Einbruchserie:Angst in Aschaffenburg

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Die Täter kommen immer sonntags: Innerhalb eines Monats dringen in Anschaffenburg Einbrecher in zwei Wohnhäuser ein und misshandeln die Bewohner brutal. Die Anwohner sind stark verunsichert.

Olaf Przybilla

Im Fernsehen läuft gerade der Sonntagskrimi, eine Geschichte der Kommissarin Lund. Es ist kurz vor Mitternacht und Peter Michaelis (Name geändert) macht kein Geheimnis daraus, dass er und seine Lebensgefährtin in diesem Moment zu Hause sind. Vom Garten aus, sagt Michaelis, müsste man das deutlich gesehen haben.

In der Aschaffenburger Vogelsbergstraße wurde ein Paar von einer Gang überfallen, während es in der Wohnung fernsah. In der Nähe haben zuvor möglicherweise dieselben Täter eine schlafende Familie überfallen, danach geschlagen und gefesselt. Nun sind die Anwohner in Aschaffenburg stark verunsichert. (Foto: Daniel Peter)

Es geht dann alles sehr schnell in dem Einfamilienhaus in der Aschaffenburger Vogelsbergstraße: Über die Schiebetür zur Terrasse brechen drei Männer mit Sturmmasken in die Wohnung ein. Mit Messer und Handfeuerwaffen bedrohen sie den 47-Jährigen und seine Lebensgefährtin. Sie schlagen Michaelis, fesseln ihn und die Frau. Dann verlassen sie die Wohnung über den Garten, mit Schmuck und Geld im Wert von etlichen tausend Euro.

Vier Wochen zuvor ist eine Familie in der Floßhafenstraße, die nur wenige Autominuten von der Vogelsbergstraße entfernt ist, Opfer eines sehr ähnlichen Verbrechens geworden. In der Nacht verschaffte sich eine Gang Zutritt zu dem Einfamilienhaus in der Nähe des Aschaffenburger Jachthafens. Sie zerrten die beiden Ehepartner aus den Betten, auch die beiden volljährigen Kinder des Paares wurden nicht verschont. Auf den Familienvater schlugen die Männer solange ein, bis er ihnen den Schlüssel des Wohnungstresors gab. Auch der ältere der beiden Söhne wurde mit Schlägen malträtiert. Wie in der Vogelsbergstraße gelang es den Tätern, unerkannt zu entkommen.

Dass es dieselbe Gang war, die da zweimal hintereinander in Aschaffenburg zugeschlagen hat, können die Ermittler noch nicht mit Gewissheit sagen. Angesichts der Parallelen drängt sich der Verdacht aber auf: In beiden Fällen kommen die Einbrecher in der Nacht von Sonntag auf Montag. In der Vogelsbergstraße sind sie zu dritt, auch am Jachthafen zählt die Familie mindestens drei Täter.

In beiden Fällen spricht der Wortführer Deutsch mit osteuropäischem Akzent. Die Täter machen sich unkenntlich, am Hafen trägt der Chef der Gang - ein athletischer Typ mit kräftiger Figur - eine weiße Maske mit schwarzen Punkten und schwarze Turnschuhe. Bei beiden Überfällen werden die Opfer bedroht, geschlagen und gefesselt. Dass die Täter eines der beiden Opfer in der Vogelsbergstraße zusätzlich mit Spiritus übergossen haben und gedroht haben sollen, den Brennstoff anzuzünden, wollen die Ermittler so nicht bestätigen. Dementiert werden diese Informationen aber auch nicht.

Aschaffenburg gilt als eine wohlhabende Stadt, auf der Autobahn sind es kaum 25 Minuten bis ins Bankenviertel von Frankfurt, dort wird das Geld verdient. Raubüberfälle sind im Rhein-Main-Gebiet keine so außergewöhnliche Sache, diese besondere Art von Verbrechen allerdings, sagen Ermittler, sei ihnen bislang so noch nicht bekannt gewesen. Das gilt für die "brutale Kaltblütigkeit", mit der die Täter vorgehen. Das gilt vor allem aber für die Tatsache, dass es die Täter offenkundig regelrecht darauf anlegen, Bewohner in ihren Wohnungen anzutreffen. "Sie nehmen damit jede Form der Eskalation in Kauf", sagt ein Ermittler.

Paradoxe Situation

Für die Kriminalpolizei in Aschaffenburg ist die Situation paradox: Allein in den Monaten Oktober und November waren Aschaffenburger Bürger sieben Mal eingeladen, sich zum Thema "Einbrecherschutz" zu informieren. Doch seit den beiden Einbrüchen trügen die Vorschläge zur Verbrechensvorbeugung kaum noch zur Beruhigung bei, sagt eine Anwohnerin in der Vogelsbergstraße. Die Polizei rät beispielsweise, die Wohnung nie ganz unbeleuchtet zu lassen. In der Vogelsbergstraße aber scheint es so gewesen zu sein, als habe das Licht die Verbrecher eher angelockt als abgeschreckt.

Von großer Verunsicherung berichtet auch ein Vertreter des Weißen Rings in Aschaffenburg. "Weil keiner weiß, ob das jetzt alles gewesen ist. Und weil keiner weiß, was die Herrschaften noch in Kauf nehmen bei ihren Raubzügen", sagt der Mann von der Opferschutz-Organisation. Die Betroffenen seien regelrecht traumatisiert. "Die Wohnung ist der intimste Bereich des Menschen. Wenn dieser Bereich verletzt wird, dann müssen die Opfer erst einmal wieder zurück finden in ihre eigene Wohnung."

Wer sich umhört in der Gegend rund um den Vogelsberg, spürt die Unruhe. Ihre Nachbarn, erzählt eine Anwohnerin, haben gerade die Handwerker im Haus, das Schloss der Haustüre soll ausgetauscht werden. Auch Alarmanlagen sind jetzt viel gefragt in Aschaffenburg. "Aber schaltet man die ein, wenn man selbst zu Hause ist?", fragt Peter Michaelis. Er lässt die Frage unbeantwortet.

© SZ vom 04.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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