Die CSU, Bayern und die Realität:Vom alten Mythos gefangen

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Die Regierung war die CSU und die CSU war Bayern. Jetzt ist diese Gleichung im Schuldenstrudel der BayernLB untergegangen. Ein schweres Erbe für Seehofer.

Annette Ramelsberger

Es gibt sehr viele Bayern, die haben den lateinischen Spruch wirklich geglaubt, jenes "extra Bavariam non est vita", was besagt, dass es außerhalb Bayerns kein wirkliches Leben gibt. Und sie waren stolz darauf, auf einer Insel der Seligen zu leben, wie es ihnen die CSU mit großem Erfolg suggeriert hatte.

Die Schatten der Stoiber-Ära wird die CSU nur schwer wieder los. (Foto: Foto: ddp)

In dieser Woche ist die Trauminsel im Schuldenstrudel der Bayerischen Landesbank untergegangen. Und mit ihr gleich noch eine zweite Schimäre: dass die CSU das glückliche Bayern erfunden hat und für dessen Glück unverzichtbar ist.

Seit dieser Woche ist klar: Die Landesbank braucht zehn Milliarden Euro Steuergelder, allein die Zinsen dafür belaufen sich auf 700 Millionen im Jahr. Dafür könnte man 10.000 Lehrer einstellen oder alle Universitäten sanieren.

Man wird es nicht können - lange nicht mehr. Über Bayern ist die Realität hereingebrochen, und es reift die Erkenntnis, dass das Debakel nicht nur eine Folge der Bankenkrise, sondern hausgemacht ist. Weil eine übermächtige CSU in der Welt auftrumpfen und sich nicht auf die langweilige Förderung heimischer Unternehmen beschränken wollte. Das war den Leuten an der Spitze unter ihrer Lichtgestalt Edmund Stoiber viel zu piefig. Aus reinen Prestigegründen musste die Landesbank als Global Player agieren.

Der neue Ministerpräsident Horst Seehofer versucht nun, zwischen sich und jener Großmanns-Ära eine Brandmauer zu errichten. Er erinnert darin an den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der auch den "brutalstmöglichen" Aufklärer gab, als es um die Schwarzgeldaffäre der Hessen-CDU ging.

Seehofer hat sich entschuldigt für die Versäumnisse seiner Vorgänger, er hält sogar einen Untersuchungsausschuss für sinnvoll, damit ganz klar wird, wo die Schuld für das Debakel liegt: bei jener alten Regierung, nicht bei der neuen. Doch seine Abgrenzung ist zum Scheitern verurteilt.

Denn Stoibers Regierung war eben nicht nur irgendeine Regierung. Die Regierung war die CSU. Und die CSU war für alles in Bayern zuständig, vornehmlich für das Gute, Wahre, und Schöne. Nun schlägt der lange gepflegte Mythos auf die Partei zurück: früher war sie für Alpenglühen und Wohlstand verantwortlich, jetzt eben auch für Landesbank und Schuldenberg. Seehofer ist Teil jener CSU, die für sich in Anspruch nahm, das glückliche Bayern erfunden zu haben. Er kann sich deshalb nun nicht einfach davonstehlen.

Horst Seehofer aber tut so, als wenn mit seiner neuen Regierung auch eine neue CSU erstanden wäre, als wenn die CSU vor zwei Monaten eigentlich eine völlig andere Partei gewesen wäre. Das hat schon einmal eine Partei versucht und ist damit kläglich gescheitert: Die SED, die sich im Jahr 1990 flugs in PDS umbenannte und so tat, als hätte sie mit Honecker und Co nichts mehr zu tun. Die PDS hat 20 Jahre und einen weiteren Namenswechsel gebraucht, bis ihr das halbwegs gelungen ist. Mythen wirken eben lange nach.

© SZ vom 06.12.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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