Fall Gustl Mollath:Fünf Wochen ohne Urteil weggesperrt

Mollath kommt aus Psychiatrie frei

Gustl Mollath nach seiner Freilassung aus der psychiatrischen Anstalt.

(Foto: David Ebener/dpa)

Kurz vor dem Wiederaufnahmeverfahren ist Mollaths Anwalt mit einem Klagegesuch gescheitert: Gegen einen Amtsrichter und einen Gutachter werden keine Ermittlungen eingeleitet. Ihnen wurde vorgeworfen, für Mollaths erste Klinikeinweisung verantwortlich zu sein.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Am 7. Juli beginnt das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Gustl Mollath. Am Landgericht Regensburg wird sich der 57-Jährige dann erneut wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten müssen. Die Hoffnung Mollaths, dass sich in der Folge seines Falls - er war siebeneinhalb Jahre gegen seinen Willen in der Forensischen Psychiatrie eingesperrt - auch andere vor Gericht verantworten müssen, sind knapp zwei Wochen vor Verhandlungsbeginn zerstoben. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat ein von Mollaths Anwalt Gerhard Strate eingereichtes Klageerzwingungsgesuch abgelehnt.

Es bleibt also dabei: Gegen einen Nürnberger Amtsrichter und einen Bayreuther Gutachter und Chefarzt werden keine Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung eingeleitet. Strate hatte beiden vorgeworfen, Mollath 2005 ohne rechtskräftiges Urteil fünf Wochen lang gegen seinen Willen in der geschlossenen Psychiatrie festgehalten und damit bewusst gegen höchstrichterliche Vorgaben verstoßen zu haben.

Die Begründung des OLG lässt indes aufhorchen. Zwar werde im Antrag behauptet, dass sowohl der Richter als auch der leitende Klinikpsychiater die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesgerichtshofes "gekannt und bewusst missachtet" hätten. Der Anwalt belege seine Behauptung einer "angeblichen Kenntnis" allerdings lediglich mit der "vielfachen Veröffentlichung und Kommentierung dieser beiden Entscheidungen".

Damit sei das Wissen um die höchstrichterlichen Vorgaben freilich nicht bewiesen, sondern lediglich unterstellt. Und somit würden keine Umstände "unter Beweis gestellt, aus denen ein wissentliches und willentliches Handeln" des Richters und des Chefarztes geschlossen werden könne.

Eine Totalüberwachung ist unzulässig

Laut zweier Grundsatzentscheidungen der beiden höchsten deutschen Gerichte aus den Jahren 2001 und 2002 darf ein Beschuldigter nur dann für längere Zeit während eines Verfahrens zur Beobachtung in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden, wenn er dem zustimmt. Eine Totalüberwachung mit dem Ziel, neue Erkenntnisse für das laufende Verfahren zu gewinnen, ist demnach unzulässig.

Die jahrelange Unterbringung Mollaths bis in den August 2013 beruhte auf einer Entscheidung des Landgerichts Nürnberg von 2006. Mehr als ein Jahr zuvor war Mollath bereits gegen seinen Willen für fünf Wochen im Bezirksklinikum Bayreuth untergebracht worden, in einer Zeit also, in der das Verfahren gegen ihn noch lief.

Strate interpretierte dies als verbotene Vernehmungsmethode, als Aussageerzwingungshaft, die allein dem Ziel gedient habe, Mollath mürbe zu machen und zur Aufgabe seiner Verweigerungshaltung zu bewegen. Die Staatsanwaltschaft war dieser Ansicht allerdings nicht gefolgt. Auch die Generalstaatsanwaltschaft hatte Ermittlungen abgelehnt. Gegen diese Entscheidungen hatte Strate den Antrag auf Klageerzwingung beim OLG gestellt. Ohne Erfolg.

Der Anwalt kommentiert dies sarkastisch. Die Existenz und Veröffentlichung von Entscheidungen der höchsten Gerichte belegten offenbar "noch lange nicht, dass ein bayerischer Amtsrichter und ein Psychiater in einem bayerischen Bezirkskrankenhaus von ihnen Kenntnis" habe. Dazu bedürfe es erst gesonderter Beweise. Ein "kläglicheres Armutszeugnis" habe das OLG den beiden Beschuldigten gar nicht ausstellen können, sagt Strate.

Im April hatte die Münchner Generalstaatsanwaltschaft entschieden, gegen keinen Beteiligten im Fall Mollath Ermittlungen einzuleiten. Insgesamt gebe es keine Veranlassung, gegen Richter, Staatsanwälte, Gutachter, Ärzte, die frühere Frau Mollaths oder Verantwortliche der Hypo-Vereinsbank zu ermitteln.

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