Haussegen im Märchenschloss hängt schief:Intrigantenschloss Neuschwanstein

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Hinter der romantischen Fassade von Schloss Neuschwanstein sollen sich üble Geschichten abspielen: Die Rede ist von Mobbing, Willkürherrschaft und lautstarken Auseinandersetzungen. Die Kritik der Schloss-Bediensteten richtet sich vor allem gegen ihren neuen Dienststellenleiter.

Stefan Mayr

Sie haben zweifellos einen der schönsten Arbeitsplätze der Welt: Die 29 Angestellten im Schloss Neuschwanstein verdienen ihr Geld an einem Ort, den jährlich mehr als eine Million Touristen besuchen. Die meisten Mitarbeiter erachteten diese Tatsache als Privileg, doch neuerdings sind viele der Führer, Handwerker und Bürokräfte höchst frustriert.

Intrigen im Schloss: In Neuschwanstein hängt der Haussegen schief. (Foto: dpa)

Glaubt man ihren Berichten, spielen sich hinter der romantischen Fassade des Märchenschlosses üble Geschichten ab: Die Rede ist von Mobbing, Willkürherrschaft und tiefgreifenden Sparmaßnahmen, unter denen die Qualität der Schloss-Führungen stark leide.

Nach einigen öffentlichen Zwischenfällen fürchten langjährige Mitarbeiter nun um das Image des Schlosses sowie des Freistaates. In der Bayerischen Schlösserverwaltung sowie im zuständigen Finanzministerium sind die Probleme bestens bekannt; es gab bereits Krisensitzungen. Sogar von einem möglichen Streik ist die Rede.

Die Kritik der Schloss-Bediensteten richtet sich vor allem gegen ihren neuen Dienststellenleiter Hubert N. Der ist seit 2010 im Amt und hat etliche Änderungen eingeführt, die beim erfahrenen Personal Unmut ausgelöst haben.

Hat der 49-Jährige als Quasi-Nachfolger des einstigen Schlossherrn König Ludwig II. die Bodenhaftung verloren und regiert er deshalb selbst auf königliche Art? Oder ist er Opfer einer Intrige von Neidern, die verhindern wollen, dass alte Zöpfe abgeschnitten werden? Oder trifft beides zu?

N. hat jedenfalls keinen historischen oder baufachlichen Hintergrund, sondern war bisher als Finanzbeamter tätig. Seine Kritiker werfen ihm vor, er mobbe mehrere unliebsame Mitarbeiter und liefere sich auch mit Besuchern bizarre Auseinandersetzungen: So soll N. im Sommer eine spanische Fremdenführerin im Schloss öffentlich aus nächster Nähe angeschrien und weggeschubst haben, so dass die Frau in Tränen ausbrach.

Im Jahr 2010 soll er die Polizei gerufen haben, weil eine russische Besucherin bei einer Kontrolle mit einem Kinder-Freiticket angetroffen wurde. Obwohl die Frau sofort anbot, eine Erwachsenen-Karte zu kaufen, habe N. darauf bestanden, die Polizei im Schlosshof vorfahren zu lassen. "Solche Dinge sprechen sich herum, das ist doch verheerend für das Ansehen des Schlosses", sagt die langjährige Mitarbeiterin Annette Huber.

Ihren richtigen Namen will sie nicht veröffentlichen, weil sie um ihren Job fürchtet. Auch der örtliche Personalrat sagt aus Angst vor Kündigung nichts - und verweist auf den Bezirks-Personalrat in München. Dessen Vorsitzender Josef Binder äußerst sich ebenfalls nur sehr vorsichtig und verklausuliert: "Wir haben da oben ein Schloss von großer Bedeutung, da müssen wir Qualität bringen, ansonsten ist das schlecht für das Image Bayerns."

Immerhin bestätigt er: "Die Stimmung im Schloss ist nicht gut." Das Thema sei "sehr schwierig", es müsse etwas unternommen werden, "dass sich das Personal wieder wohlfühlt".

Im Zuge größerer Einsparmaßnahmen wurde im Schlossmuseum das Aufsichtspersonal gestrichen, es gibt keine Extra-Führungen für Rollstuhlfahrer mehr. Weil einige Schlossführer entlassen wurden, können die restlichen Führer in Stoßzeiten kaum mehr Pausen machen. "Manchmal fehlt sogar die Zeit, um zwischen zwei Runden auf die Toilette zu gehen", sagt Annette Huber. "In der Lohnabrechnung wurden die Pausenzeiten allerdings weiterhin abgezogen."

Laut Huber wurde ein junger Familienvater entlassen, weil angeblich seine Englischkenntnisse nicht ausreichten. Im Gegenzug sei aber ein 70-jähriger Rentner eingestellt worden, der noch viel schlechter Englisch spreche. In einer Führung soll er gesagt haben: "The king was found in Starnberg Lake drunken" - ihm zufolge wurde der König im Starnberger See also nicht ertrunken gefunden, sondern nur betrunken.

In der Belegschaft kursiert ein Foto, das eine Führungskraft in der Hauskapelle auf dem Betstuhl des Königs zeigt - mit gestrecktem Mittelfinger in Richtung Altar weisend. Zudem gibt es ein Foto vom Portal des Schlosses: In drei metallene Klingelschilder sind die Namen "Ludwig II", "Richard Wagner" und "Sisi" graviert.

Annette Huber findet das überhaupt nicht lustig: "Es gibt keinen Respekt mehr vor dem Gebäude und dem Erbe", sagt sie, "so wird alles zerstört." Die Fotos und Protokolle liegen auch Franz Pschierer, dem Staatssekretär im Finanzministerium aus dem nahen Mindelheim vor. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Zoff im Schloss, war aber am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Hubert N. schweigt zu den Vorwürfen, er verweist auf die Pressestelle der Schlösserverwaltung. Diese betont, dass der Schubser-Vorwurf unberechtigt sei, weil die Behauptung trotz mehrfacher Aufforderung "über Monate hinweg nie konkretisiert" wurde. Der Sachverhalt des Polizei-Alarms sei in der Verwaltung gar nicht bekannt. Generell sei die Zahl der Beschwerden "in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen", betont Bernd Schreiber, der Präsident der Schlösser-Verwaltung.

Schloss Neuschwanstein ist nicht nur ein Wahrzeichen Bayerns und Deutschlands, sondern auch die mit Abstand bedeutendste Sehenswürdigkeit im Freistaat. 2011 waren 1,4 Millionen Besucher da, der Eintrittspreis wurde von neun auf zwölf Euro erhöht. "Negative Mundpropaganda sollte der Freistaat vermeiden", sagt Bezirkspersonalrat Josef Binder.

Schlösser-Präsident Bernd Schreiber sieht dagegen keinerlei Handlungsbedarf: Die Verwaltung sei bislang "jedem nachprüfbaren Sachvortrag nachgegangen", dabei habe es "keinen einzigen Fall" gegeben, der Kritik am Schloss-Chef zulasse.

© SZ vom 23.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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