Homosexuelles Pastorenpaar in Bayern:Wo Liebe keine Sünde ist

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Er ist der erste homosexuelle Pastor aus Bayern, der mit seinem Partner im Pfarrhaus lebt: Ulrich Hardt aus dem fränkischen Kirchrüsselbach. Die Bewohner begegnen dem Geistlichen offen und mit Neugier. Doch einfach ist es nicht immer.

Katja Auer, Kirchrüsselbach

Wenn Kirschenzeit ist in Kirchrüsselbach, dann ist das ganze Dorf draußen. Es gibt Tausende Kirschbäume in der Fränkischen Schweiz, und bei der Ernte haben alle eine Menge Arbeit. Aber an dem Sonntag, als Pfarrer Ulrich Hardt seinen ersten Gottesdienst gehalten hat, da haben sie die Kirschen rund um Unterrüsselbach, Mittelrüsselbach und Oberrüsselbach einfach hängen lassen. Da waren die Reihen voll in St. Jakobus. Das hat es noch nie gegeben zur Kirschenzeit.

"Die Kirche muss mit dem Leben zu tun haben", sagt Pfarrer Ulrich Hardt. (Foto: iStockphoto)

"Die Kirche muss mit dem Leben zu tun haben", sagt der Pfarrer. Deswegen ist es in Ordnung, wenn die Leute neugierig sind. Deswegen ist es auch in Ordnung, dass er einen Mann liebt. Mit seinem Partner Udo Wex ist er gerade in Kirchrüsselbach im Landkreis Forchheim im Pfarrhaus eingezogen. Als erstes homosexuelles Paar in Bayern.

Im März hatte die evangelische Landessynode nach heftigen innerkirchlichen Debatten beschlossen, gleichgeschlechtlichen Paaren das Leben im Pfarrhaus zu erlauben, wenn sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft geschlossen haben und wenn Kirchenvorstand, Dekan, Regionalbischof und Landeskirchenrat einmütig zustimmen.

Als Erste erwischt

"Ich denke, wir haben einen guten Fang gemacht", sagt Karin Hammerand. Gerade hat sie die Lesung vorgetragen in St. Jakobus, und seit 16 Jahren schon engagiert sie sich im Kirchenvorstand. Dass sie einen schwulen Pfarrer samt Mann bekommen sollten, dass es die Rüsselbacher sozusagen als erste erwischen sollte, das hat sie überrascht, klar, und als sich die beiden beim Kirchenvorstand vorstellten, da seien viele Fragen gestellt worden. "Aber er war sehr ehrlich und offen", sagt Karin Hamerand. Und dann beschloss das Gremium einstimmig, dass es Ulrich Hardt als Pfarrer haben wollte.

Zwei, drei gebe es freilich schon im Ort, denen das gar nicht recht sei, und auch aus den Nachbarpfarreien hat es ein paar kritische Töne gegeben. Aber das wollen die Kirchrüsselbacher aushalten. Deswegen tritt der gesamte Kirchenvorstand wieder zur Wahl an. Als Zeichen, dass sie zu ihrem Pfarrer stehen.

Im Wohnzimmer des blassrosa Pfarrhauses, das wohl irgendwann in den 60er Jahren gebaut wurde, baumelt noch die nackte Glühbirne von der Decke. Bilder fehlen, und der Apfelbaum mit der lila Schleife, den sie zum Einzug geschenkt bekommen haben, der wartet noch auf der Terrasse darauf, dass ihn jemand in den Garten pflanzt. Aber die Kartons sind alle ausgepackt, und Herr Lohse und Lütje fühlen sich auch schon daheim. Die zwei Kater haben Hardt und Wex von einer Reise an die Ostsee mitgebracht, und weil sie so große Loriot-Fans sind, heißen die Tiere wie Herr Lohse und der Bürgermeister aus "Papa ante portas".

"Die Leute hier sind nicht besonders progressiv, eher bodenständig", sagt Ulrich Hardt. Dass ihnen soviel Wohlwollen entgegenschlägt, führt er darauf zurück, dass sich die Menschen mit seiner Homosexualität auseinandersetzten. Sie wollten wissen, was ihr neuer Pfarrer für einer ist. In der Stadt dagegen, auch in Nürnberg, wo sie zuletzt gewohnt haben, da herrsche oft eine Pseudo-Toleranz. "Ich genieße es, wieder im Grünen zu sein", sagt Udo Wex. Er kommt aus der Nähe, aus Eckental, und seine Oma ist in Kirchrüsselbach aufgewachsen. Hardt stammt aus Schleswig-Holstein, und das kann er auch nach mehr als 20 Jahren in Franken nicht verhehlen.

Er wollte wieder in eine Gemeinde, in den vergangenen zehn Jahren hatte er als Lehrer gearbeitet. Er hat sich auf verschiedene Stellen beworben, darunter auch Gemeinden, wo sie keinen schwulen Pfarrer haben wollten. Das hat ihn getroffen, sehr.

Nach dem Abi machte er ein Praktikum im Landesarchiv, weil er sich für Geschichte interessierte. "Da wäre ich eingestaubt", sagt er. Also studierte er Theologie. Als es nach dem Studium erstmal keine Stelle für ihn gab, füllte er ein Jahr lang an einem Fabrik-Fließband Floh-Shampoo für Hunde ab und führte einem alten Herrn den Haushalt. Dann machte er sein Vikariat in Flensburg und zog 1994 mit seiner Frau in deren fränkische Heimat nach Roßtal.

Ulrich Hardt war mal verheiratet. "Ich komme aus einer sehr engen Gemeinde", sagt er. Heirat, Kinder, so wurde es erwartet. So hat er es dann auch gemacht. Schwulsein? Gab es nicht. Erst mit 30 Jahren hat er sich geoutet und von seiner Frau getrennt, da war sein Sohn schon auf der Welt. Dem sei es früher peinlich gewesen, einen schwulen Vater zu haben, sagt Hardt, aber heute sei das Verhältnis gut.

Kennengelernt im Internetforum

Udo Wex, 41, ist Lehrer für Englisch und Französisch, und an der Schule wissen sie längst von seiner Homosexualität. Schwierigkeiten habe er nie gehabt. Vor zweieinhalb Jahren hat er Hardt in einem Internetforum angeschrieben. Da stand, dass der Glaube ein wichtiger Anker in seinem Leben sei, erzählt Wex, und dieser Satz habe ihn letztlich überzeugt.

Er ist selbst überzeugter Christ, gerade macht er eine Ausbildung zum Prädikanten, zum Laienprediger. Deswegen sagt er dem Uli auch mal, wenn der beim Segen mal die Arme komisch hält oder so. Weil er weiß, wie es geht. Und weil sich das ja sonst keiner dem Pfarrer sagen traut. In Kirchrüsselbach will er sich außerdem in die Jugendarbeit einbringen.

Den Männern ist es offenbar ernst miteinander - und mit ihrer Kirche. Wenn Ulrich Hardt jemand vorhält, dass die Bibel Homosexualität verbiete, dann erwidert er, dass das auch für Blutwurst und das Tragen von gemischten Fasern gilt. Man müsse die Bibel im historischen Kontext sehen. "Es ist wichtig, dass wir die Bibel ernst nehmen, aber nicht wortwörtlich", sagt Hardt. "Die Bibel ist unsere Richtschnur, aber kein Gesetzeskorsett", sagt Wex. Dass ihre Liebe eine Sünde sein könnte, das fürchten sie nicht. "Sonst wäre die Logik, aus der Kirche auszutreten oder mir zumindest einen anderen Job zu suchen", sagt Hardt.

Danach sieht es nicht aus. Nächstes Wochenende ist Kirchweih in Rüsselbach, da wird der Gottesdienst im Festzelt gefeiert. Vom Rüsselbacher Pfarrer. Ganz normal.

© SZ vom 14.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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