FDP in Bayern:Plauderstunde an der blau-gelben Hüpfburg

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Vorbild Guidomobil: Die FDP tourt mit einem gelben Bus durch Bayern - von den Bürgern erntet sie dafür Spott und Häme.

Olaf Przybilla

Wolfgang Weigert hat bei der Bundestagswahl zum ersten Mal in seinem Leben FDP gewählt, 67 Jahre alt war er da. Nun steht er in der Nürnberger Fußgängerzone am Stand der bayerischen FDP, es ist die 33. Station der liberalen Sommertour quer durch den Freistaat, und Weigert nutzt die Gelegenheit, um Grundsätzliches loszuwerden. "Noch mal wähl' ich euch bestimmt nicht", schimpft er.

2002 präsentierte Westerwelle sein "Guidomobil". Nun macht es ihm die FDP in Bayern nach. (Foto: AP)

Warum? Versteht man das richtig, dann spielen in Weigerts Antwort nicht eingehaltene Versprechungen eine wesentliche Rolle, bald fallen auch die Namen Brüderle und Westerwelle, den Namen von Katja Hessel dagegen hört man nicht. Das ist die Staatssekretärin im bayerischen Wirtschaftsministerium, wird der Nürnberger Weigert aufgeklärt, sozusagen "seine" FDP-Abgeordnete aus Nürnberg. Da drüben bei der blau-gelben Hüpfburg stehe sie. Weigert, er war früher selbständiger Unternehmer, hat sie noch nie gesehen.

Drei Wochen lang tourt der gelbe Bus durch Bayern. Noch bis zum 5. August will die FDP-Landtagsfraktion mit Wählern ins Gespräch kommen, bereit gehalten werden Luftballons und die Broschüre "Liberale Erfolge in Bayern". Nicht über, sondern mit den Menschen wolle man reden, erklärt der Fraktionschef Thomas Hacker. Das aber scheint für die Liberalen zwei Jahre nach der Landtagswahl nicht immer ganz unproblematisch zu sein. Jedenfalls ist die Zahl derer, die auf ein FDP-Gesprächsangebot mit "heiße Luft, genau wie in euren Luftballons" reagieren oder mit kaum charmanteren Varianten, deutlich in der Mehrheit an diesem Vormittag in Nürnberg.

14,7 Prozent der bayerischen Wähler haben bei der Bundestagswahl der FDP ihre Stimme gegeben, es war ein Fest, sagt Stefan Schweiger, der für Nürnbergs FDP seit 25 Jahren Mitglieder betreut. Danach ging es bergab, und würde man heute noch die Hälfte der Stimmen bekommen, dürfte das schon als Erfolg gelten. Schweiger ist 82 Jahre alt, seit 1946 ist er Parteimitglied. Manches hat er mitgemacht, ein solches Wechselbad der Gefühle noch nicht. Dieser Vormittag aber in Nürnberg macht ihm Hoffnung: Nur einmal wird er beschimpft, sogar mit dem Sarkasmus der Passanten hält es sich in Grenzen. "Ich hätte Schlimmeres erwartet", sagt Schweiger. Warum? "Die Erwartungen bei unseren Wählern waren riesig." Es gab Wochen vor und nach der Landtagswahl, da hat Schweiger jeden Tag neue FDP-Mitglieder begrüßen dürfen, in einer historischen Arbeiterstadt wie Nürnberg hatte er das nicht mehr zu träumen gewagt. Nun schrumpft die Zahl der Mitglieder wieder, aber ihre Zahl nimmt deutlich weniger rasant ab als die Zustimmung der Wähler: Wer einmal in die bayerische FDP eingetreten ist, glaubt Schweiger, "der weiß mit Enttäuschungen einigermaßen routiniert umzugehen".

Am Stand verteilt Katja Hessel, die FDP-Staatssekretärin, Bonbons und Broschüren. Dass sie so gut wie nicht erkannt wird an diesem Vormittag, scheint sie wenig zu kümmern. Ihre Ernennung zu einem Regierungsmitglied im Kabinett Seehofer kam auch für sie "völlig überraschend", sagt sie. Für andere offenbar auch: Kurz nach ihrer Berufung bekam sie eine Einladung von Unternehmern aus Nürnberg. Man glaubte ihr "Grundsätzliches über Nürnberg" erklären zu müssen - ihr, der Nürnbergerin. Dass der Ministerpräsident ihr eine Südamerika-Reise zu untersagen versuchte, wegen einer Kabinettssitzung, hat Hessel deutlich bekannter gemacht. Prominent aber, das gibt die 38-Jährige unumwunden zu, ist sie auch weiterhin nicht, auch in ihrer Heimatstadt nicht. Immerhin: Herr Weigert, der FDP-Erstwähler aus Nürnberg, wird sie künftig erkennen.

© SZ vom 03.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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