Würzburg:Zwei Leichen, ein Rätsel

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Nach einem tödlichen Unfall stecken 600 Bahnreisende in einem Tunnel fest. Zuvor findet die Polizei ganz in der Nähe eine Frauenleiche - und vermutet einen Zusammenhang.

Olaf Przybilla

Mehr als dreieinhalb Stunden haben 600 Zugreisende am Montag in einem stockdunklen Bahntunnel bei Würzburg ausharren müssen, weil sich ein Mann vor den ICE geworfen hat. Gleichzeitig hat ein weiteres Ereignis für Aufregung im Landkreis Würzburg gesorgt - ein Zusammenhang ist nicht auszuschließen.

Nach einem tödlichen Unfall stecken 600 Reisende in Bahn-Tunnel fest. (Foto: dpa)

Ein Angler hatte in einem See bei Erlabrunn die Leichenteile einer Frau gefunden. Nur wenige Kilometer weit entfernt vom Fundort der Leiche musste am Montagvormittag dann der ICE im Tunnel bei Margetshöchheim evakuiert werden. Der Zug hatte 500 Meter vor dem Tunnel einen Mann erfasst, er kam erst im Tunnel zum Stehen.

Nach Angaben eines Polizeisprechers prüfen die Ermittler nun, ob die zerstückelte Leiche im See und die Selbsttötung des Mannes auf den Gleisen in einem Zusammenhang stehen. Als völlig verfrühte Spekulation bezeichnete er am Abend Berichte von Boulevardzeitungen, wonach es sich bei den beiden Toten um ein Ehepaar handle - der Mann habe seine Frau umgebracht, da sie heimlich als Prostituierte gearbeitet habe. Zwar werde eine Frau aus der Umgebung mit Kontakten ins Rotlichtmilieu vermisst, sagte der Sprecher. Aber noch seien beide Leichen nicht identifiziert.

Nach dem Fund der Leichenteile suchten Ermittler den Badesee mit einem Großaufgebot ab. Taucher fanden den Torso einer Frau. Ob sämtliche Leichenteile zu einer Person gehören, könne mit Sicherheit erst nach einer DNS-Analyse festgestellt werden, sagte ein Polizeisprecher. Dies könne mehrere Tage dauern. Der Zustand der Leiche lasse vorläufig aber den Rückschluss zu, dass der Körper noch nicht lange im Badesee gelegen habe. Ein Mitglied des örtlichen Fischereivereins hatte die Leichenteile am Sonntag entdeckt, er hatte den See nach Fischwilderern abgesucht.

Wenige Stunden nach dem Fund des Torsos erfasste um 9. 25 Uhr der aus Hamburg-Altona kommende ICE 783 bei Leinach einen Mann, der auf das Gleis der Trasse gesprungen war. Der Zugführer legte eine Vollbremsung ein, er erlitt einen schweren Schock. Der 250 Stundenkilometer schnelle Zug kam erst mehrere hundert Meter nach der Kollision zum Stehen, 500 Meter innerhalb des Neuberg-Tunnels bei Margetshöchheim. Der anstehenden Ermittlungen wegen konnte der Zug die Fahrt ans Tageslicht nicht fortsetzen, erklärte ein Bahnsprecher.

Eine kranke Frau, die auf dem Weg zu einem Arzttermin war, wurde zunächst von Rettungskräften aus dem knapp zwei Kilometer langen Tunnel geholt. Da eine solche Evakuierung für sämtliche Passagiere zu beschwerlich gewesen wäre und überdies die Ermittlungen am Gleis behindert hätte, habe man sich entschieden, die Fahrgäste mit einem anderen Zug aus dem Tunnel zu transportieren, erklärte Einsatzleiter Heinz Geißler. Die Trasse wurde auf beiden Seiten gesperrt.

Um die Passagiere nicht durch das Gleisbett zum Ersatzzug führen zu müssen, errichteten die Einsatzkräfte eine "Überladehilfe", eine brückenähnliche Konstruktion aus Holz. Um 13.10Uhr, also mehr als dreieinhalb Stunden nach dem Nothalt, konnte der Ersatzzug nach Würzburg weiterfahren.

Keiner der Passagiere wurde bei dem Nothalt verletzt. Die Evakuierung des Zuges sei ohne Zwischenfälle verlaufen, erklärte der Einsatzleiter. "Die Passagiere wurden über alle Maßnahmen im Tunnel informiert", von Panik sei nichts zu spüren gewesen. Die Bahn leitete die Fernzüge auf der Strecke zwischen Frankfurt und Würzburg über eine parallel verlaufende Strecke um. Das führte zu Verspätungen von bis zu 20 Minuten. Am Nachmittag wurde der Tunnel wieder freigegeben.

Noch während die Polizei am Baggersee über den Leichenfund informierte, wurde in Leinach Alarm wegen des Mannes auf den Schienen ausgelöst. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen gebe, sei "reine Spekulation", erklärte ein Ermittler. Eine Beziehungstat mit anschließendem Suizid sei aber nicht auszuschließen.

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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