Kratzers Wortschatz:Fliegende Räuber im Maisfeld

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Die Vogelscheuchen auf den Feldern heißen Gabeshüter. Der Name stammt von dem Wort Gabes, einem ein Synonym für Kraut und Krautacker

Von Hans Kratzer

Gabeshüter

Eigentlich waren die Gabeshüter schon ausgestorben. Doch plötzlich sind sie wieder überall zu sehen, jene Vogelscheuchen, die der bäuerlichen Landschaft eine liebevolle Kontur verleihen. Unsere Felder und Wiesen wirken ja recht eintönig, dienen sie doch oft nur noch der chemisch unterstützten Rohstoffbeschaffung für Biogasanlagen. Die Gabeshüter aber schützen biologisch bewirtschaftete Felder. Es sind kreuzartige Gestelle, die mit einem alten Hut bekrönt sind und ein zerschlissenes Sakko tragen, so dass sie fast wie Menschen aussehen. Manchmal sind es auch nur Stecken, an denen ein im Wind flatterndes Tuch befestigt ist. Gabeshüter sollen die Vögel verscheuchen, die auf dem Feld räubern wollen. Konventionell angebauter Mais ist in der Regel gebeizt, weshalb er den Krähen nicht schmeckt. Im ökologischen Landbau aber werden die Körner unbehandelt in den Boden gesteckt. Die Crux ist, dass die Krähen schnell ahnen, wie die Saatreihe verläuft. Frech picken sie die schmackhaften Körner und Keimlinge heraus - vorausgesetzt, sie lassen sich von den Gabeshütern nicht beeindrucken. Im Gabeshüter steckt das Wort Gabes, ein Synonym für Kraut und Krautacker. Der Dialektologe Ludwig Zehetner bringt mit Blick auf den Krautkopf den menschlichen Kopf und seine lateinische Entsprechung caput ins Spiel. Laut Zehetners Theorie hat sich aus caput sowie über das althochdeutsche kabuz das Wort Gabes entwickelt. Im Gabeshüter verdichtet sich also die Geschichte des Feldbaus in einem einzigen Wort.

Heuschneider

Die Insekten verschwinden aus der Landschaft. Auch der Heuschneider, wie Heuschrecke und Heupferdchen auf dem Land genannt werden, wird zur Rarität. Statt die Heuschrecke sagt man in Bayern der Heuschreck, der Heuschneider oder auch der Heu- oder Grashüpfer. Der Heuschneider ist nicht verwandt mit dem Bilmesschneider, einem Dämon, vor dem unsere Vorfahren eine Heidenangst hatten. Er schnitt der Sage nach die Ähren des Getreides ab und brachte die Bauern um die Existenz.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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