Alternative Lehrmethoden:Pokern beim Pauker

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Karin Kellermann unterrichtet Latein und Mathematik, mit ausgefallenen Unterrichtsmethoden und selbst verfassten Romanen. Und sie bringt ihren Schülern das Kartenspielen bei - mit einer interessanten Begründung.

Marie Schoess

Es reicht ein Blick auf den Unterarm, um zu verstehen, was Karin Kellermann ausmacht, warum sie, die gerade ihr Lehramtsstudium in Latein und Mathematik abgeschlossen hat, von Schülern so geschätzt wird. Dort, auf ihrem Unterarm, trägt die junge Frau verschiedene Tätowierungen: Würfel etwa oder aber eine Sanduhr. Und was zunächst modern daherkommt, entpuppt sich schnell als eine Verbindung aus Karins Jugendlichkeit und ihrer Begeisterung für die Antike.

Karin Kellermann kann auch streng sein. Viel lieber motiviert sie ihre Schüler allerdings mit der eigenen Begeisterung für ihre Fächer. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Sanduhr erinnere sie an den lateinischen Philosophen Seneca, für den der richtige Umgang mit der Lebenszeit so wichtig war, die Würfel stehen hingegen für den Spruch "alea iacta est" - die Würfel sind gefallen. Und wenn sie davon erzählt, von Seneca oder ein wenig später von Ovid, von den Möglichkeiten, diese Autoren mit den Kindern zu entdecken, dann spricht sie mit derselben Begeisterung wie kurz zuvor über Bands wie Rammstein oder Marilyn Manson.

Schon früh hat die Studentin begonnen, am Gymnasium in Olching als Aushilfslehrerin zu unterrichten - der Lehrermangel in den Fächern Mathematik und in Latein ermöglichte es ihr, dass sie auch ohne abgeschlossenes Studium schon regelmäßig lehren konnte, während die meisten Lehramtsstudenten bis zu ihrem Studierende nur ein paar wenige Probestunden bei einem Pflichtpraktikum halten dürfen.

Es sind Stunden, in denen sie Neues ausprobiert: In denen sie auch einmal Poker mit den Kindern spielt, damit sie "auch etwas Gescheites" lernen, und ihnen so etwas über die Wahrscheinlichkeitsrechnung erklärt. Oder Stunden, in denen sie die Schüler mit einem selbst geschriebenen Kriminalroman überrascht, in dem Ovids Metamorphosen nachgespielt werden.

Romane zu schreiben, damit hat Karin Kellermann recht spontan begonnen. Der 50. Geburtstag ihres Vaters stand damals an und zu diesem Anlass wollte sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Und so schrieb sie ihm, dem begeisterten Krimi-Leser, ihren ersten Roman. Der Geburtstag ging vorüber, doch sie wollte weiter schreiben.

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Für den Unterricht ließ sie zunächst den Roman lesen, besprach und übersetzte dann die passenden Stellen in Ovids Metamorphosen. "Ovid mal anders", sagt sie knapp - es klingt erfrischend unangestrengt und fröhlich. Oft hört man Vorschläge von neuen Unterrichtsmethoden, doch klingen diese allzu oft wohl überlegt und konstruiert. Wenig spielerisch. Bei Karin Kellermann ist das anders: Sie ist fast ein wenig zu jung, um den Eindruck von Respekt oder Strenge zu vermitteln. Das weiß sie. Und ist in den ersten Wochen, in denen sie in einer Klasse unterrichtet, sehr streng: "Ich weiß überhaupt nicht, was die Kinder am Anfang gedacht haben. Sie haben nur immer gefragt, ob ich Referendarin bin. Das war ich nicht. Und der Umkehrschluss für sie war dann, dass ich fertige Lehrerin sein muss."

Dabei macht die schmale, fast zerbrechlich wirkende junge Frau mit Pony keinen autoritären Eindruck, wenn sie mit einer heißen Schokolade mit Sahne im Café sitzt und die Erklärung mit einem Lachen und dem Satz abschließt: "Das Strenge fällt mir manchmal total schwer." Dann spricht sie davon, dass sie nach ein paar Wochen, in denen die Kinder sie kennen gelernt und akzeptiert hätten, auch wieder anfängt, zu lachen und sich mit den Schülern zu unterhalten. Sie sprechen darüber, wie sie mit dem Stoff zurecht kommen oder über Bands, die sie ebenso kennt wie ihre Schüler.

Dabei sah es zunächst so aus, als könne die junge Frau aus Fürstenfeldbruck nicht ihre beiden Leidenschaften verbinden: Die Kombination von Mathematik und Latein wurde zu ihrem Studienbeginn nicht angeboten. Und etwas anderes konnte sie nicht, sagt sie, die in diesem Jahr als einzige Studentin der LMU diese Kombination abgeschlossen hat. Sie fing stattdessen an, Statistik mit dem Nebenfach Medizin zu studieren, gab ein Tutorium an der Universität und merkte wieder, dass es eigentlich doch genau das war, was sie wollte: unterrichten.

Als sie im vierten Semester war, da erfuhr sie, dass ihre Kombination nun doch angeboten wurde und wechselte den Studiengang. Was ihr nun von den Semestern davor bleibt, ist das Wissen aus den Rechtsmedizinkursen, das ihr hilft, ihre Kriminalromane zu schreiben. Veröffentlichen will sie diese noch nicht. Doch wegen der Verbindung mit Motiven aus der Weltliteratur lässt sie die Texte jetzt schon gerne in ihren Unterricht einfließen.

In diesem Sommer hat sie ihr Studium abgeschlossen und beginnt nun im neuen Schuljahr das Referendariat am Wittelsbacher-Gymnasium. Promovieren, das möchte sie nebenbei: über die Verbindung von antiken Werken zur modernen Literatur im Unterricht. Und weiterhin will sie den Schülern die spannenden Seiten der vermeintlich gehassten Fächer zeigen. "Manche sagen mir schon, dass es aufhören wird, dass ich mich so vorbereite, mir etwas Neues einfallen lasse. Aber ich hoffe einfach, dass das nicht so ist", sagt sie - und ein wenig wirken ihre Tätowierungen während dieses Satzes wie ein Versprechen an sich selbst. Das Versprechen, die eigene Begeisterung nicht auf-, sondern weiterzugeben.

© SZ vom 24.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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