Staatsanwaltschaft will Klärung:Grundsatzdebatte über Kirchenasyl

Lesezeit: 1 min

Von Dietrich Mittler, Freising

Die Staatsanwaltschaft Landshut strebt eine grundsätzliche Klärung an, wie Bayerns Justiz künftig mit dem Kirchenasyl umgehen soll. "Wir wollen das in einem Revisionsverfahren beim Oberlandesgericht auf den Prüfstand stellen", sagt Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Er ist Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut, bei der etliche Kirchenasylfälle anhängig sind. Möglich wird die Revision durch den Fall eines 31-jährigen Asylbewerbers aus Nigeria, der von Mitte Juli bis zum 20. November letzten Jahres in einer Freisinger Pfarrei Zuflucht im Kirchenasyl gefunden hatte. Ihm legen die Ermittler zur Last, sich "ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel", also illegal, aufgehalten zu haben.

Am Freitag fand im oberbayerischen Freising die Verhandlung statt. Amtsrichterin Katrin Mey sprach den Angeklagten von den Vorwürfen frei. Es könne nicht sein, dass die Behörden für sich selbst in Fragen des Kirchenasyls einen Freiraum beanspruchten, umgekehrt aber Asylbewerber in der gleichen Sache strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen würden. Zwar habe der Angeklagte für einen gewissen Zeitraum tatsächlich keinen Aufenthaltstitel gehabt. Allerdings sei er darauf weder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) noch vom Ausländeramt aufmerksam gemacht worden. Der Münchner Anwalt Franz Bethäuser betonte im Plädoyer, das Ausländeramt habe es außerdem versäumt, dem Nigerianer die ihm zustehende Duldung zu gewähren. "Soll mein Mandant jetzt schlauer sein als die Behörden, die das auch nicht überrissen haben?"

, sagte er. Mitarbeiter der Freisinger Ausländerbehörde bestätigten als Zeugen, dass der Angeklagte von ihnen tatsächlich nicht darüber aufgeklärt worden war, welche Konsequenzen da auf ihn zukommen. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, warum sie keinen Haftbefehl gegen den im Kirchenasyl befindlichen Nigerianer erwirkt hätten, hieß es, dass "von oben" die Weisung erteilt worden sei, die betroffenen Flüchtlinge dürften nicht mit Gewalt aus dem Kirchenasyl herausgeholt werden. Vorgegeben sei diese Richtung durch ein "Gentlemen Agreement" zwischen dem Bamf und den Kirchen, politisch mitgetragen durch Vertreter der Staatsregierung. Eine schriftliche Anordnung, in der das Schwarz auf Weiß steht, gibt es nach Wissen der Zeugen aber wohl nicht.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: