Doppelmord von Notzing:"Wie eine Lokomotive, die ungebremst fährt"

Prozess wegen Doppelmord in Notzing

In Handschellen wird der Angeklagte Christoph W. in den Gerichtssaal geführt. Er leidet auch im Gefängnis unter heftigen Wutausbrüchen.

(Foto: dpa)

Gestanden hat der Angeklagte Christoph W. die Morde an den Eltern seiner Ex-Freundin bereits. Nun geht es um die Frage, ob er seine Strafe in der Psychiatrie oder im Gefängnis absitzen wird. Seine Nervenärztin zumindest hat schon alleine mit ihm Angst bekommen.

Von Annette Ramelsberger, Landshut

Der junge Mann hat gestanden. Es ist klar, was er getan hat. Nun geht es darum, ob er dafür auch verantwortlich ist. Und es geht um die Frage, ob er die kommende Jahre in der Psychiatrie sitzen wird oder lebenslang im Gefängnis. Der junge Mann heißt Christoph W., ist 21 Jahre alt und er hat im März vor einem Jahr in dem kleinen Dorf Notzing bei Erding die Eltern seiner ehemaligen Freundin erstochen - weil sich die junge Frau von ihm getrennt hatte.

Er ist in das Haus der Eltern eingedrungen, hat ihnen aufgelauert und sie dann nach einander massakriert. Als die sterbende Mutter ihn noch fragte: "Warum?", da antwortete er: "Weil ihr mir meine Frau genommen habt." So hat er das selbst bei der Polizei berichtet.

Ist so einer zurechnungsfähig? Der renommierte Psychiater Norbert Nedopil, der Christoph W. begutachtet hat, sagt: ja. Der junge Mann habe zwar eine psychische Störung, er sei narzisstisch und neige dazu, sich selbst zu bemitleiden. Aber er könne seine Taten steuern und deshalb auch für die Tötung der Eltern seiner ehemaligen Freundin verantwortlich gemacht werden. Folgt das Gericht Nedopil, dann kommt Christoph W. in Haft.

Ist so einer zurechnungsfähig? Seine behandelnde Nervenärztin aus der Justizvollzugsanstalt Straubing sagt: nein. Stefanie Richter heißt die Ärztin, sie ist 45 Jahre alt, klein, schmal, fast ähnelt sie ein wenig Christoph W.s früherer Freundin Cornelia R. Doktor Richter hat sich immer wieder lange mit Christoph W. unterhalten. "Raptus-artige Erregungszustände" hat sie an ihm festgestellt, er ritze sich an den Armen, er habe große Probleme, seine Impulsivität im Zaum zu halten.

Und die Ärztin berichtet von einem Vorfall am 13. September. An diesem Tag habe Christoph W. erfahren, dass der psychiatrische Gutachter Nedopil ihn für schuldfähig hält. Das bedeutet für ihn: nicht Psychiatrie, sondern Gefängnis. An diesem Tag, so erzählt die Ärztin vor dem Landgericht Landshut, habe Christoph W. nach ihr verlangt, doch sie sei nicht an ihn herangekommen. "Wie eine Lokomotive, die ungebremst fährt", sei er ihr vorgekommen, das Gesicht erstarrt, der Körper ganz steif. Sie habe Angst bekommen, so allein mit ihm in ihrem Arztzimmer, auch zwei Pfleger hätten ihn nicht beruhigen können.

Er sei in einen besonders gesicherten Haftraum gebracht worden. Über die Monitore hätten sie gesehen, wie er mit Händen, Füßen und dem Kopf gegen die Tür geschlagen habe, wie er mit dem Kopf gegen den Waschtisch gestoßen habe. Sie haben ihn dann mit fünf Gurten fixiert. Und selbst da habe er noch versucht, sich herauszuwinden, sagt die Ärztin. Sie glaube, dass der Angeklagte eine "gravierende Beeinträchtigung" habe.

Als der Vater sein Auto weggibt, rastet er aus

Am 25. Juli hat Christoph W. im Gefängnis erfahren, dass sein Vater beschlossen hatte, das nun von ihm ohnehin nicht mehr genutzte Auto der jüngeren Schwester zu geben. Das hat ihn so erregt, dass er wieder zu rasen begann. Wieder kam er in eine Einzelzelle, wieder musste er fixiert werden. Und er sagte darauf dem Anstaltspsychiater Gregor Groß, er wolle den Vater beim nächsten Treffen erschlagen. Wegen des Autos. Die Haftanstalt ordnete für den Besuch eine Trennscheibe an.

Richterin Gisela Geppert fragt den Anstaltspsychiater, ob er denn eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei Christoph W. sehe. Zumindest eine "ungewöhnliche Einengung des Verhaltens", sagt Groß. Man könne schon überlegen, ob der Paragraf 21 StGB gegeben sei - also Christoph W. nicht voll für die Tat verantwortlich gemacht werden könne.

Aber, fragt der Staatsanwalt, der Angeklagte sitze hier doch seit Wochen im Gerichtssaal, ruhig, beherrscht, obwohl er sich sehr negative Dinge anhören müsse. Wie sei denn das zu erklären, wenn er seine Impulse nicht steuern könne? Kurz: Spielt der Angeklagte seinen Ärzten etwas vor? Auch ehemalige Kollegen berichten, der junge Mann habe sich schon im Griff gehabt. Einmal habe er auf einer Baustelle einen Anschiss vom Vorarbeiter bekommen. Er habe zwar gegrummelt, aber sei nicht auffällig geworden.

Auch seine Chefin berichtet, sie habe ein Mitarbeitergespräch geführt - zunächst sei Christoph W. aufsässig gewesen, aber dann habe er sich zusammengerissen. Es sei ein vernünftiges Gespräch geworden. Diese Aussagen könnten dagegen sprechen, dass sich Christoph W. nicht im Griff hatte.

Der Gutachter Norbert Nedopil soll nun auf Wunsch des Landshuter Gerichts Stellung nehmen, ob doch der Paragraf 21 in Frage kommt - und Christoph W. möglicherweise ein Fall für die Psychiatrie und nicht für das Gefängnis ist.

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