Kratzers Wortschatz:Der Glache

Im Fernsehen konnte man unlängst beobachten, wie ein junger Fussballstar einem älterem Helfer seine Jacke so nachlässig zuwarf, dass sie zu Boden fiel und der Mann sich nach ihr bücken musste. So einen unhöflichen jungen Kerl nennt man in Bayern Glache

Von Hans Kratzer

Glache

Als die deutsche Fußballnationalmannschaft neulich ihre Kräfte mit den Freunden aus den USA maß, war kurz vor dem Anpfiff eine aufschlussreiche Szene zu beobachten. Nach dem Abspielen der Nationalhymnen und dem üblichen Pathos, der die Fußballer umwabert, zogen die Spieler, die im Anstoßkreis unruhig wie Renngäule umhertrabten, ihre Trainingsjacken aus. Ein älterer Herr aus dem DFB-Betreuerteam sammelte sie ein. Dabei legten aber nur wenige Spieler ihre Jacken zivilisiert über den ausgestreckten Arm des Betreuers, die meisten anderen warfen sie ihm achtlos und zerknäult entgegen. Es war zu erkennen, dass sich der Mann nach einer Jacke bücken musste, weil sie ihm ein junger Fußballer aus kurzer Distanz gleichgültig hingeworfen hatte. Der hoch dotierte Sportler, der zu den Vorbildern der Nation gezählt wird, hatte dem freundlichen Helfer gegenüber ein respektloses Verhalten an den Tag gelegt. Es drängte sich der Eindruck auf, es herrsche im Reich des Profifußballs eine Art grobe Feudalordnung. Im ländlichen Bayern nennt man Typen, die sich durch ein unhöfliches und despektierliches Verhalten auszeichnen, Glache oder Glachel. Das Wort klingt etwas härter als der in eine ähnliche Richtung tendierende Gloiffe. Ein Glache ist jedenfalls ein ungeschliffener Bursche, dessen charakterliche Reifung noch lange nicht vollendet ist. Das Wort Glache gab es schon im Mittelalter (klachel), damals benannte es aber noch den Glockenschwengel.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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