Seehofer im Youtube-Interview:Experiment mit Web 0.2, äh 2.0

Lesezeit: 2 min

Bayerns Ministerpräsident geht online: Via Youtube gibt Horst Seehofer sein erstes interaktives Interview. Doch das Ganze erinnert eher an Web 0.2.

Birgit Kruse

Geschafft. Horst Seehofer atmet tief durch. Fast eine Stunde lang hat der Ministerpräsident Fragen beantwortet. Zu Bildung, zu Familie zu Innovation. Mindestens 15 sind es am Ende. Das ist noch nichts Ungewöhnliches. Neu an der ganzen Situation hingegen ist der Kanal, auf den die Antworten übertragen werden. Als erster deutscher Politiker stellt sich Horst Seehofer im Livestream auf dem Videoportal Youtube den Fragen der Nutzer. "Ein Experiment", sagt Seehofer.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat am Samstag sein erstes interaktives Interview bei Youtube gegeben. (Foto: dapd)

Im Studio im Haus der Bayerischen Wirtschaft sind drei Kameras aufgebaut, viel Licht, viel Wärme. Seehofer nimmt vor einem Bücherregal Platz - und fragt in die Runde: "Warum sitze ich nicht vor einem Laptop?" Ja, warum eigentlich nicht? Dafür sitzt Seehofer vor einer Bücherwand. Zahlreiche Brockhaus-Ausgaben stehen darin, das Bürgerliche Gesetzbuch und ein Buch von Bill Gates.

Ein Experiment also. Und der fehlende Laptop wird an diesem Nachmittag nicht das einzige sein, was den Regierungschef von der Web-2.0-Welt trennt. Denn der Livestream auf Youtube erinnert mehr an ein längliches Interview beim Bildungskanal BR Alpha, denn an eine Web-Offensive.

Denn live sind nur die Antworten, nicht die Fragen. Die Fragen, die Moderator Christoph Bauer von seinen kleinen weißen Zetteln abliest, wurden schon vor Tagen gestellt. Via Internet, immerhin. Dann wurde noch über die eingereichten Fragen abgestimmt. Die beliebtesten schafften es zunächst auf die Tische der Fachreferenten in der Staatskanzlei - und sechs Tage später in den Livestream auf Youtube.

Sicher, Seehofer ist der erste Politiker in Deutschland, der sich in diesem Format ausprobiert. Doch mit Web 2.0 hat das noch nicht allzu viel zu tun, eher mit Web 0.2. Für eine Partei, die den Anspruch hat, auch im Internet Champions-League statt Regionalliga zu sein, gibt es da noch viel aufzuholen.

Ein Profi vor der Kamera

Für Seehofer würde sich das lohnen. Die Fragen waren zwar vorbereitet, haben den Ministerpräsidenten also nicht wirklich überraschen können. Dennoch: Seine Antworten gibt er frei, Notizzettel braucht Seehofer nicht, vor der Kamera ist er ein Profi. Er zappelt und fuchtelt nicht, seine ruhige und sonore Stimme vermittelt den Zuschauern das Gefühl von Glaubwürdigkeit und Seriosität.

Auch wenn er vielleicht mit seiner Youtube-Seite "Kanal von Bayern" keine neuen Wählerschichten anspricht und altbekannte Botschaften verkündet. Die Jungen in der eigenen Partei würden ihm womöglich sogar reichen. Die Stimmung an der Basis lässt sich auf diesem Weg jedenfalls gut sondieren. 1065 Personen haben sich an dem Forum beteiligt, 360 Fragen wurden eingereicht und 13.359 Bewertungen wurden zu den Fragen abgegeben. So viele Menschen erreicht man mit keiner Parteiveranstaltung.

Das Schöne an Experimenten ist: Man kann sie beliebig oft wiederholen, wenn beim ersten Mal noch nicht alles hinhaut. Und dass es eine Wiederholung geben wird, daran lässt Seehofer keinen Zweifel: "Ich hoffe, dass es Normalität wird für das ganze Kabinett".

Dann haben die Minister bestimmt alle einen Laptop vor sich. Damit es wenigstens nach Web 2.0 aussieht.

Das ganze Interview sehen Sie unter www.youtube.com/bayern .

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: