Freihandelsabkommen TTIP:Save the Bratwurst

Nürnberger Bratwurst

Die Nürnberger Rostbratwürste dürfen bisher nur innerhalb der Stadtgrenze hergestellt werden.

(Foto: dpa)
  • Durch das Freihandelsabkommen TTIP könnten die EU-Siegel für regionale Spezialitäten wegfallen.
  • Bayerische Schmankerl wie Bratwurst oder Brezn sind dadurch bedroht.

Aus der SZ-Redaktion

Darf der Oberpfälzer Karpfen künftig in amerikanischen Teichen schwimmen? Oder dürfen die labberigen Teiglinge namens "Pretzels", die in Senfsoße getunkt werden, bald allen Ernstes als "Bayerische Brezen" verkauft werden? Solche Befürchtungen wurden unter der Woche laut, als Bundesagrarminister Christian Schmidt von der CSU in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP die EU-Siegel für regionale Spezialitäten zur Debatte stellte. Bloß ned! Ein Überblick über die unbedingt schützenswerten bayerischen Schmankerln.

Hallertauer Hopfen

Mit einem inbrünstigen "Hopfen und Malz, Gott erhalt's!" beten die Bayern traditionell für den Schutz der Zutaten ihres geliebten Bieres. Derzeit dürfte diese fromme Bitte an den Stammtischen des Freistaates besonders eindringlich vorgetragen werden, denn TTIP könnte auch den berühmten Hallertauer Hopfen bedrohen. Ein Drittel der Weltproduktion kommt aus der Hallertau: 2014 wurden hier mehr als 30 000 Tonnen Hopfendolden geerntet, die zu 75 bis 200 Millionen Hektolitern Bier verarbeitet werden können. Der Großteil des Hopfens wird exportiert, Abnehmer finden sich in mehr als 100 Ländern, in Japan zum Beispiel, Australien oder den USA. Stolz werben die dortigen Brauereien mit dem Aroma des "grünen Goldes" aus Bayern. Noch. Denn vielleicht wächst der Hallertauer Hopfen künftig auch auf den Feldern des Mittleren Westens - im Schatten des Hop-Spangled-Banner.

Schwäbische Maultasche

Welch Gewissenskonflikt: Es ist kurz nach dem 30-jährigen Krieg, überall herrscht Hunger. Ausgerechnet in der Fastenzeit fällt einem Mönch aus dem Zisterzienserkloster Maulbronn ein Stück Fleisch in die Hände. Was tun? Er hackt das Fleisch, vermengt es mit Spinat, Zwiebeln, Brot - sollen seine Brüder es für Gemüsebrei halten. Auch den Augen des Herrn muss die Sünde verborgen bleiben, flux hüllt er die Masse in Nudelteig. Der Legende nach ist die Schwäbische Maultasche geboren, seit 2009 ist sie geschützt: Sie darf nur in Baden-Württemberg und Bayerisch-Schwaben hergestellt werden. Die Fleischwerke E. Zimmermann aus Thannhausen sind einer von zwei zugelassenen Produzenten in Bayern, jedes Jahr wird geprüft, ob sie nach den geschützten Rezepten produzieren und nicht etwa Trüffel aus dem Piemont in den "Herrgottsbscheißerle" verstecken. Am extravagantesten ist ohnehin die vegetarische Maultasche: Die hat mit dem Mythos so gar nichts gemein.

Abensberger Spargel

Wie froh waren doch die niederbayerischen Spargelbauern rund um Abensberg, als sie sich endlich mit dem Segen der EU von ihrer oberbayerischen Konkurrenz aus Schrobenhausen absetzen konnten. Aus ihrer Sicht betrachteten nämlich zu viele Verbraucher die Spargelfelder im sogenannten Sandgürtel zwischen Siegenburg, Neustadt an der Donau, Abensberg und Langquaid als Ausläufer des Schrobenhauser Anbaugebietes. Seit 2012 ist die regionale Herkunftsbezeichnung "Abensberger Qualitäts-Spargel" geschützt. Aber nun stellen örtliche Medien die bange Frage: "Darf sich Spargel aus den USA dann auch bald Abensberger Spargel nennen?" Beruhigend allein, dass in den USA zumeist grüner Spargel produziert wird. Der wächst zwar auch im Kreis Kelheim - aber dort dominiert eindeutig der weiße Spargel.

Allgäuer Emmentaler

Aus Sicht eines Geografen ist die Bezeichnung "Allgäuer Emmentaler" ja totaler Käse. Kommt er jetzt aus dem Allgäu oder aus dem Emmental? Nun ja, der Käse wurde im 19. Jahrhundert aus dem Kanton Bern nach Süddeutschland importiert. Inzwischen wurde er mit dem sehr strengen Prädikat "geschützte Ursprungsbezeichnung" (g.U.) versehen. Beim Allgäuer Käse müssen alle Rohstoffe aus dem Allgäu kommen, und er muss aus Rohmilch gefertigt werden. Wichtigstes Charakteristikum neben dem sagenhaften Geschmack: die leckeren Löcher, idealerweise in Kirschgröße. "Der Allgäuer Käse muss unbedingt geschützt werden", fordert der Oberallgäuer Ex-Landrat Gebhard Kaiser. Er muss es wissen. Er ist in einer Sennerei aufgewachsen und hat eine Lehre zum Käser abgeschlossen.

Oberpfälzer Karpfen

Kommt Karpfen-Konkurrenz aus den USA? Die feindliche Übernahme dürfte von langer Hand geplant sein: 1912 reisten Oberpfälzer Spiegelkarpfen auf der Titanic in die neue Welt. Ob die Passagiere vor der Kollision im Nordmeer noch Karpfen - blau oder gebacken - aßen, ist allerdings nicht überliefert. Die bayerischen Fischvermarkter jedenfalls bangen: Seit zwölf Jahren ist der Oberpfälzer Karpfen geschützt, Franken im Allgemeinen und Aischgrund im Besonderen zogen 2012 nach. Ob das hilft? Aus Amerika ist ernsthafte Konkurrenz anzunehmen - zumindest was das Marketing angeht. Einen Pinup-Kalender mit Karpfen gibt es zwar schon (allerdings aus Niedersachsen), doch die USA dürften diesen Jahresplaner locker vom Markt fegen. Supermodels rekeln sich leichtbekleidet den Fisch liebkosend im Wellensaum - der Karpfen wird in aller Munde sein. Rezepte inklusive.

Die Breze stammt aus Rom

Bayerisches Bier

"Bayern, des samma mir", reimt sich im Lied von Haindling auf die Zeile: "Bayern und das bayerische Bier." Damit ist im Grunde alles gesagt über das Grundnahrungsmittel im Freistaat. Die Eckdaten vom ersten gebrauten Bier in Weihenstephan im Jahr 725 bis zum legendären Reinheitsgebot von 1516, wonach "zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen", gehören zum bayerischen Kulturgut. Nur was so innerhalb der bayerischen Grenzen gebraut wurde, wird von der EU als "bayerisches Bier" geschützt. Weltläufig, wie die Europapolitiker sind, machen sie zugleich Rezeptvorschläge, was mit Bier noch alles geht: "Bockbier-Tiramisu" etwa. Oder "Meerwolf mit dunklem Balsamico-Pils-Dressing". Es gibt kein Reinheitsgebot, das so etwas verhindern würde.

Bayerische Breze

Auch wenn die Bayern das nicht gerne hören: Die Breze ist keine bayerische Erfindung. Das Laugengebäck hat seinen Ursprung in einem Ringbrot, das bereits im antiken Rom bekannt war. Wie daraus die charakteristische Form mit den gekreuzten Ärmchen entstanden ist - das Wort "Breze" leitet sich vom lateinischen "brachium" (Arm) ab - darüber gibt es verschiedene Geschichten. Eine lautet, dass es sich dabei um die Darstellung der zum Gebet gekreuzten Arme eines Mönchs handelt. Eine andere erzählt vom Bäcker Frieder, der in Urach zum Tode verurteilt wurde. Frieder wurde dann aber doch verschont, weil es ihm gelang, ein Gebäck zu erfinden, durch das dreimal die Sonne scheinen kann. Unklar ist auch, wo bei der Breze oben und unten ist. Klar ist dagegen, dass sich die Bayern den Appetit auf ihr Nationalgebäck nicht einmal durch einen Aluminium-Skandal verderben lassen.

Bamberger Hörnla

Nein, gemeint sind nicht die gleichnamigen Butterhörnchen, die keine Croissants sind, sondern schlanker, aber das bei regelmäßigem Verzehr freilich nicht machen, weil der Buttergehalt mindestens 20 Prozent betragen muss. Es geht um Kartoffeln, kleine krumme wunderbar wohlschmeckende Erdäpfel, die rund um Bamberg angebaut werden. Schön fest sind sie und ein bisschen nussig und lassen sich zu einem herrlichen Kartoffelsalat verarbeiten oder einfach so verspeisen. Konkurrenz aus Übersee ist nicht zu befürchten. Der Anbau ist mühsam, der Ertrag niedrig und maschinell lassen sich die Kartoffeln nicht ernten. Ein Liebhaberprodukt also, das so gar nicht zum Gigantismus der US-Lebensmittelindustrie passt. Wer Hörnla will, braucht fränkischen Langmut.

Nürnberger Bratwürste

Ob Drei im Weckla oder Sechs auf Kraut bleibt alleine dem Geschmack überlassen, aber wo die Würstchen, die höchstens neun Zentimeter lang sein dürfen, hergestellt werden, ist streng geregelt. Die Nürnberger Rostbratwürste unterliegen dem geografischen Herkunftsschutz, sie dürfen also nur innerhalb der Stadtgrenze hergestellt werden, auch wenn die Sau in der Wurst aus Dänemark kommen darf und der Schafsdarm, in den sie - zerkleinert und gewürzt - gepresst wird, gerne aus Iran. Verkauft werden die Würstchen längst in alle Welt. Gemacht werden die allermeisten davon in Fabriken. Aber die, die stehen immerhin noch in Nürnberg.

Nürnberger Lebkuchen

Nürnberger Lebkuchen aus USA? Kein Thema, das passt so. Was an der ortstypischen Aussprache liegt, die der Amerikaner besser hinbekommt als der, sagen wir, Augsburger. Lebkohen ist der örtliche Terminus technicus, wie er in Sichtweite des Christkinds (noch so eine Marke, die mit TTIP endlich mal fallen muss) über den Nürnberger Budentisch geht. Um Assimilation bemühte Amerikaner tun sich da jetzt schon leicht: Es gibt da ja diesen Liedermacher, einen gewissen Cohen, der ist mit dem zweiten Teil des Nürnberger Begriffs wortidentisch. Und das "Leb" werden sie in LA wohl auch noch hinbekommen. Dann einfach Mehl, Eier, Rohrzucker und Haselnüsse in den Mixer, dazu Waldhonig fürs Aroma - was soll man sagen: Daran dürfte es nicht scheitern. Gut: Die Vokabel Närmbercher, die werden sie noch bisschen trainieren müssen, unsere neuen Bäcker.

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