Fall Guttenberg:Jura-Professoren sollen früh von Plagiat gewusst haben

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Die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit zwang CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg zum Rücktritt. Doch offenbar waren die Fehler in seiner Arbeit schon seit Längerem mehreren renommierten Wissenschaftlern bekannt. Sie verfolgten den Fall aber nicht weiter. In der CSU wächst derweil die Kritik am Verhalten Guttenbergs.

Alles begann mit einem Google-Treffer: Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano brachte die Plagiatsaffäre ins Rollen - als er eine Rezension über die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg schreiben wollte, stieß er auf "dreiste Plagiate" und wendete sich mit seinen Vorwürfen an die Süddeutsche Zeitung.

Wieder Wirbel um Karl-Theodor zu Guttenberg: Zwei Professoren sollen von seiner unsauberen Arbeitsweise gewusst haben. (Foto: dapd)

Die Affäre kostete den Verteidigungsminister bald den Job. Und sie führte zu einer Krise in der Wissenschaft: Wie viel ist ein Doktortitel noch wert, wenn die Prüfer derartige Fehler übersehen? Nun berichtet die Welt am Sonntag, Fischer-Lescano sei nicht der erste Jura-Professor gewesen, der von dem Plagiat gewusst habe. Demnach war die unsaubere Arbeitsweise Guttenbergs zuvor schon mindestens zwei Jura-Professoren bekannt gewesen. Sie verfolgten den Fall aber offenbar nicht weiter.

Der Doktorand Michael S. hatte bereits einen Aufsatz über die unsaubere Übernahme von Zitaten in Guttenbergs Arbeit verfasst. Das ist bekannt. Die Welt am Sonntag berichtet nun, er habe diesen Aufsatz auch dem renommierten Jura-Professor Bodo Pieroth gezeigt. "Ich hatte ihn bestärkt, einen kleinen Artikel darüber zu schreiben und zu veröffentlichen, weil solch ein Anstoß ja auch für den wissenschaftlichen Diskurs sehr wichtig ist", sagte Pieroth nun der Zeitung. Als S. seinen Aufsatz in der Schublade verschwinden habe lassen, habe er das Thema aber aus den Augen verloren. "Die übernommenen Stellen waren in ihrem Umfang damals noch nicht absehbar."

Pieroth sei aber nicht der Einzige, der dem Verdacht nicht weiter nachgegangen ist, heißt es weiter. Auch der Berliner Professor Ingolf Pernice habe den Aufsatz gekannt. Er habe mit seinem Doktoranden gesprochen und ihm gesagt, er solle das Ganze an den Ethikrat der Universität Bayreuth weiterleiten, wo Guttenberg promoviert hat. Aber auch Pernice verfolgte die Sache nicht weiter, berichtet die Welt am Sonntag. Nach Informationen der Zeitung erfuhren damals noch mehr Wissenschaftler von den Vorwürfen.

Unklar ist derweil, ob Guttenberg nicht sowieso früher aufhören wollte: Ungeachtet der Plagiatsaffäre habe er als Verteidigungsminister nicht bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten wollen, soll Guttenberg laut Spiegel in seinem Interviewbuch "Vorerst gescheitert" offenbaren. "Ich habe der Bundeskanzlerin Ende letzten Jahres angekündigt, dass ich wahrscheinlich vor Ende der Legislaturperiode aufhören werde", so Guttenberg.

Widerstand in der CSU wächst

Derweil verdichten sich die Anzeichen für sein politisches Comeback - doch in der CSU wächst der Widerstand gegen ihren einstigen Hoffnungsträger. CSU-Parteichef Horst Seehofer hat in den vergangenen Tagen seinen Unwillen über den früheren Polistar und dessen Inszenierung offen gezeigt. Nun legte er nach: "Wenn Karl-Theodor zu Guttenberg die Regierung wegen der Euro-Rettung kritisiert, darf ich ihn daran erinnern, dass er bis vor acht Monaten als Bundesminister Teil dieser Regierung war und diese Maßnahmen mit vertreten hat", sagte CSU-Chef Seehofer dem Spiegel.

Das gelte auch für Guttenbergs Parteienschelte: "Wenn er jetzt den Kurs der CSU kritisiert, darf ich ihn daran erinnern, dass er bis vor acht Monaten Bezirksvorsitzender dieser CSU war, das ist eines der höchsten Ämter, die diese Partei zu vergeben hat." Seehofer soll zudem nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung bereits am Rande des Treffens der Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend keinen Zweifel daran gelassen haben, dass er eine Rückkehr des 39-Jährigen in eine führende politische Funktion mit Mandat der CSU ausschließe.

Und auch in Guttenbergs oberfränkischer Heimat bröckelt der Rückhalt. Der Kulmbacher CSU-Kreisvorsitzende Henry Schramm sagte der F.A.S.: "Es ist gut, wenn man denjenigen, von dem man getragen wird, auch mag." Schramm wollte sich noch nicht festlegen, ob man Guttenberg im Wahlkreis erneut als Kandidaten für die Bundestagswahl aufstellen sollte.

Lindner: "In der Sache ist das ja nicht völlig unberechtigt"

In der FDP stieß Guttenberg mit seiner Kritik am Erscheinungsbild der Union dagegen auf Verständnis. Generalsekretär Christian Lindner sagte am Sonntag im Bayerischen Fernsehen: "In der Sache ist das ja nicht völlig unberechtigt." So stelle sich die mittelständische Wirtschaft insbesondere bei der CDU angesichts der Mindestlohndebatte die Frage, ob diese Partei noch die "liberal-konservative Kraft" von früher sei.

Allerdings habe er sich sehr gewundert, wie Guttenberg "mit seiner eigenen Partei umgegangen ist", sagte Lindner weiter. "Die haben ihm in einer für Guttenberg sehr schweren Stunde die Treue gehalten, waren solidarisch." Und nun revanchiere sich der frühere Verteidigungsminister mit belehrenden und besserwisserischen Bemerkungen. Dies sei "eine große Stilunsicherheit".

Guttenberg hatte in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit unter anderem gesagt: "Die Union sitzt noch in der Mitte, aber sie ist dort lange nicht mehr so erkennbar, wie sie es sein könnte. Sie sitzt eben und steht nicht." Der ehemalige CSU-Spitzenpolitiker betonte ferner: "Ich bin zurzeit Mitglied einer Partei, die einen langen Weg zu gehen hat, um von der Abwärtsbewegung der sogenannten Volksparteien nicht ergriffen zu werden."

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