Studenten-Ranking:Beim Rektor auf der Liste

Deutsche Hochschulen haben ein Phänomen aus den USA übernommen: Die "Dean's List" listet die besten Studenten verschiedener Studiengänge auf. Eine Motivationshilfe - aber auch eine Gefahr.

Von Angelika Finenwirth

Rebecca Cierpka war überrascht, als die Nachricht plötzlich mit der Post kam: "Meine Mutter rief mich an und sagte mir, dass ich eine Urkunde über ausgezeichnete Studienleistungen bekommen hätte", erinnert sich die 22-Jährige. "Dean's List" war da zu lesen, und dass Cierpka zu den fünf Prozent der besten Studenten ihres Jahrgangs an der RWTH Aachen gehört. "Dass meine Leistungen o.k. sind, wusste ich. Aber dass ich damit auf eine Bestenliste komme, war mir nicht bewusst." Zweimal gehörte die angehende Umweltingenieurin bereits zu dem erlauchten Kreis, ob es ihr in diesem Jahr erneut gelingt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, noch vor Weihnachten: Denn die Fakultäten in Aachen erstellen derzeit wieder die aktuelle Dean's List.

Der Begriff kommt aus dem Angelsächsischen und bedeutet schlicht "Dekansliste". In Amerika ist es Tradition, die besten Schüler und Studenten auf diese Weise auszuzeichnen und sichtbar zu machen - auch nach außen. Immer mehr deutsche Universitäten greifen inzwischen ebenfalls zu diesem Instrument, um einen Teil ihrer Studenten aus der Anonymität zu holen. "Aufgrund der Credit-Points, die für Bachelor- und Masterstudenten vergeben werden, ist es relativ leicht, die Besten ausfindig zu machen", erklärt Aloys Krieg, Prorektor für die Lehre an der Aachener Hochschule.

Die Ernennung zur Elite soll zum einen als Motivationshilfe dienen, um sich offensiver für Stipendien, Auslandsaufenthalte oder Projekte zu bewerben. Zum anderen sind mit dem Listenplatz spezielle Angebote seitens der Uni oder auch interessierter Unternehmen verbunden. "Ich durfte Angebote vom Karriere-Center kostenlos nutzen und habe mich für einen Zeitmanagementkurs entschieden", berichtet Cierpka. "Wenn man zehn Klausuren pro Semester schreibt, bringt so eine Struktur viele Vorteile." Auch ein Bewerbungstraining hat sie durch die Dean's List schon bekommen.

Angst, die "Arroganz" guter Studenten zu fördern

Die RWTH ist die einzige deutsche Uni, die das Programm für alle Fakultäten bietet. Meist gibt es die Dean's List bei Wirtschaftswissenschaftlern, die auf ganz unterschiedliche Weise davon profitieren: An der Uni Köln dürfen die Besten spezielle Workshops besuchen und in das Ehemaligen-Netzwerk hineinschnuppern. An der Uni Frankfurt sind mit dem Listenplatz zudem Stammtische, Exkursionen zu Konzernen und exklusive Gesprächsstunden mit Professoren verknüpft. Die Hochschule Furtwangen bietet den Ausgezeichneten seit Kurzem als Wahlpflichtfach ein Exzellenzmodul an, zu dem sich nur die fünf besten Studenten anmelden dürfen. Sie werden bei einem Projekt ihrer Wahl dann individuell von einem Professor betreut.

Ein Modell für die Zukunft, ein gelungener Import aus den USA, wo "Elite" generell positiver betrachtet wird? "Ich sehe die Gefahr, dass wir mit solchen Programmen Arroganz fördern, weil man den Studenten vorhält, wie gut sie sind. Das wissen die bereits", sagt die Bamberger Elite-Forscherin Ursula Hoffmann-Lange. Die Politikwissenschaftlerin erachtet es als nicht sehr sinnvoll, "ausgerechnet denjenigen mehr Zeit und Zuwendung zukommen zu lassen, die es am wenigsten nötig haben". Stattdessen sollten die Universitäten den guten Studenten lieber die Möglichkeit geben, frühzeitig selbst Verantwortung zu übernehmen, wünscht sich Hoffmann-Lange - beispielsweise mit einer Tutorenstelle. So würden leistungsfähige Studenten "nicht nur gefördert sondern auch gefordert".

"Bei uns werden nicht nur die Besten, sondern auch Studenten mit Schwierigkeiten von Mentoren betreut", entgegnet der Aachener Uni-Vize Krieg. Und dazu bedient er sich auch der Elite. "Bei den Anfängern schauen wir, wer gut ist und wen man an die Hochschule binden kann. Diese Studenten versuchen wir dann als Hilfskräfte zu gewinnen." Die Dean's List bringe somit nicht nur den Studenten Vorteile, sondern auch der Hochschule. Krieg sagt: "Große Unis brauchen Strukturen. Die Dean's List hilft dabei."

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