Wettstreit in Bayern:Wenn sich die Zinken-Elite zur WM trifft

Nasenweltmeisterschaft

Hans Roest konnte seinen Titel bei der Nasenweltmeisterschaft verteidigen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Im oberbayerischen Langenbruck kämpfen 50 Männer und Frauen um den Sieg bei der Nasen-Weltmeisterschaft. Die Methoden sind unter Champions umstritten.

Von Andreas Glas, Langenbruck

Stefan Achter schnäuzt in ein Taschentuch, dann steckt er seinen Kopf durch einen Rahmen, der aussieht wie eine Klobrille. Er zieht die Augenbrauen hoch und wölbt die Oberlippe über die Unterlippe, um seine Nase so lang zu machen, wie es nur geht. Josef Seidl setzt einen Schenkel seines Messschiebers an der Nasenwurzel an, schiebt den anderen Schenkel gegen die Spitze der Nase. Länge: 44 Millimeter. Dann presst Stefan Achter seine Augenbrauen tief in Gesicht, zieht die Oberlippe nach oben, bis man das Zahnfleisch sehen kann, seine Nasenflügel weiten sich. "Jetzt! Fest! Zieh an!", brüllt ihm Seidl ins Gesicht. Dann nimmt er Maß. Breite: 58 Millimeter. "Das ist nix", sagt Seidl, "das reicht nicht".

Noch bevor es richtig losgeht, ist der Wettkampf für Stefan Achter zu Ende. Er ist in der Qualifikation gescheitert, denn Mitmachen darf jeder, 50 versuchen es an diesem Abend, aber nur die besten Zehn kommen ins Finale. "Enttäuschend", sagt Achter. Er ist extra aus Schwaben angereist, jetzt muss er auf seine zwei Spezln hoffen, deren Nasen ebenfalls vermessen wurden. "Wir haben alle drei so große Zinken, einer von uns wird es ins Finale schaffen", da ist sich Achter sicher.

Es ist Samstagabend, Ausnahmezustand in Langenbruck in der Holledau. Alle fünf Jahre trifft sich hier die Zinken-Elite zur Nasen-Weltmeisterschaft. Ausrichter ist der Langenbrucker Nasenclub, 1961 gegründet im Gasthaus Fröhlich, wo damals die Hopfenbauern mit langen Gesichtern am Stammtisch saßen, weil der Hopfenpreis im Keller war. "Die Gesichter waren so lang, dass die Nasen ganz markant gewesen sind", erzählt Sepp Reichart. Also habe sein Vater, der Wirt, gesagt, "dass wir schauen müssen, dass die Leute wieder lustig werden" und hat mit den Bauern den ersten Nasenclub der Welt gegründet. Inzwischen hat der Verein Mitglieder in 15 Ländern, sogar in Japan und in den USA.

Hermann Machtinger, 59, ist aus Österreich hergekommen. Er sitzt an einem Biertisch in der Langenbrucker Turnhalle und lässt sich von einer dieser Schnupfmaschinen den Tabak in die Nase katapultieren. Es ist eine mächtige Nase, vor allem in der Länge beeindruckend. Und damit seine Nase für den Wettkampf noch mächtiger wird, hilft Machtinger mit Schnupftabak nach. "Der bläht ein wenig auf, das reizt die Nase", sagt er und nimmt einen kräftigen Zug aus seinem Masskrug, denn auch der Alkohol weitet die Gefäße und damit die Nasenflügel. Vor zehn Jahren war Machtinger Vize-Weltmeister, auch diesmal will er "aufs Stockerl, mehr geht nicht", dafür sei die Konkurrenz zu stark.

Draußen, vor der Turnhalle, sitzt der Mann, den es zu schlagen gilt: Hans Roest, 68, Niederländer. Ein Mann mit monströsem Bauch und noch monströserer Nase. "Eine richtige Kartoffel", sagt Vermesser Josef Seidl. Der Niederländer Roest war früher Busfahrer, war in ganz Europa unterwegs und vor 30 Jahren ist er zufällig im Gasthof Fröhlich in Langenbruck gelandet. "Da hat der Max, der Wirt, mich gefragt: Bitte, Hans, darf ich deine Nase messen?"

Nach dem Messen geht es zur Dopingprobe

Er durfte, Hans Roest wurde Mitglied im Club und seit fünf Jahren ist er amtierender Weltmeister. Wie hat er trainiert, um nun seinen Titel zu verteidigen? "Gar nicht", sagt Roest, auch der Schnupftabak bringe nichts, "das ist alles Show", letztlich gehe es um die Technik beim Vermessen. Für die Länge: Augenbrauen hoch, Oberlippe runter. Für die Breite: Augenbrauen runter, Oberlippe hoch.

Kurz nach neun geht es los, die zehn Finalisten werden ausgerufen, Stefan Achter und seine Spezln sind nicht dabei. Einer von ihnen haut mit der Faust auf den Biertisch: "Ich war mir sicher." Und Stefan Achter ruft: "Schiebung!" Ein paar Minuten danach steigt Hermann Machtinger auf die Bühne, vorher war er noch schnell auf dem Klo. Die Aufregung, das Bier. Er steckt seinen Kopf durch die Klobrille, "Zieh an!", brüllt der Vermesser, Machtinger zieht an, und wie: 61,2 Millimeter Länge, 52,85 Millimeter Breite, macht insgesamt 114,05, der bislang beste Wert des Abends.

Nach dem Messen die Dopingprobe: Ein Kontrolleur mit Gummihandschuhen leuchtet Machtinger mit einer Taschenlampe in die Nasenlöcher. Kontrolle muss sein, vor ein paar Jahren hat sich einer heimlich ein Tampon in die Nase geschoben, um sie breiter zu machen. Ein Skandal, er wurde disqualifiziert. In Machtingers Nase ist alles in Ordnung, der Kontrolleur hebt den Daumen, jetzt kann ihn nur noch Hans Roest schlagen, der Titelverteidiger.

La-Ola-Wellen als Unterstützung für die Teilnehmer

Hans Roest gibt alles beim Messen. Sein Kopf läuft rot an, während er seine Nasenflügel aufbläht, er kneift die Augen zusammen. Länge: 65,9 Millimeter, Breite 52,52 Millimeter, insgesamt: 118,42. "Ein Mordstrumm", ruft Sepp Reichart in sein Mikrofon und animiert die Halle zur La-Ola-Welle.

Hans Roest hat es wieder geschafft, genauso wie Susanne Kloiber, die ganz aus der Nähe kommt, und bei den Frauen den Titel holt - mit einem Gesamtmaß von 103,55 Millimetern. "Meine Nase, die habe ich von meiner Oma", sagt Susanne Kloiber, "aber dass da so viel Power drin steckt, das hätte ich nicht gedacht".

Zur Siegerehrung werden dann noch die Nationalhymnen der beiden Weltmeister gespielt. Der Preis ist jeweils ein Wochenendtrip in ein Salzburger Romantikhotel und ein Pokal. Klar, er freue sich, sagt Hans Roest, aber wichtiger als der Sieg sei ihm der Spaß. "Der Abend ist so gemütlich, so schön", sagt Roest. Ein echter Sportsmann, der trotz seines Erfolgszinkens die Nase nicht oben trägt.

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