Redezeit im Landtag:Höhere politische Mathematik

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Wer wie lange in dieses Mikrofon am Rednerpult hineinsprechen darf, sorgt im Landtag für Dauerzwist. (Foto: Claus Schunk)

"Das ist schließlich kein Kavaliersdelikt": Der Landtag will die neue Verteilung der Redeanteile der Fraktionen beschließen. Das läuft auf höhere Mathematik hinaus - und sorgt für Unmut bei der Opposition.

Von Frank Müller, München

Früher war das Leben leicht im Ältestenrat des bayerischen Landtags: Wenn das Gremium eine Plenarsitzung vorbereitete, musste es bloß fünf mal vier rechnen. Fünf Minuten Redezeit mal vier Fraktionen. Macht insgesamt 20 Minuten Debattendauer. Oder bei zehn Minuten: 10 x 4 = 40. Ganz einfach.

Jetzt wird alles sehr viel komplizierter. An diesem Mittwoch will der Landtag die neue Verteilung der Redeanteile beschließen. Das läuft auf höhere Mathematik hinaus. Durch komplizierte Rechenformeln will sich die CSU gegen den Protest der anderen Fraktionen mehr Zeit am Mikro sichern. Doch die Probleme beginnen schon vor dem Start. Neulich wollte der nicht öffentlich tagende Ältestenrat das erste Plenum im neuen Jahr vorbesprechen. Dann sollen die neuen Regeln schon gelten. Doch leider hatte keiner der parlamentarischen Geschäftsführer im Gremium die neue Redezeit-Tabelle dabei. "Das war dann etwas konfus", erinnert sich einer von ihnen.

Matheaufgaben aus der Schulzeit

Die neue Tabelle findet sich auf Seite 3 eines sehr detaillierten Antrags der CSU zur Änderung der Geschäftsordnung. Wer sie ansieht, fühlt sich an Matheaufgaben seiner Schulzeit erinnert. Sie verteilt Gesamtredezeiten von beispielsweise 36 Minuten nun so: Zwölf Minuten CSU, neun SPD und je 7,5 für Freie Wähler und Grüne.

Redezeit im Landtag
:CSU erteilt sich selbst das Wort

Acht Minuten für die CSU, sechs für die SPD und je fünf für Grüne und Freie Wähler: So wird die Redezeit im Landtag künftig verteilt, wenn es nach der CSU geht. Die Opposition spricht von einer "Kriegserklärung".

Von Frank Müller

14 solcher Spalten gibt es, für Debatten zwischen 24 und 180 Minuten. Für Feinschmecker die dazugehörige Rechenformel: Zwei Drittel der gesamten Aussprachezeit werden gleichmäßig verteilt. Das restliche Drittel wird in acht Teile zerlegt, wovon die CSU die Hälfte, die SPD ein Viertel, Freie Wähler und Grüne je ein Achtel erhalten.

Die CSU hält das für eine gerechte Aufteilung, die Oppositionsfraktionen empfinden es als arroganten Unfug. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer ließ das Modell nach einigem Ärger über angeblich niveaulose Auftritte der Opposition entwickeln. Er beeilte sich jedoch, ganz andere Gründe für die Reform zu benennen. Es gehe darum, den CSU-Abgeordneten dieselben Chancen zu Plenumsauftritten zu geben wie denen der Opposition. In der Tat gibt es in der Fraktion Stimmen, die sich noch weitergehende Veränderungen erhofften. Wegen der Größe der Fraktion seien CSU-Vertreter noch immer benachteiligt.

"Wir sind da solidarisch"

Die Opposition empfinde das "als Kampfansage", sagt Grünen-Geschäftsführer Thomas Gehring. Alle drei Oppositionsfraktionen bekämpfen den Vorstoß gemeinsam, obwohl ihre Interessen leicht unterschiedlich sind. Anders als die kleineren Fraktionen profitiert die SPD nämlich sogar leicht von dem CSU-Plan. Denn die Debatten müssen insgesamt länger werden, damit die Neuverteilung rechnerisch überhaupt machbar ist. "Wir sind da solidarisch", sagt SPD-Geschäftsführer Volkmar Halbleib. "Das ist schließlich kein Kavaliersdelikt."

Die Opposition hat dagegen eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Belebung des Parlamentsbetriebs vorgelegt. Sie dürften am Mittwoch allesamt abgelehnt werden, zu nächtlicher Stunde nach Redaktionsschluss der Zeitungen. Der Zeitplan empört die Opposition zusätzlich. Sie droht der CSU nun mit einigen Retourkutschen. So werde man sich überlegen, aus der bisherigen Praxis auszusteigen, Informationsreisen von Ausschüssen gemeinsam mitzutragen, kündigt der Freie-Wähler-Geschäftsführer Florian Streibl an. Wenn CSU-Abgeordnete dann alleine reisen, könnte ihnen ein unangenehmes Echo drohen. Streibl denkt auch daran, durch ein neues Gesetz die Höhe der finanziellen Zuschläge zu vereinheitlichen, die führende Fraktionsmitglieder bisher bekommen. Bislang legen dies die Fraktionen im Alleingang fest. Auch hier liegt die CSU klar vorne.

© SZ vom 09.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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