Prozess in Würzburg:Geigenklänge im Gericht

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In Würzburg steht der ehemalige Generalmusikdirektor des Mainfranken-Theaters vor Gericht. Doch von den Sex-Vorwürfen zeigt sich Jin Wang wenig beeindruckt.

Olaf Przybilla

Der vierte Verhandlungstag im Prozess gegen Jin Wang hat noch nicht begonnen, da bekommt man bereits einen Eindruck davon, wie wenig dem ehemaligen Generalmusikdirektor (GMD) des Würzburger Mainfranken-Theaters der Ernst seiner Lage bewusst zu sein scheint. Wang ist wegen des Verdachts sexueller Nötigung einer Musikstudentin angeklagt und wenn nicht alle Zeichen trügen, dann läuft die bisherige Verhandlung alles andere als gut für ihn.

In Würzburg steht der ehemaligen Generalmusikdirektor des Mainfranken-Theaters vor Gericht - wegen dem Vorwurf der sexuellen Nötigung (Foto: dpa)

Nun aber packt der 50 Jahre alte Maestro im Gerichtssaal seine Geige aus. Er posiert für den Reporter einer Boulevardzeitung und spielt dazu ein paar Takte aus "Tosca" - im Gerichtssaal. Wang hat noch Glück, dass die Richter am Landgericht Würzburg diese Szene nicht beobachten können. Bevor sie eintreten, ruft der Oberstaatsanwalt den Dirigenten scharf zur Ordnung, er möge mit seiner Vorstellung sofort aufhören.

An diesem vierten Verhandlungstag wird noch einmal die Studentin vernommen, die Wang im Mai 2007 im Hausflur vor ihrer Wohnung gegen ihren Willen sexuell bedrängt haben soll. Wieder werden ihre Aussagen auf eine Video-Leinwand aus dem Nachbarzimmer übertragen.

Der Frau ist eine Depression attestiert worden. Damit sie Wang nicht sehen muss, darf sie im Nebenzimmer aussagen. Sie berichtet, dass Wang sie nach einer "Freischütz"-Aufführung im Hausgang geküsst, ihr das T-Shirt nach oben geschoben, sie im Intimbereich geküsst haben soll. Wie gelähmt sei sie gewesen, der Übergriff sei völlig überraschend gekommen. Die Frau ist bleich, sie spricht langsam, aber bestimmt und verliert nur die Contenance, als der Richter eine Frage von Wangs Anwalt vorträgt: Welche BH-Größe sie trage. Die 25-Jährige schlägt die Hände vors Gesicht: "Ich verstehe das alles nicht", sagt sie und weint.

In Zeugenvernehmungen ist in den Tagen zuvor klar geworden, dass es nicht die Studentin war, die Ermittlungen gegen Wang in Gang gebracht oder gar Anzeige gegen ihn erstattet hatte. Vielmehr hatte sie einer nahen Verwandten von dem Vorfall erzählt, über zwei Ecken erfuhr danach der Würzburger Kulturreferent davon. Erst danach wurde sie von der Polizei vernommen. "Ich wollte erst nicht aussagen, musste das dann aber", sagt die Studentin. Der Prozess wird am 24. November fortgesetzt.

© SZ vom 06.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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