Harvard:Aus der Gosse an die Elite-Uni

Sie arbeitet als Hausmeisterin in ihrer Highschool, um wenigstens ein Taschengeld zu verdienen. Dawn Loggins wird als Teenager von ihren Eltern sitzengelassen und ist obdachlos. Doch sie schafft die Schule mit Bestnoten - und darf jetzt an einer Elite-Uni studieren.

Es ist eine Geschichte, wie sie wohl typischer für Amerika nicht sein kann: "From homeless to Harvard" betitelt der US-Nachrichtensender CNN die Story: aus der Obdachlosigkeit an eine der Elite-Unis des Landes. Für einen Teenager aus dem verschlafenen Staat North Carolina hat sich damit ein Traum verwirklicht.

Dawn Loggins hat in ihrem jungen Leben schon viele Tiefen erlebt: Die Eltern sind arbeitslos, drogensüchtig, Mietnomaden, ziehen dauernd um mit ihren zwei Kindern. Die Burns High School in North Carolina ist bereits die vierte Oberschule, die die 18-Jährige besucht. Dawn und ihr Bruder Shane leben in schmutzigen Hütten, ohne Strom und fließendes Wasser. Sie laufen fast eine halbe Stunde zu Fuß in den nächsten Park und holen Wasser, manchmal duschen sie dort. Ihre Schulaufgaben müssen sie im Kerzenlicht erledigen - wenn es Kerzen gibt. Doch trotz der zahlreichen Widrigkeiten, der vielen Umzüge und der schrecklichen Situation zu Hause: Sowohl der ältere Bruder als auch Dawn halten in der Schule mit, machten durch gute Leistungen auf sich aufmerksam. Und Dawn vertraut sich einer Betreuerin an, als die Kerzen fehlen und die Geschwister im Dunklen keine Hausaufgaben mehr machen können.

Die Vertrauenslehrerin besorgt nicht nur Kerzen - sie sorgt auch dafür, dass die junge Frau ihre Kleider waschen und die Duschen in der Turnhalle nutzen kann. Und es gibt noch einen Lichtblick für den Teenager, im vergangenen Sommer: Dawn bekommt ein Stipendium für eine der amerikanischen Sommerschulen in North Carolinas Hauptstadt Raleigh, in denen Begabte oder Betuchte in den Ferien ihr Wissen mehren.

Dawn genießt das Programm in vollen Zügen - doch als sie zurückkommen will in ihr Elternhaus, steht sie plötzlich allein da. Keine Eltern, kein Bruder, die Großmutter in einem Obdachlosenasyl. Nie hätte sie gedacht, sagt Dawn, dass die Eltern sie einfach so sitzenlassen würden. Sie schläft bei Freunden und Bekannten, ein paar Nächte auf dem einen Sofa, ein paar auf einem anderen.

Stipendium für einen Traum

In der Schule macht man sich Gedanken um das intelligente Mädchen: Sie bekommt einen Job als Hausmeisterin an ihrer Highschool, und sie bekommt ein Zimmer, eine Familie nimmt sie auf. Die Schule überlistet das amerikanische Sozialsystem, Dawn soll nicht wieder herumgereicht werden und womöglich in einem anderen Staat und an einer anderen Schule landen. "Ich wollte meinen Abschluss an meiner Highschool machen." Während des letzten Schuljahres wird sie volljährig - und ist damit ohnehin für sich selbst verantwortlich. Die Zeit bis dahin gilt es zu überbrücken.

Dawn ist gut integriert in ihrer Schule, sie macht Musik, Sport und gehört einigen Klubs an. Und sie will aufs College, um der Armut zu entfliehen, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hat. Sie bewirbt sich an vier Hochschulen im Staat. Und in Harvard, einer der besten und teuersten Hochschulen des Landes. Ihr Geschichtslehrer schreibt eine Empfehlung für die Bewerbung. "Ich habe ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben, denn dieses Mädchen ist wirklich beeindruckend", sagt Larry Gardner.

Sie bekommt vier Zusagen - alle Colleges in North Carolina wollen die junge Frau als Studentin haben. Nur aus Cambridge kommt nichts, Harvard lässt sich Zeit. Dann schließlich kommt ein Brief. Ein sicheres Zeichen für eine Absage, denkt sich Dawn. Denn die Zusagen werden gleich mit allerlei Papierkram in großen Umschlägen versendet. Doch weit gefehlt: Dawn ist zugelassen - nur die besten Bewerber bekommen eine kurze schriftliche Zusage, bevor alle notwendigen Unterlagen versandt werden, so steht es in der Mitteilung.

Dawn kann ihr Glück nicht fassen. Sie bekommt nicht nur ein Stipendium für die horrenden Studiengebühren, sondern auch für eine Unterkunft und Verpflegung sowie Hilfe bei der Jobsuche an der Elite-Hochschule. Damit ist sie die erste Schülerin in der Geschichte der Burns High School im idyllischen Lawndale, North Carolina, die an eine der Ivy-League-Hochschulen geht.

Dawn freut sich auf die kommenden Jahre in Cambridge - und ist sicher, dass ein besseres Leben vor ihr liegt. Die Chancen stehen gut: Denn wer in Amerika erfolgreich eine der Elite-Unis absolviert, hat einen gut dotierten Job fast sicher.

Die vielen Spenden, die für sie eingegangen sind, seit ihre Geschichte den Weg in die Medien gefunden hat, will Dawn nicht für sich selbst verwenden. "Mein Weg ist gesichert", sagt sie. "Ich kann für mich selbst sorgen." Dawn hat einen anderen Plan: Sie will mit dem Geld eine Stiftung gründen, die sich um obdachlose Kinder kümmert.

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