Dubiose Anlageberatung:Teures Geschenk für eine unbekannte Frau

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Ein alter Mann gewinnt 125.000 Euro im Lotto. Sein Vermögen überschreibt er anschließend ausgerechnet der Frau seines Bankberaters. Die Kinder wundern sich und schalten die Polizei ein.

Heiner Effern

Vielleicht hatte Fritz Gerling seine Ration Lebensglück schon aufgebraucht, als es zu Ende ging. Schließlich hatte er zweimal im Lotto gewonnen. Der 76 Jahre alte Mann aus dem Oberland starb einsam in einer Klinik, verbrachte die letzten Wochen und Tage verwirrt, teilweise ans Bett fixiert, ohne Kontakt zu seiner Familie. Ein trauriges Schicksal, aber kein Einzelfall. Doch der Todesfall von Fritz Gerling hat auch eine ungewöhnliche Seite: Sein Vermögen von etwa 200.000 Euro wäre um ein Haar bei einer Person gelandet, die zumindest aufhorchen lässt. Es ist ausgerechnet die Frau seines Bankberaters.

125.000 Euro hatte der Vater im Lotto gewonnen. Die Erben waren überrascht, dass er es einer ihnen völlig unbekannten Person überschrieben hatte. (Foto: ddp)

Fritz Gerling hatte den Kontakt zu seiner Frau und den Kindern Hans und Veronika schon lange abgebrochen ( alle Namen sind geändert). Trotzdem mussten sich die beiden Kinder als einzige Nachkommen um die Auflösung des Haushalts und die Beerdigung kümmern.

Sie sortierten Schriftstücke, öffneten noch zugeklebte Briefe, verschafften sich einen ersten Überblick. "Wir haben unseren Augen nicht getraut: Der Vater hat tatsächlich zum zweiten Mal im Lotto gewonnen", sagte Sohn Hans. Und zwar knapp 125.000 Euro. Vom ersten Gewinn hatte der Senior das Haus für die Familie gekauft. Diesmal hatte er das Geld angelegt.

Der Reichtum des Vaters kam überraschend, genauso jedoch die Erkenntnis: dass er all sein Geld einer unbekannten Person schenken wollte. Oder besser: bereits überschrieben hatte. "Am Anfang haben wir deswegen keinen Groll gehabt. Aber je mehr wir erfahren haben, desto klarer war: Da stimmt irgendwas nicht", sagte Hans Gerling. Mindestens einen Vertrag habe der Vater unterschrieben, als er wegen seiner Demenz schon nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei, vermuten jedenfalls die Kinder.

Ein gewiefter Erbschleicher in der kleinen Bankfiliale?

Noch misstrauischer wurden sie, als sich herausstellte, wer das ganze Geld des Vaters bekommen sollte: die Frau seines Bankberaters und Filialleiters in seinem Heimatort. Sie recherchierten weiter und eine Vermutung wurde immer konkreter, die bis heute an ihnen frisst: In der kleinen Bankfiliale, die ihren Vater betreut hatte, sitzt möglicherweise ein gewiefter Erbschleicher.

Im Oktober 2007 hatte Fritz Gerling zwei Verträge unterschrieben, mit denen er der Bankiersfrau knapp 140.000 Euro übertragen wollte - Geld, das bei der Bank seines Beraters angelegt war. Diese beiden Verträge lagen jedoch brach, der Filialleiter hatte sie nie unterschrieben und auch nicht ins interne Erfassungssystem der Bank eingespeist. Bei zwei externen Anlagen hatten der Banker und seine Frau schon Fakten geschaffen: einem Bausparvertrag und einem Aktiendepot.

In Summe handelte es sich um etwa 45.000 Euro. In beiden Fällen lag ein gültiger Vertrag zugunsten der Frau des Bankberaters vor. Für den Bausparvertrag mit Datum vom 7. Februar 2008, für das Depot mit Datum vom 8. August 2008, jeweils unterschrieben von Fritz Gerling und der Frau des Bankberaters. Als verantwortlicher Banker ist jeweils der Ehemann notiert.

Der letzte Vertrag vom August 2008 war alleine Grund genug für die beiden Kinder, die Polizei einzuschalten. Schließlich war ihr Vater keine drei Wochen nach der Unterschrift, am 26. August 2008, in die psychiatrische Abteilung einer Klinik eingewiesen worden. Diagnose unter anderem: Verdacht auf Alkoholabhängigkeit und Demenz, für die es möglicherweise schon seit einem Jahr Anzeichen gab. Sogar eine nächtliche Fixierung in der psychiatrischen Abteilung sei teilweise unumgänglich gewesen, heißt es in einem Schreiben der Klinik. Er starb etwa einen Monat später am 27. September.

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelte gegen den Bankier und seine Frau, stellte jedoch das Verfahren ein. Ein Betrug sei den Beschuldigten nicht mit zur Anklageerhebung nötiger Sicherheit nachzuweisen. Es dürfte nicht zu belegen sein, dass der Bankberater von der Demenz des Vaters wusste.

Trotz zweimaliger Beschwerde der beiden Kinder blieb es dabei. Da schon Ende 2007 ähnliche Verträge abgeschlossen worden seien, könne man nicht von einer Straftat, sondern nur von der Fortführung einer, gegebenenfalls unrühmlichen, gewohnten Geschäftspraxis sprechen, so der Tenor der Staatsanwaltschaft.

Für die Kinder bleiben einfach zu viele Fragen offen. Weil sie zum Beispiel erfahren hatten, dass ihr Vater offenbar schon im Herbst 2007 Probleme mit dem Gedächtnis hatte, als er die ersten Verträge unterschrieb. "Ich habe ihn damals bei einer Beerdigung getroffen. Ich war völlig perplex: Er hat mich nicht mehr erkannt. Dabei kennen wir uns schon seit 50 Jahren", sagt ein Freund von ihm der Süddeutschen Zeitung. Aber auch wegen eines Schreibens der Bausparkasse vom 19. September 2008, das ihr Vater nie mehr zu Gesicht bekommen hatte, wunderten sich die Kinder.

Dort wurde ein Vertrag zugunsten der Bankiersfrau bestätigt, der im Original mit dem Datum 7. Februar 2008 versehen ist. Warum kam die Bestätigung erst ein halbes Jahr später, als der Vater schon in die Psychiatrie eingewiesen worden war? Obwohl er den Vertrag schon sechs Monate vorher unterzeichnet hatte? Warum haben der Bankberater und seine Frau diejenigen Verträge nicht eingereicht, die durchs interne Kontrollsystem der Bank gemusst hätten? Inzwischen ist die Frau des Bankberaters von allen Verträgen zurückgetreten. Für die Kinder ist der Fall damit nicht abgeschlossen: "Wir wollen Gerechtigkeit und volle Aufklärung. So etwas darf nicht wieder vorkommen", sagt Hans Gerling.

Als Erstes versuchten die beiden Kinder, den Filialleiter direkt zur Rede zu stellen. Doch der, so Gerling, berief sich auf das Bankgeheimnis. Nun folgten Telefonate mit der Vorstandsetage der Bank. Der Filialleiter mache alles gerade rückgängig, soll es geheißen haben. Es gebe da noch Probleme mit einer Schenkungssteuer. In einem weiteren Gespräch soll von einem Vertrag über Stillschweigen die Rede gewesen sein. Und auch an Drohungen erinnert sich Hans Gerling.

Der Filialleiter und seine Frau reden über die Angelegenheit nicht, mit Journalisten ebenso wenig wie mit der Polizei. Der Vorstandsvorsitzende der Bank weist für sein Institut alle Vorwürfe zurück. Eine bankinterne Untersuchung habe "keine Ergebnisse erbracht, die der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft widersprechen". Auch ein unangemessenes Auftreten seiner Bank bei der Aufarbeitung des Streits sieht er nicht. "Über einen ,Stillhaltevertrag' ist mir nichts bekannt, ebensowenig waren wir nach meinen Informationen mit Problemen hinsichtlich Schenkungssteuer befasst", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Durfte sein Mitarbeiter als verantwortlicher Kundenbetreuer die Verträge zugunsten seiner Frau abzeichnen? Gibt es Grenzen für die Höhe einer Schenkung, die ein Familienmitglied eines Mitarbeiters annehmen darf? Wie oft kommen solche Fälle vor? Fragen, auf die der Chef der Bank nur pauschal antwortet: "In unseren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit unseren Mitarbeitern sind umfassende Regeln getroffen, die eine Annahme von Geschenken, Vorteilen oder sonstigen Gefälligkeiten von Kunden untersagen."

Im Übrigen könne man keine Regeln mit Mitarbeitern vereinbaren, welche die Privatsphäre Dritter beträfen. Gemeint ist wohl die Frau des Filialleiters. Ihr Mann berät derweil weiter Kunden.

© SZ vom 03.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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