Urteil gegen falschen Arzt:Hochstapler in Weiß

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Ein 29-Jähriger operierte mit falschem Doktortitel 196-mal am Erlanger Uniklinikum - jetzt muss er ins Gefängnis.

Olaf Przybilla

Es bedurfte erst eines leicht ironisch gefärbten Briefes eines Anonymus an die Polizei, um den Hochstapler Christian E. zu enttarnen. Der Schreiber zeigte sich amüsiert darüber, dass der hoffnungsvolle Assistenzarzt am Uniklinikum Erlangen sich gewiss als exemplarischer Fall für ein Porträt in einem Fachmagazin eignen dürfte.

Ein falscher Arzt operiete 196-mal. (Foto: Foto: ddp)

Erst 29 Jahre alt war E., mit zwei Doktortiteln schmückte er sich bereits, und 196-mal hatte er in der Erlanger Universitätschirurgie zum Operationsmesser gegriffen, nicht selten als federführender Mann am Tisch.

Nun ist E. vom Landgericht Nürnberg zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, wegen Urkundenfälschung, Betrugs und Titelmissbrauchs. Christian E. hat nicht einmal ein Abitur vorzuweisen.

Der anonyme Brief löste Ermittlungen aus. Diese brachten ans Tageslicht, dass Christian E. nicht nur sein Abiturzeugnis gefälscht hatte. Er fingierte auch sämtliche medizinischen Prüfungsnachweise. Das Abschlusszertifikat und die Promotionsurkunde zum Doktor der Medizin an der University of Oxford bastelte er selbst.

Zudem täuschte er die Ausstellung einer Approbationsurkunde durch die Regierung von Mittelfranken vor, machte sich zum Betriebswirt der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt - und zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften.

Abschlussnote 1,3

E. räumt das bei der Berufungsverhandlung alles ein. Wann genau er begonnen hat, alle, die ihn kannten, systematisch hinters Licht zu führen, vermag er nicht mehr zu sagen. Er glaubt aber, eine Erklärung dafür abliefern zu können, warum er das alles tun musste. Seine Eltern hätten ihm dringend geraten, eine Karriere als Banker anzustreben - genauso wie seine beiden älteren Geschwister.

Zwar habe er nach dem Zivildienst bei den Maltesern das dringende Bedürfnis verspürt, nicht in einer Branche tätig zu sein, "in der es allein um die materiellen Dinge geht", beteuert E. vor Gericht. Aber er fügte sich, stieg bald zum Privatkundenbetreuer bei der Commerzbank auf und studierte nebenher noch Medizin.

Das Abiturzeugnis mit der Note 1,3 fälschte er. Die Hochschulreife habe er "irgendwie nachgeholt", berichtete er zu Hause. Seinen Eltern habe er "immer etwas beweisen" wollen, sagt E. Schließlich hätten die ihm ein Abitur niemals zugetraut. In seinem Abschlusszeugnis an der Realschule hatte E. in Religionslehre eine Eins. In den Hauptfächern aber reichte es nur für ein Ausreichend.

Bei den Maltesern, wo er ebenfalls 18-mal als Arzt eingesetzt wurde, habe E. "einen überzeugenden Eindruck hinterlassen", erzählt ein Mitarbeiter im Zeugenstand. An der Erlanger Universität, wo E. auch Stationsdienst verrichtete und Arztbriefe schrieb, ist der Mann mit dem vermeintlichen Abschluss aus Oxford als "manuell geschickt" aufgefallen.

Wie durch ein Wunder

Man ließ ihn an Forschungsarbeiten über Muskeltransplantationen mitwirken. Sein Verteidiger berichtet, dass von den betroffenen Patienten der Klinik bisher "keine Regressansprüche" vorliegen. Weil bei den Eingriffen des Doktor E. wie durch ein Wunder niemand zu Schaden kam, verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage wegen Körperverletzung.

Das Amtsgericht Erlangen hatte E. im November 2008 zu drei Jahren Haft verurteilt. Das empfand E. als eine zu hohe Strafe. "Ich will in meinem Leben etwas grundsätzlich ändern", erklärte er der Richterin gestern zur Begründung - und bat um "eine Bewährungsstrafe". Ohne Erfolg. Er habe "nur seine Geltungssucht befriedigen" wollen, hielt ihm die Richterin vor.

E.s Geschichte legt dieses Urteil nahe. Obwohl er im Februar 2008 vom Erlanger Klinikum entlassen worden war, bewarb er sich anschließend noch um mehrere Dozentenstellen. Warum ein so renommierter Mediziner einer Schule für physiotherapeutische Ausbildung die Ehre erweisen wolle, wurde E. bei einem Bewerbungsgespräch in Erlangen gefragt. E. erklärte, er befinde sich im Vaterschaftsurlaub, zeigte ein Foto eines Neugeborenen und begann mit dem Unterricht. In seiner Wohnung wurde später ein satirischer Text gefunden mit dem Titel: "Wahnsinn in Weiß." Erlanger Ärzte sollen darin nicht gut wegkommen.

Zu einem Porträt in einem Fachmagazin ist es nach dem anonymen Schreiben nicht mehr gekommen. In einem Stadtmagazin einer fränkischen Kommune ist dennoch ein rühmender Artikel über E. erschienen. Geschildert ist darin, wie der aufstrebende Gefäßchirurg E. sich nun angeblich anschicke, ein privates Klinikum an der thüringischen Grenze verwirklichen zu wollen. Die Klinik sollte auf den Namen "Mantuna" getauft werden. E. präsentierte dazu nicht nur einen Kontoauszug, der ihn als Erben eines Vermögens von zwölf Millionen Euro auswies.

Er lieferte auch noch eine herzzerreißende Geschichte hinzu: Mantuna, das soll ein Mädchen aus Schwarzafrika gewesen sein, dem E. einst das Leben gerettet haben will. Damals noch als Entwicklungshelfer, im Auftrag der Unesco. Auch diese Geschichte und das gesamte Privatklinikprojekt waren frei erfunden.

© SZ vom 05.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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