Regensburg:Täter therapieren, um Opfer zu schützen

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In Regensburg entsteht Bayerns erste Ambulanz für Männer mit pädosexueller Neigung. Doch für die Behandlung gibt es eine Bedingung.

Max Hägler

In Regensburg soll Ende des Monats Bayerns erste anonyme Ambulanz für Männer mit pädosexueller Neigung öffnen. In der Abteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg sollen Männer behandelt werden, die noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, sich aber sorgen, einen sexuellen Übergriff begehen zu können. "Unsere Motivation ist nicht primär der Täter, sondern der Schutz der Opfer", sagt Projektleiter Professor Michael Osterheider.

In Regensburg entsteht Bayerns erste Ambulanz für Männer mit pädosexueller Neigung. (Foto: dpa)

Ziel der Therapie sei der vollständige Verzicht auf sexuelle Kontakte mit Kindern sowie auf Kinder-Pornografie. Zudem sollen die Patienten lernen, sich in ihre potenziellen Opfer hineinzufühlen. "Völlig wechseln - etwa auf attraktive Frauen - kann man diese sexuelle Präferenz nicht", sagt Osterheider.

Deswegen müssten betroffene Männer lernen, mit dieser Störung umzugehen. Da das Strafrecht wenige abschrecke, wolle man früher ansetzen, wenn die Männer noch nicht straffällig geworden sind.

Osterheider hat dabei die Unterstützung des Justizministeriums. "Ich halte das Projekt für außerordentlich wichtig", sagte Ressortchefin Beate Merk (CSU) der SZ. Tätertherapie sei der beste Opferschutz, vor allem wenn sie Männer erreiche, "bevor sie sich an Kindern vergehen".

Damit könne das Übergriffsrisiko deutlich gesenkt werden. Bislang habe es jedoch kaum qualifizierte Therapieangebote gegeben. "Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden." In der kommenden Woche wollen die Uni Regensburg und das Justizministerium die Verhandlungen abschließen. Der Landtag hat der Finanzierung schon zugestimmt.

Die Patienten müssen nicht fürchten, bloßgestellt zu werden. Anfragen werden auch anonym per Mail und Telefon bearbeitet, die Behandlung findet in neutralen Räumen statt. Es gibt 40 Behandlungsplätze, geplant sind psychotherapeutische Einzelsitzungen und Gruppengespräche.

Nach Abschluss der Behandlung sollen die Männer möglichst einer Selbsthilfegruppe beitreten. Da am Programm nur teilnehmen darf, wer noch nicht einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, werden alle Patienten über das Bundeszentralregister geprüft. Dieser Ausschluss gilt allerdings nicht für Straftaten in Bezug auf kinderpornografische Schriften. Laut Osterheider gilt für die Therapie grundsätzlich die ärztliche Schweigepflicht. Allerdings dürften strafrechtlich relevante Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden.

Vorbild der bayerischen Einrichtung ist das Projekt "Kein Täter werden" an der Berliner Universitätsklinik Charité. Dort wurden nach drei Jahren 791 "begründete Anfragen" gezählt, 169 Männer wurden aufgenommen. Etwa ein Dutzend stammte aus Bayern.

Osterheider gibt an, seit Bekanntwerden der Regensburger Pläne täglich zwei bis drei Nachfragen von betroffenen Männern und Angehörigen zu erhalten. Je nach Studie machen in Deutschland 11 bis 25 Prozent aller Mädchen Erfahrungen mit Missbrauch; auch Jungen sind betroffen.

© SZ vom 07.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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