Initiative gegen norddeutsche Grußformeln:Passauer Schule wird zur "Tschüss-freien Zone"

"Tschüss tut richtig in den Ohren weh", findet eine Rektorin in Passau und greift hart durch. Sie verbannt norddeutsche Grußformeln aus ihrer Schule. Ihre Begründung: Die Schüler sollen es bei der Jobsuche einfacher haben. Doch nicht alle sind von der Initiative begeistert.

"Hallo" und "Tschüss" - für die Passauer Rektorin Petra Seibert sind das Reizwörter. Sie legt Wert auf gutes Benehmen bei ihren Schülern, schließlich sollen sie sich bei der Jobsuche nicht blamieren.

Passauer Schule ist ´Hallo- und tschüssfreie Zone"

In der Passauer Mittelschule St. Nikola legt man Wert auf gutes Benehmen. Die Rektorin hat deshalb ihre Schule zu einer "Hallo- und tschüss-freien Zone" erklärt.

(Foto: dpa)

Den norddeutschen Gruß empfindet sie als unhöflich - und hat daher ihre Schule zur "Hallo- und tschüss-freien Zone" erklärt. "Wir bemühen uns, ohne diese beiden Grußformeln in unserem Haus auszukommen", verkündet ein Aushang in der Mittelschule St. Nikola. "Über ein 'Grüß Gott' und ein freundliches 'Auf Wiedersehen' freuen wir uns jedoch jederzeit."

Nichtbayern mögen sich über diese Regelung wundern - im Freistaat bleibt der große Proteststurm aus. Seiberts Ansatz mache pädagogisch Sinn, sagt der Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, Ludwig Unger. "Es ist ein positives Signal der Wertschätzung, aber man darf es nicht zum Dogma stilisieren." Die Jugendlichen müssten den Sinn der Aktion verstehen, um sie anzunehmen. Wenn ein Schüler nach einem "Hallo" zu einem Aufsatz verdonnert werde, sei das der falsche Weg.

Jugendliche müssten lernen, sich gegenüber Autoritätspersonen anders zu verhalten als gegenüber Gleichaltrigen. Grußformeln könnten dieses Bewusstsein schärfen. Ein "Hallo" sei zwar nicht zwangsläufig abwertend, könne aber bei manchem so ankommen.

Bei einem sprachlichen Ausrutscher wiesen die Lehrer den Schüler höflich zurecht, erläutert die Rektorin. Sie wolle ihre Schüler optimal auf den Beruf vorbereiten, sonst habe sie ihren Erziehungsauftrag nicht erfüllt. Und ein flapsiges "Hallo" hörten bayerische Personalchefs nun einmal nicht gern.

Seibert sieht sich nicht als Verfechterin des bayerischen Dialekts. "Aber in Bayern heißt es nun mal 'Grüß Gott'." Wem das nicht leicht über die Lippen gehe, könne auch freundlich "Guten Morgen" oder "Guten Tag" sagen. Der Respekt voreinander schwinde, findet sie. "Was früher selbstverständlich war, ist heute problematisch."

Die Landesschülervereinigung ist skeptisch. Die bayerische Schülerschaft diskutiere die "Hallo- und tschüss-freie Zone" sehr kontrovers, erzählt der Vorsitzende Martin Zelenka, der in Passau eine andere Schule besucht. "Die Maßnahme ist ein weiterer Schritt zur Entfremdung von Lehrern und Schülern." Der 17-Jährige kann an "Hallo" und "Tschüss" nichts Respektloses finden - und grüßt seine Lehrer deshalb auch so. Er sei zwar in Bayern geboren, könne sich aber nicht vorstellen, zu jemandem "Grüß Gott" zu sagen.

Es sei schon viel gewonnen, wenn ein Schüler überhaupt grüße, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, Max Schmidt. Er vermisst an den Schulen eine Höflichkeitskultur. Daher versteht er Seiberts Initiative. Umgangsformen, die ein Schüler nicht in jungen Jahren lerne, seien ihm später noch viel schlechter beizubringen. "Wenn das im Elternhaus nicht mehr geschieht, muss die Schule stärker als bisher eingreifen."

Grußformeln sollten Schmidts Ansicht nach verbindlich sein. Freundlicher als "Hallo" sei ein adressatenbezogenes "Grüß Gott", das dem Empfänger Gutes wünsche.

Der Präsident des Bayerischen Lehrerverbands BLLV, Klaus Wenzel, lobt zwar die Idee hinter Seiberts Initiative. "Die Schüler müssen den richtigen Ton finden." Allerdings schlägt er vor, das Thema Grußformeln lieber im Unterricht zu behandeln, als einen Hinweis aufzuhängen. "Am Ende einer solchen Stunde könnte ich dann auf das Schild verzichten - es gibt schon so viele Gebote und Verbote."

Das norddeutsche "Tschüss" ist traditionell bei vielen Bayern unbeliebt. Seiberts Aktion erinnert an frühere Initiativen, in denen sich Bürger gegen die Verabschiedungsformel zur Wehr setzten. 2006 etwa erklärte Dialektpfleger Hans Triebel einen oberbayerischen Ort zur "Tschüss-freien Zone" - mit Verbotsschildern am Ortseingang. Viele Bayern hätten Sorge, dass die heimischen Begriffe ins Lächerliche gezogen würden und schließlich verloren gingen, erläutert der Chef des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte, Horst Münzinger.

Rektorin Seibert kann er gut verstehen: "Das Tschüss tut richtig in den Ohren weh."

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