Ostsee und Erzgebirge. Dabei gibt es gute Gründe, die für ein Studium im Osten sprechen. Heydrich zufolge bieten die Uni-Städte in Ostdeutschland niedrige Mieten und Lebenshaltungskosten sowie bestens ausgestattete Hochschulen ohne Studiengebühren. Das spricht sich herum, inzwischen ist "Go East" nicht mehr ungewöhnlich.

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So stieg der Anteil an westdeutschen und Berliner Studienanfängern in Mecklenburg-Vorpommern binnen vier Jahren von 19,3 Prozent auf 39,5 Prozent im vergangenen Wintersemester. In Sachsen-Anhalt erhöhte sich ihr Anteil von 15,9 auf 36 Prozent, in Thüringen von 20,7 auf 39,9 Prozent und in Sachsen von 12,3 auf 26,1 Prozent. Brandenburg hat seinen traditionell hohen Anteil an Berliner oder westdeutschen Studenten von 41,1 auf 48 Prozent gesteigert.

Heike Spangenberg vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung beschäftigt sich schon lange wissenschaftlich mit Studierenden in Ost und West. Die Kampagne der neuen Länder sei sehr sinnvoll, meint die Forscherin. "Ich fände es fatal, im Osten Hochschulstandorte wegzukürzen", sagt sie. Die Unis hätten eine immense Bedeutung für die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben in den Regionen.

Inwieweit die Privatvorlesungen in westdeutschen Wohnzimmern potenzielle Studienanfänger für die Unis im Osten gewinnen, muss sich zeigen. Timon kann sich nach Professor Rehbergs Präsentation diesen Schritt zumindest vorstellen.

© Süddeutsche.de/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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