Studium:Bachelor-Babys

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Studentenwerke fordern mehr Kita-Plätze für Studenten mit Nachwuchs. Noch immer gebe es an vielen Unis Defizite bei der Familienfreundlichkeit.

Von Johann Osel

Die Idee ist simpel, aber spitze: Damit Studierende mit Kind entlastet werden, wenn sie keine Betreuung zur Vorlesung finden oder für eine Prüfung lernen müssen, gibt es flexible Hilfe direkt in der Hochschule. Ein System von "Flying Nannies", fliegenden Babysittern, wollen Studenten an der Folkwang-Universität der Künste in Essen etablieren. Kommilitonen, entsprechend fortgebildet, springen bei Bedarf ein, an einer künstlerischen Uni, wo oft spontan etwa Musikproben anstehen, ist das umso dringlicher. Zudem will der Fachbereich Design mobile Babystationen für den Campus entwerfen, damit Mütter in Ruhe wickeln und stillen können. Für ihr Konzept haben die Essener eine Förderung des Stifterverbands erhalten, 5000 Euro gibt es für die Umsetzung. Zwar steht die Uni im Ruhrgebiet in puncto Familienfreundlichkeit nicht so schlecht da wie manch andere, es gibt ein Stipendium für Mütter, eine Kooperation mit einer nahen Kita. Aber im Alltag, sagt eine Studentin, stoße man als Mutter "doch schnell an die Grenzen".

Vielen Studierenden mit Kind ergeht es so, wie jetzt das Deutsche Studentenwerk (DSW) nach einer Fachkonferenz mitteilt. In Hochschulstädten gebe es für studierende Mütter und Väter - trotz einiger Fortschritte - viel zu wenig Betreuungsplätze. Nach DSW-Zahlen betreuen die regionalen Werke in 218 Kitas und Krippen fast 9000 Kinder von Studenten. Obwohl das Angebot seit 2003 um 70 Prozent ausgebaut worden sei, "sind mindestens 2000 weitere Plätze nötig", sagte DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. Solche Leistungen der Studentenwerke würden bisher aber nicht staatlich gefördert. Dabei hätten gut fünf Prozent der Studenten ein Kind oder mehrere, zeige die Statistik. Daten des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung besagen: Nur zwei Drittel aller Unis bieten ein dauerhaftes Betreuungsangebot, teils eben auch mit Studentenwerken in Kooperation.

Das Ziel "Auf jedem Campus eine Kita", wie es die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan mal ausgab, liegt weit entfernt. Zudem decken die Angebote meist nicht den Bedarf: Wenn eine größere Uni 30 000 Studenten und Mitarbeiter hat, reicht selbst eine Riesenkita kaum für alle Anfragen. Auch werde, so hört man immer wieder, beim Bau neuer Kitas in Regie der Unis oft der Bedarf von Studenten gar nicht mitgedacht, man habe eher die Mitarbeiterschaft in Forschung und Verwaltung im Blick. Und studentische Eltern benötigten, so der DSW-Generalsekretär, "über die Regelbetreuung hinaus erweiterte und flexibilisierte Kurzzeitbetreuung". So wie sie es in Essen an der Kunst-Uni selbst organisieren; man wartet nicht, sondern lässt sich selbst etwas einfallen für mehr Familienfreundlichkeit im Studium - ein Trend, der mittlerweile an mehreren Hochschulen erkennbar ist.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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