Dillinger-Kriminalfall bei Aktenzeichen XY:Pokerspieler spurlos verschwunden

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Kadir Karabulut hatte eigentlich einen Handwerksberuf erlernt, aber schon seit Jahren verdiente er seinen Lebensunterhalt mit Pokern. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Kadir Karabulut aus Dillingen hat sein Hobby zum Beruf gemacht, er war viel unterwegs, bei Zockerabenden in Hinterzimmern, auf internationalen Turnieren. Dann war er plötzlich weg. Hat er sich abgesetzt wegen Geldproblemen? Oder ist er Opfer eines Verbrechens? Die Polizei rätselt.

Von Sabine Pusch

Wenn an diesem Mittwochabend die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY - ungelöst" ausgestrahlt wird, werden drei Beamte in der Telefonzentrale der Kriminalpolizei Dillingen sitzen. Sie werden sich anhören, was die Anrufer zu sagen haben und Hinweise direkt an die Kollegen weitergeben. Gesucht wird alles, was Aufschluss über den Verbleib des Profi-Pokerspielers Kadir Karabulut geben kann.

Seit dem 4. März 2013 ist der Schwabe mit türkischen Wurzeln spurlos verschwunden. Seitdem hat seine Familie nichts mehr von ihm gehört. Sein Neffe Mahmut Karabulut schaltet regelmäßig Suchaufrufe, die Polizei schrieb Vermisstenfahndungen aus und ging allen konkreten Hinweisen nach. Doch auch jetzt, ein halbes Jahr später, gibt es keine Spur von dem 41-Jährigen. "Die Ermittlungen verlaufen im Sand", sagt Artur Bihler, stellvertretender Leiter im Kommissariat für Tötungsdelikte. Man habe deshalb beschlossen, den Fall der Redaktion von "Aktenzeichen XY - ungelöst" anzubieten. Er könne sich zwar derzeit nicht vorstellen, dass die Ausstrahlung der Sendung viele neue Erkenntnisse hervorbringe, doch nutzen wolle man die Chance trotzdem. Seit dem Verschwinden von Kadir Karabulut gebe es zwei Thesen. "Entweder wurde er Opfer eines Verbrechens oder er hat sich abgesetzt."

Karabulut war erfolgreich mit dem, was er tat. Er hatte einen soliden Handwerksberuf erlernt, dann aber sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit Jahren verdiente er mit dem Pokern seinen Lebensunterhalt. Er pokerte online, nahm an internationalen Turnieren sowie an Pokerabenden in Hinterzimmern oder in extra dafür angemieteten Wohnungen teil. In Internetforen taucht sein Name immer wieder im Zusammenhang mit einem vermeintlichen Skandal bei einem Turnier in Utrecht auf. Anfang 2011 soll sich Karabulut dort während der Partien auffällig verhalten haben. Man warf ihm vor, einem befreundeten Spieler Zeichen gegeben zu haben.

Das hatte zur Folge, dass Spieltische bestreikt wurden und dass die Veranstalter schließlich beschlossen, das Turnier zu unterbrechen. Karabulut und ein weiterer Profi wurden disqualifiziert. Obwohl nie geklärt wurde, was bei dem Turnier wirklich passierte, erhielten die beiden Pokerspieler Hausverbot. Im Anschluss kündigten sie rechtliche Schritte gegen die Betreiber des Kasinos an. Nach dem Verschwinden Karabuluts mutmaßten Medien, dass ein Zusammenhang mit dem Vorfall in Utrecht bestehen könnte. Nutzer der Poker-Foren sahen jedoch keine Verbindungen und zitierten zur Belustigung Auszüge aus den Artikeln.

Spielgeschichten sind Anhaltspunkte

"Diese Spielgeschichten sind natürlich Anhaltspunkte für uns", sagt Bihler von der Kriminalpolizei in Dillingen. Da Karabulut auch finanzielle Probleme habe, könne man weder eine freiwillige noch eine unfreiwillige Abwesenheit ausschließen. Vier Tage vor seinem Verschwinden war er aus einem Urlaub in Zypern zurückgekehrt. Nach seiner Ankunft wurde er noch mehrmals in seiner Heimat gesehen. Im Anschluss an ein Treffen mit einem Pokerfreund in Gersthofen nahe Augsburg hatte er angeblich noch einen Termin in München. Dann war er einfach weg. Es ist nicht bekannt, ob er jemals in München ankam, geschweige denn, ob er überhaupt vorhatte, tatsächlich in die Landeshauptstadt zu fahren.

Auch das Auto des Vermissten, ein schwarzer Audi A4, der im April 2013 im Augsburger Stadtteil Lechhausen auftauchte, lässt keinerlei Rückschlüsse auf den Verbleib des Mannes zu. "Hätten wir auch nur im Ansatz irgendwelche Hinweise, dann wären wir nicht auf Aktenzeichen XY zugegangen", sagt der stellvertretende Kommissariatsleiter Bihler. Seit zehn Jahren ist er bei der Kriminalpolizei in Dillingen. Der Fall Karabulut sei erst der zweite, den man an das ZDF gegeben habe. Damals habe die Ausstrahlung nicht zur Lösung des Falls - ein alter Doppelmord - beigetragen. Doch die Hoffnung aufgeben will der Beamte noch nicht.

Zu Beginn der Ermittlungen habe die zuständige Arbeitsgruppe noch aus vier Sachbearbeitern bestanden. Mittlerweile kümmere sich ein einziger Beamter um den Fall. Für ein Gespräch steht dieser derzeit nicht zur Verfügung. Kriminalhauptkommissar Thomas Müller ist in München und bereit sich auf die Ausstrahlung vor.

Mit Hilfe des knapp zwölfminütigen Filmbeitrags sollen sich die Zuschauer ein detailliertes Bild machen können. Auch Familienangehörige des Vermissten werden zu Wort kommen. Im Gespräch mit Moderator Rudi Cerne wird Kriminalhauptkommissar Müller anschließend mögliche Szenarien durchgehen und zusätzlich über den Vermissten informieren. Bis 23 Uhr nimmt das Aufnahmestudio Hinweise entgegen. Im Kommissariat in Dillingen werden die Telefone noch länger besetzt sein.

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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