Gabriele Pauli:"Die CSU schottet sich vor neuen Ideen ab"

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Gabriele Pauli spricht über ihren Wahlkampf für die Freien Wähler, das Verhältnis zu Ministerpräsident Beckstein und der CSU.

M. Kolb

sueddeutsche.de: Frau Pauli, sind Sie schon verliebt in die Freien Wähler?

Sie hält an der Idee der "Ehe auf Zeit" fest und sieht die Vorbehalte der Freien Wähler überwunden: Die frühere CSU-Landrätin Gabriele Pauli. (Foto: Foto: ddp)

Gabriele Pauli: Wie bitte?

sueddeutsche.de: Sie haben im Frühjahr erklärt, dass es zwischen Ihnen und den Freien Wählern keine "Liebe auf den ersten Blick" war.

Pauli: Auf den zweiten Blick passt alles sehr gut. Anfangs gab es einige Vorbehalte, aber die sind weg. Ich bin beispielsweise heute den ganzen Tag auf Wahlkampftour rund um Altötting mit den Freien Wählern unterwegs und es ist herzlich von allen Seiten.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie die wertkonservativen Anhänger der Freien Wähler überzeugen? Viele erinnern sich noch an die Fotos mit den Latexhandschuhen und Ihre Idee der "Ehe auf Zeit".

Pauli: Es stimmt, anfangs gab es einige Bedenken - aber ich glaube, da hatten eher einige Angst um ihre Posten. Mir geht es aber nicht um Ämter, davon hatte ich in den letzten Jahren genug. Es ist doch in jeder Organisation ganz normal, dass es zwar 70 oder 80 Prozent Übereinstimmung gibt, aber ein Kandidat auch eigene Vorstellungen hat. Es ist ja keine Kaderpartei.

sueddeutsche.de: Und was ist mit der Sieben-Jahre-Ehe?

Pauli: Wenn ich die Idee erläutere, dann verstehen die Menschen dies. Es ist nun mal eine Tatsache: Viele Ehen werden nicht mehr gelebt - das ist etwas Schönes und Romantisches, wenn ein Paar eine Ehe nicht als Automatismus sieht, sondern sie immer wieder erneuert. Das kann sehr bereichernd sein. Ich glaube, mein Vorschlag, eine Ehe nach einigen Jahren immer wieder aktiv zu verlängern, kann dazu beitragen, dass Ehen wieder ehrlicher gelebt werden.

sueddeutsche.de: Wie eng ist der Kontakt zu Hubert Aiwanger? Der Chef der Freien Wähler war nicht begeistert über Ihre Kandidatur.

Pauli: Es gibt keine regelmäßigen Treffen. Wir haben auch nicht den Freistaat aufgeteilt: Wir machen beide alle Themen in allen Regionen und entfalten uns beide voll für die Freien Wähler.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie Ihren CSU-Gegenkandidaten Günther Beckstein in Nürnberg schlagen? Anders als der Ministerpräsident können Sie ja nicht die Spieler des FC Bayern zum Fototermin einladen oder vor der Wahl Investitionsprogramme verkünden.

Pauli: Es geht für mich nicht gegen eine bestimmte Person, sondern ich setze mich für neue Inhalte ein. In der CSU war das nicht möglich, da herrscht eine totale Linientreue - ebenso wie bei vielen staatlich besetzten Stellen im Freistaat Bayern. Ich möchte mehr Offenheit in der Politik und wünsche mir, dass auch andere Meinungen akzeptiert werden. Aber mir ist schon klar, dass Amtsinhaber mehr Möglichkeiten zur Darstellung haben. Ich setze nicht auf Werbeaufwand, sondern auf die Kraft der Überzeugung.

sueddeutsche.de: Wie ist Ihre Beziehung zu Beckstein? Einst hat er zwischen Ihnen und Stoiber vermittelt, doch auf dem Parteitag im September nannte er Sie einen "Fall für den Psychiater". Ist der Streit ausgeräumt?

Pauli: Eineinhalb Wochen nach dem Psychiaterspruch auf dem Parteitag gab es ein Gespräch. Beckstein sagt, er habe nur andere Meinungen wiedergegeben. Aber wir haben auch über Inhalte geredet. Ich habe gesagt, dass ich Politik für die Menschen ganzheitlich sehe. Das heißt, dass Politiker nicht in ihre Programme Werte und Regeln schreiben, wovon sie selbst nicht überzeugt sind, weil sie danach nicht leben. Die Freiheit vieler Bürger wird mehr und mehr eingeschränkt. Ihnen wird die Verantwortung Schritt für Schritt genommen, der Staat erfasst persönliche Daten, die Überwachung wird angeblich wegen unserer Sicherheit immer größer. Politik beachtet kaum, ob Menschen wirklich glücklich mit diesen Entwicklungen sind. Das hat Beckstein nicht verstanden und erklärt: "Für das Glück der Menschen sind wir nicht verantwortlich". Ich halte das aber für sehr wichtig, gerade weil die CSU entgegen ihren Beteuerungen Freiheiten mehr und mehr begrenzt.

sueddeutsche.de: Haben Sie ihn getroffen, seitdem Sie Ihre Kandidatur im Wahlkreis Nürnberg Nord bekannt gegeben haben?

Pauli: Nein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welchen Fragen Gabriele Pauli Volksbefragungen durchführen will.

Gabriele Pauli gründet eigene Partei
:Dritte Wahl

Für die CSU war sie Landrätin, für die Freien Wähler saß sie im Landtag. Nach dem Scheitern bei der Europawahl hat Gabriele Pauli eine eigene Partei gegründet. Eine Karriere in Bildern.

sueddeutsche.de: Auf Ihrer Website findet sich der Hinweis "In Kürze können Sie hier das neue Programm von Gabriele Pauli herunterladen." Wann kommt es und was steht drin?

2007 trafen sie sich bei der "Fastnacht in Franken", nun treten sie in Nürnberg gegeneinander an: Gabriele Pauli und Günther Beckstein (Foto: Foto: AP)

Pauli: Ich habe erst heute Nacht daran gearbeitet, es kommt bald auf meine Internet-Seite. Das wird kein komplettes Programm. Die Basis sind die Leitlinien der Freien Wähler, aber ich werde eigene Ideen präsentieren.

sueddeutsche.de: Auf diese Ideen sind wir aber gespannt.

Pauli: Ich wünsche mir einen anderen Stil, der die Potentiale unserer Bürger nutzt. Edmund Stoiber hat nach der letzten Wahl eigenmächtig agiert und überhastete Reformen in der Schulpolitik, bei der Polizei und in der Verwaltung durchgesetzt, ohne mit den betroffenen Gruppen zu reden. Gerade bei der Schulreform wird bis heute nachgebessert, ebenso beim Rauchverbot. Hier wird unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes stärker eingegriffen als nötig - vor allem wenn zugleich die Einnahmen der Tabaksteuer dazu genutzt werden, um den Staatshaushalt zu sanieren. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass künftig bei solchen Themen, die die Freiheitsrechte der Bürger berühren, Volksbefragungen durchgeführt werden.

sueddeutsche.de: Sie wollen Plebiszite einführen?

Pauli: Ja. Ich sage nicht, dass die bindend sein müssen, der Landtag könnte das theoretisch überstimmen, doch das würden sich die Abgeordneten gar nicht trauen. Volksbefragungen würden die politische Kultur verändern. Ich habe den Eindruck, die CSU schottet sich vor neuen Ideen ab. Sie schmort lieber im eigenen Saft, als Impulse von außen anzunehmen. Das ist die Schwäche der CSU heute: Sie hat keine guten Argumente mehr. Wer inhaltlich überzeugen kann, der muss nicht auf persönliche Angriffe bauen oder mit Bespitzelungen und Dossiers kritische Parteimitglieder zum Schweigen bringen. Es ist ein Zeichen der Ohnmacht.

Auf Seite 3: So macht Gabriele Pauli Wahlkampf für die Freien Wähler.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich an der Ausarbeitung des Wahlprogramms der Freien Wähler beteiligt? Familienpolitik sollte eines Ihrer Themen sein.

Pauli: Ich habe jetzt nicht an den einzelnen Formulierungen mitgeschrieben, aber wir haben unsere Vorstellungen und Ideen verglichen und es gab große Übereinstimmung.

sueddeutsche.de: Wie machen Sie eigentlich Wahlkampf, Frau Pauli? Verteilen Sie in Nürnberg Handzettel und stehen hinter einem Infostand?

Pauli: Nein, ich mache in ganz Bayern Wahlkampf und trete etwa beim Volksfest in Karpfham auf. Es ist ja nicht so, dass man mit meinem Namen nichts anfangen kann. In Franken und rund um Nürnberg war ich als Landrätin schon vor der Stoiber-Affäre 18 Jahre lang engagiert und bekannt, da muss ich mich nicht mehr groß vorstellen. Ich glaube, die Menschen können gut einschätzen, wofür ich stehe. Dennoch bin ich auch in Mittelfranken bei Veranstaltungen präsent.

sueddeutsche.de: In Umfragen liegen die Freien Wähler bei sieben Prozent. Welches Ergebnis erwarten Sie am 28. September?

Pauli: So wie ich die Stimmung erlebe, überspringen wir auf alle Fälle die Fünf-Prozent-Hürde. Schwer zu sagen, wie viel es genau werden wird. Das beeinflusst meinen Wahlkampf auch nicht. Ich mag das Wort "Wahlkampf" gar nicht. Es geht doch eher darum, sich einzumischen und für Argumente zu werben. Es ist ein lohnendes Ziel, die Freien Wähler in den Landtag zu führen und dadurch für mehr Offenheit im Freistaat zu sorgen. Die Freien Wähler sind ja keine normale Partei mit geschliffenen Politikern, sondern hier sitzt der gesunde Menschenverstand, der gebraucht wird.

sueddeutsche: Sie werden Ihren gesunden Menschenverstand als Abgeordnete im Maximilianeum einbringen?

Pauli: Es ist in Ordnung - egal, wie es für mich persönlich ausgeht. Jetzt stecke ich voll im Wahlkampf und in fünfeineinhalb Wochen wird man sehen, ob es reicht.

sueddeutsche.de: Wenn es nichts wird mit dem Landtag, gehen Sie dann in die Wirtschaft? Sie sprachen früher von einigen Angeboten.

Pauli: Das wäre eine Option, aber ich warte erst mal ab. Ich habe da keine Sorgen. Auf meiner Homepage steht nicht ohne Grund der Spruch aus dem Matthäus-Evangelium: "Seht die Vögel des Himmels: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?"

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