Philosophin reicht Verfassungsklage ein:Wie die katholische Kirche eine Professorin verhinderte

Sie bewarb sich auf den Lehrstuhl für Praktische Philosophie an der Universität Erlangen und wurde abgelehnt. Ulla Wessels glaubt, den Grund zu kennen: Sie ist keine Katholikin. Jetzt zieht sie vor das Bundesverfassungsgericht. Und sie ist nicht die einzige, die sich gegen den Pakt zwischen Kirche und Staat zur Wehr setzt.

Martina Scherf

Diese Frau will es wissen. Sie will endlich Klarheit in ein undurchsichtiges Verfahren bringen und geht dafür durch alle Instanzen. Vor fünf Jahren hat sich Ulla Wessels auf den Lehrstuhl für Praktische Philosophie an der Universität Erlangen beworben und wurde abgelehnt - weil sie keine Katholikin ist, meint sie.

60 Jahre Bundesrepublik - Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht muss nun im Streit einer Philosophin mit der Universität Erlangen entscheiden.

(Foto: dpa)

Denn die Stelle gehört zu einem Konkordatslehrstuhl: Der wird vom Staat finanziert, über seine Besetzung bestimmt aber letztlich der Bischof. 21 solcher - wohlgemerkt nicht-theologischer - Lehrstühle gibt es noch in Bayern, in Philosophie, Pädagogik und Gesellschaftswissenschaften. Und weil die Philosophin dies im 21. Jahrhundert für einen "Skandal" hält, zieht sie nun vor das Bundesverfassungsgericht.

Ulla Wessels lehrt an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Ihre Dissertation hat sie über den Paragraphen 218, der den Schwangerschaftsabbruch regelt, geschrieben. Sie ist Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung für Humanismus und Aufklärung und konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Ethik und praktische Vernunft.

Dass sie mit diesem Steckbrief das "nihil obstat", also die Zustimmung des Bamberger Bischofs, erhalten würde, war unwahrscheinlich. Doch mit ihr haben sich damals viele weitere nicht-katholische Philosophen auf die Stelle beworben. Einige haben ebenso wie die Saarbrückerin gegen die Ablehnung geklagt.

Zwar hatte die Universität zunächst rein fachliche Gründe ins Feld geführt. Doch dann tauchte ein Brief an mehrere Bewerber auf, in dem nicht nur nach der Liste der bisherigen Publikationen, sondern auch nach der Konfession gefragt wurde. Daraufhin hatte das Verwaltungsgericht Ansbach das Bewerbungsverfahren gestoppt. Eine Wiederzulassung der Klage lehnten die Richter dennoch ab - ein solcher Formfehler passiere beim nächsten Mal nicht mehr.

Für Ulla Wessels und ihren Anwalt Rainer Roth ist das undurchsichtige Verfahren ein klarer Fall fürs Verfassungsgericht in Karlsruhe: Die bayerische Vergabepraxis von Konkordatslehrstühlen verstoße gegen Artikel 33 des Grundgesetzes.

Darin heißt es: "Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen."

Sind Konkordatslehrstühle noch zeitgemäß?

Der Nürnberger Verwaltungsrechtler sieht zudem auch Artikel 19 des Grundgesetzes verletzt, der Rechtsschutz für jeden garantiere. "Doch gegen ein Bischofswort kann ich vor einem staatlichen Gericht gar nicht klagen".

Schon 1980 hatten sich Wissenschaftler gegen den Pakt zwischen Kirche und Staat gewehrt und eine Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Denn die Regelung, die auf die Zeit der Säkularisierung nach Napoleon zurückgeht und im Konkordatsvertrag von 1924 festgeschrieben wurde, damit die Kirche nicht den Einfluss auf die Bildung der Jugend verliert, war 1974 sogar noch einmal ausgeweitet worden: eben auf die heute noch bestehenden 21 Lehrstühle.

Doch Bayerns höchstes Gericht schmetterte die Klage damals ab: Die bayerische Verfassung sei durchdrungen vom Geist der engen Verbindung von Kirche und Staat. Dagegen hätten die Individualrechte im Einzelfall zurückzustehen.

Inzwischen sind gut weitere 30 Jahre vergangen. Ulla Wessels und ihre Mitstreiter, die sich im Internet zusammengeschlossen haben, wollen diesen Geist endlich in die Geschichtsbücher verbannen: "Er passt nicht in eine säkulare Gesellschaft", so die Philosophin. Ein Kollege sagt sogar, die Berufungspraxis verhindere im Einzelfall, dass der beste Bewerber zum Zuge komme, schade also auch der Universität.

Auch die Hochschulexpertin der Grünen im Landtag, Ulrike Gote, engagiert sich seit langem für die Abschaffung der Konkordatslehrstühle. Und auch im Wissenschaftsministerium sieht man die Sache heute anders als noch zu Zeiten der CSU-Minister Hans Maier oder Thomas Goppel. Minister Wolfgang Heubisch (FDP) betont die Autonomie der Hochschulen, die man "aus Überzeugung" vorangetrieben habe. Universitäten dürfen ihre Professoren heute selbst berufen - ohne Mitsprache des Ministeriums.

Da stelle sich schon die Frage, so Heubisch, "ob Konkordatslehrstühle heute noch zeitgemäß sind. Sie sind im geltenden Recht aber ausdrücklich vorgesehen und ich habe nicht die Möglichkeit, hieran einseitig etwas zu verändern".

Heubisch ist aber im Gespräch mit der Kirche, und er beteuert: "Es ist mir ein großes Anliegen, hier im Einvernehmen mit der katholischen Kirche etwas in Bewegung zu bringen." Das Verfahren am Bundesverfassungsgericht werde man aufmerksam verfolgen.

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