Kratzers Wortschatz:Ein Oass, ein Skalpell und ein Gwappelter

Lesezeit: 1 min

Jenen Menschen, die sehr auf ihr Äußeres bedacht sind, macht die Haut bisweilen Kummer. Vor allem wenn Pickel und Wimmerl den Teint verzieren. Aber manchmal kommt es noch schlimmer: Wenn sich ein Oass bildet . . .

Von Hans Kratzer

Oass

Der freundliche Kollege N. beschäftigt sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit den feingeistigen Sujets des Kulturbetriebs. Gegen die Gefahr, unter dem Einfluss der Hochkultur verzärtelt zu werden, ist er als gestandener Landbewohner gefeit. Gegen die Unbill, die ihn neulich heimgesucht hat, konnte aber auch seine ländliche Robustheit nichts ausrichten. Auf dem Rücken des Kollegen hatte sich überfallartig ein Furunkel gebildet, das letztlich eines Skalpells bedurfte. Lange rückte der arme Patient nicht mit der Wahrheit über sein Leiden heraus, bis ihm die Nachfragen lästig wurden und es aus ihm herausplatzte: "An Oass hab i ghabt!" Die neugierigen Kollegen erschraken nicht schlecht, aber bald wurde ihr Schrecken überdeckt vom Klang dieses beeindruckenden Begriffs. Der oder das Oass, auch Aiß geschrieben, ist ein Dialektwort von feiner Struktur und überaus sympathisch. Lautmalerisch entspricht es idealtypisch dem Aussehen des Furunkels, und überdies entzieht es sich jeder Suchabfrage bei Google, es ist also ein vom Internet und seinen digitalen Schergen noch unbelecktes Wort und für eine Verschlüsselung prima zu verwenden. Schon dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung. Appetitlich sieht ein Oass natürlich nicht aus. Es ist halt ein Eitergeschwür und damit so etwas wie der große Bruder des Pickels oder des Wimmerls. Oass geht auf das mittelhochdeutsche Wort Eiz (Geschwür, Eiterbeule) zurück. Solange es SZ-Feuilletonisten gibt, die dieses Wort im Munde führen, hat es eine leuchtende Zukunft.

gwappelt

Irmi Piltz hat uns geschrieben, ihre aus der Oberpfalz stammende Mutter habe kürzlich das Wort "gwappelt" verwendet, und zwar im Sinne von geistig fit, schlau, gewitzt ("die ist aber gwappelt"). Diese Bedeutungen treffen zu, aber das Wort ist sogar noch schillernder. Auch privilegierte sowie durchtriebene und gerissene Personen werden als gwappelt bezeichnet. Der Dialektologe Ludwig Zehetner sagt, das Wort habe sich einst auf Familien mit eigenem Wappen bezogen. Ein Gwappelter war also früher schon ein privilegierter Mensch.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: