Kaufbeuren:"Ich finde, ich schau' Beth Ditto wirklich ähnlich"

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Kaufbeurens OB Bosse und seine Partnerin schlugen als Promi-Paar auf. (Foto: Harald Langer)

Der Oberbürgermeister von Kaufbeuren zeigt beim Faschingsball außerordentlich viel Schulter und Brust - und provoziert die Lokalzeitung zur Frage: Darf der das?

Von Stefan Mayr, Kaufbeuren

Seit Oslo 2008 schien der deutsche Rekord in der Kategorie "größtes Politik-Dekolleté" für alle Ewigkeit an Angela Merkel vergeben zu sein. Damals war die Robe der Kanzlerin bei der Eröffnung der norwegischen Nationaloper derart tief ausgeschnitten, dass die Fotos weltweit durch die Medien gingen. Doch selbst bei diesem Thema wird der Kanzlerin die Spitzenposition von einem Unions-Kollegen streitig gemacht: Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) zeigte beim Faschingsball der Freiwilligen Feuerwehr außerordentlich viel Schulter und Brust, sodass so mancher Gast den Atem anhielt.

"Darf der das?", fragte die Allgäuer Zeitung an prominenter Stelle und startete sogleich unter dem Titel "Witzig oder peinlich?" eine Internet-Umfrage. Diese steuert auf ein eindeutiges Ergebnis zu.

Es war ein wuchtiger Auftritt, den Bosse da am Samstag im Stadtsaal hinlegte. Der Abend stand unter dem Motto "Fashion Night", die Feuerwehrler hatten extra einen roten Teppich ausgelegt. Auf diesem erschien Bosse als Beth Ditto, das ist eine wohlgenährte Popsängerin aus den USA mit einem Faible für exaltierte Kleidung.

Ein mächtiges Dekolleté, ein neckischer Kragen

Nun, OB Bosse stand seinem Vorbild in fast nichts nach - weder bezüglich Kleidungsstil noch Leibesfülle. Sein mächtiges Dekolleté wurde betont von einer schwarz-goldenen Kette und einem neckischen Kragen aus Kunstfell. Perücke und Lidstrich saßen perfekt. Das Oberteil lag, wie beim prominenten Original, hauteng an.

Für die Fotografen zeigte der Herr Oberbürgermeister extra laszive Mimik mit dem Mund. Was für eine Show. Aber: Darf der das? Als Repräsentant einer kreisfreien Stadt mit 40 000 Einwohnern und etlichen Bediensteten? Bosse sagt: "Leut', des war Fasching."

Der Kriminaldirektor a. D. kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. Sein Kostüm sei "doch harmlos" gewesen, er habe "überhaupt nichts" gezeigt. "Ich hatte eine normale Hose an und die war den ganzen Abend geschlossen." Er habe nur versucht, das Ballmotto aufzugreifen und mitzuspielen. Bosses Lebenspartnerin erschien als Mode-Designer Karl Lagerfeld, dieser hatte Beth Ditto einst als seine Muse bezeichnet. "Ich würde es wieder so machen", sagt Bosse.

Prominente Vorbilder aus der Landespolitik

Er verweist auf den Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel und dessen Ehefrau, die im Karneval einen stadtbekannten vorbestraften Bordellbesitzer und dessen Silikon-bewehrte Muse imitierten. Und überhaupt: Finanzminister Markus Söder war im Fasching auch schon als Sexbombe Marilyn Monroe erschienen und CSU-Kollege Günther Beckstein - noch viel gewagter - als Grünen-Politikerin Claudia Roth.

Wie sehr Söder und Beckstein sich mit den Originalen identifizieren, ist noch unerforscht. Stefan Bosse jedenfalls kann sich ein Leben als Beth Bosse vorstellen, wie er verrät: "Rocksänger und XXL-Modell, das wäre für mich auch eine Möglichkeit nach der politischen Karriere." Immerhin habe er Erfahrung als Klarinetten-Spieler der Knabenkapelle Kaufbeuren. "Und ich finde, ich schau' Beth Ditto wirklich ähnlich."

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So ähnlich, dass ihn viele Ballgäste gar nicht erkannten. Zum Beispiel der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler). Der war als Pater verkleidet und fiel laut Bosse "aus allen Wolken, als ich am Tisch nach drei Minuten erstmals was gesagt habe". Er finde es "schon faszinierend", wenn man sich unkenntlich machen kann. "Man genießt das, wenn man sonst immer angesprochen wird."

Was das Wahlvolk zum OB sagt

Aber noch mal: Darf der Kriminaldirektor a. D. das? Darf ein Stadtoberhaupt Mut zum Dekolleté zeigen - verbunden mit einem Hang zum Unvorteilhaften? Die einen finden's unterirdisch, die anderen können dem hautengen Stofffetzen einiges abgewinnen: Da steht mal einer zu seiner Figur und versucht erst gar nicht, irgendwas zu kaschieren und zu vertuschen. Es leben Offenherzigkeit, Transparenz und Selbstironie. So ausgeprägt sind diese Eigenschaften in der bayerischen Politik ja nicht.

Das Votum der Leser der Allgäuer Zeitung ist jedenfalls eindeutig: Fast 70 Prozent fanden den Auftritt "total witzig". Die zwei anderen möglichen Antworten lauteten: "Das ist einfach nur peinlich, in dieser Position sollte sich der OB zurückhalten." Oder: "Mir egal, Hauptsache, er läuft so nicht im Rathaus herum." Das Endergebnis wird am Samstag verkündet - als "Höhepunkt der Faschingssaison", wie die Redaktion vollkommen zutreffend ankündigt. Geplant ist eine Sonderseite mit Leserbriefen und allem Drum und Dran.

Am Samstag steht in Kaufbeuren nun die nächste Faschingssause an. Sie steht unter dem Motto "Ganoven-Ball". Der Oberbürgermeister weiß bereits, in welcher Kleidung er erscheinen wird: "So wie immer, mit Anzug und Krawatte." Weil er keine Lust mehr auf Verkleidung hat? "Weil ich als ehemaliger Polizeibeamter weiß, wie Ganoven aussehen."

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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