Seltene Studiengänge:Mit Papyrologie Karriere machen

Lesezeit: 2 min

Von Byzantinistik oder Jiddistik haben die meisten angehenden Akademiker noch nie etwas gehört. Doch wer sich für ein Orchideenfach entscheidet, hat später durchaus gute Berufschancen - und Vorteile gegenüber Bewerbern aus populären Disziplinen.

Und was machst du später damit?, lautet die besorgt-skeptische Frage, der sich viele angehenden Akademiker stellen müssen, die keine Karriere als Arzt oder Anwalt anstreben. Je ausgefallener die Studienfachwahl, desto ausgeprägter das Stirnrunzeln bei Eltern und Großeltern. Tatsächlich jedoch kann ein Exoten-Studium zum Erfolg führen.

Uni-Quiz
:Was macht bloß ein Lusitanist?

Was studiert ein Assyrologe? Und womit beschäftigt sich ein Onomastiker? An der Uni gibt es viel Exotisches: Kennen Sie sich aus in den Orchideenfächern?

Gesa Füßle hat sich während ihres Studiums mit dem europäischen Mittelalter beschäftigt, fachsprachlich Mediävistik genannt. "Ich habe Skandinavistik, Germanistik und Anglistik studiert, jeweils mit dem Schwerpunkt Mittelalter", sagt die mittlerweile 36-Jährige, die in Hamburg lebt. "Einfach nur, weil ich es interessant fand."

Ihr Abitur hatte Füßle in England gemacht, ihr Magister stammt aus Caen in Frankreich. Nach dem Studium probierte sie sich ein Jahr lang aus, machte verschiedene Praktika. Unmittelbar im Anschluss bekam sie eine Stelle als Redakteurin für Fremdsprachen, arbeitete dabei unter anderem als Autorin und Übersetzerin von Schulbüchern. Heute ist die 36-Jährige selbstständig. "Davon lebe ich prima", sagt sie.

"Gigantisches Feld von Aktivitäten"

Orchideenfachgebiete wie das von Gesa Füßle führen an den Universitäten ein Nischendasein. Sie haben nur wenige Professuren und Mitarbeiter. Zudem sind Studiengänge wie Byzantinistik (Geschichte und Kultur des Byzantinischen Reichs), Jiddistik (Jiddische Sprache und Literatur), Tibetologie (Sprache und Kultur Tibets) oder Papyrologie (Antike Schriften auf Papyrus) viel weniger nachgefragt als beispielsweise Wirtschaftswissenschaften.

Seit der Umstellung von Bachelor auf Master stellt Mechthild Dreyer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bei den Exoten eine zunehmende Professionalisierung fest. In Mainz ist die Arbeitsstelle "Kleine Fächer" angesiedelt, die sich mit einer Bestandsaufnahme der Orchideenfächer befasst. Inzwischen würden stärker als früher berufsfeldbezogene Qualifikationen vermittelt, so Dreyer, etwa durch Praxismodule, Praktika und sogenannte Lehreinheiten für überfachliche Kompetenzen. Darin werden zum Beispiel Präsentations- oder Moderationstechniken vermittelt.

Einen deutlichen Vorteil vieler Exoten gegenüber Juristen und BWLern sieht Lothar Hoss, Vorsitzender des Bundesverbandes Selbstständiger Personalleiter, in ihrer anderen Denkhaltung. Durch das Studium seien sie es gewohnt, querzudenken und ihre Blickrichtung erklären zu müssen. Sie könnten sich oft leichter auf neue Situationen einlassen und über ihren Tellerrand schauen.

Das ist später nicht nur nützlich für die Teamarbeit, sondern auch ein Vorteil bei Jobs im Ausland. "Der reine BWLer oder Ingenieur muss abspecken, wenn er in einen anderen Kulturkreis kommt, in dem die Situation oft grundverschieden ist." Der vermeintliche Exot habe ihm dann einiges voraus, denn er sei nicht so sehr in seinen Strukturen verhaftet.

Studenten exotischer Fachrichtungen sollten sich jedoch nicht allein auf ihre Spezialisierung verlassen, empfiehlt Sörge Drosten, Partner bei der Unternehmensberatung Kienbaum. "Man studiert ja ein solches Fach aus Leidenschaft." Noch wichtiger als in anderen Fächern sei es, diese Leidenschaft zur Exzellenz zu bringen. Als Spezialist habe man dann beste Chancen, an Schnittstellen zu arbeiten. Ein Orientalist könne zum Beispiel Manager in interkultureller Kommunikation schulen, die nach Nordafrika entsandt werden.

Daneben kommt es gerade beim Studium eines Orchideenfachs auf die richtige Fächerkombination an. Hoss vom Bundesverband Selbstständiger Personalleiter hält die Kombination mit einer "harten Disziplin" wie Rechtswissenschaft für sinnvoll: "Man bringt viele Kompetenzen mit, die kombiniert mit Fächern wie Jura, BWL oder verschiedenen Ingenieursdisziplinen ein gigantisches Feld von Aktivitäten eröffnen."

Außerdem rät er, Praktika zu machen. Auf diese Weise könnten sich die Exoten schon früh auf dem Arbeitsmarkt orientieren. Manche Absolventen verfügen Hoss zufolge nicht nur über Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen, sondern haben sich auch ein Netzwerk in den entsprechenden Ländern aufgebaut. Das sei für Unternehmen sehr wichtig. Allerdings müssten die Absolventen ihr Wissen gut präsentieren und verkaufen können.

© Süddeutsche.de/dpa/Verena Wolff - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: