Studium:Wenn Unis an die Börse gehen

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  • Im vergangenen Herbst ist die Freie Universität Brüssel an die Börse gegangen, der Rektor sprach von einer "Premiere".
  • Wäre diese Art, sich Geld zu beschaffen, auch für deutsche Hochschulen denkbar?

Von Gianna Niewel

Das Video zeigt Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen, sie läuten eine goldene Glocke, klatschen. Im Hintergrund klackert eine Schautafel die Kurse vor sich hin. Ein Börsengang ist für gewöhnlich keine spektakuläre Sache, doch dieser ist besonders: Es ist die Freie Universität Brüssel (VUB), die an die Börse gegangen ist. Das war im vergangenen Herbst, der Rektor sprach von einer "Premiere"; angeblich ist die VUB die erste und einzige börsennotierte Hochschule in Europa. "Eine Uni, die wachsen will, braucht externe Investoren," sagte er.

650 weitere Studentenwohnheime, ein zusätzliches Forschungsgebäude, dann die Gründung neuer Studiengänge - in der Tat ist seine Wunschliste lang. Und sie ist teuer. Da dürften ihm die 61,5 Millionen Euro, die Anleger investierten, recht kommen. Auch deutsche Unis beklagen häufig eine Unterfinanzierung; wäre ein solches Modell hier möglich?

"Das kommt auf das jeweilige Hochschulgesetz an", sagt Ulrich Müller. Er leitet am Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh den Bereich der politischen Analyse. Denn nur vier von 16 Landeshochschulgesetzen erlauben extern finanzierte Investitionen, darunter Baden-Württemberg, wenn der Hochschulrat zugestimmt hat, und Nordrhein-Westfalen. Die private Universität Witten-Herdecke etwa hat bereits 2014 an der Börse Düsseldorf eine Studierendenanleihe ausgegeben. Sachsen hingegen ist dagegen, auch in Berlin schreibt Paragraf 87 des Hochschulgesetzes vor: "Kreditaufnahmen einschließlich Sonderfinanzierungen der Hochschule für investive Zwecke sind unzulässig."

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Dass sich deutsche Universitäten mit dem Börsengang schwertun, hat laut Müller mit Geld zu tun: "Es muss klar sein, dass und vor allem wie eine Hochschule die Verzinsung garantieren kann." Denn während Uni-Kliniken und private Hochschulen feste Einnahmen einkalkulieren können, erheben staatliche Hochschulen für die meisten ihrer Studiengänge keine Beiträge.

Rendite statt Bildung?

Unabhängig von der Bezahlung, ungeachtet auch der Paragrafen sind die Meinungen zum Börsengang der belgischen Hochschule zwiegespalten: Ein pfiffiger Schritt, um an Geld zu kommen, loben die einen. Die anderen mahnen vor der Gefahr, dass das Hochschulsystem bald vollends privatisiert ist, dass es statt um Bildung irgendwann nur noch um Rendite gehen könnte, sollte das Brüsseler Modell in Deutschland Nachahmer finden.

Ulrich Müller rät zu Gelassenheit - und zu einem Blick auf die Fakten. Denn die VUB hat ihre Rechtsform nicht in die einer Aktiengesellschaft umgewandelt. Die belgische Hochschule gibt auch keine Aktien aus, sondern Anleihen. Soll heißen: Die Investoren kaufen keinen Anteil der Uni, sie leihen ihr lediglich Geld und bekommen dafür Zinsen; eine Art Kredit also. Eine strategische Einflussnahme der Geldgeber sei nicht zu befürchten. Investieren können im Übrigen nur Institutionen, und die müssen mindestens 250 000 Euro auf den Tisch legen. Dennoch ist Müller kritisch: "Die VUB setzt auch auf Investoren, die auf Gewinn abzielen, das ist eine neue Nuance." Denn bisher sei es Ziel der Hochschulen gewesen, zusätzlich zur staatlichen Förderung Mittel zu generieren, etwa durch Spenden. Das allerdings, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen.

Was in Europa noch zur Debatte steht, ist den USA längst gang und gäbe. Dort mischen selbst renommierte Universitäten wie Harvard oder Princeton am Kapitalmarkt mit.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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