CSU: Umfrage-Affäre:Strategie auf Staatskosten

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Sprengstoff in der Umfrage-Affäre der CSU: SPD und Grüne attackieren Edmund Stoiber - mit einer Studie. Der damalige Ministerpräsident bekam 2002 vom Meinungsforschungsinstitut GMS Tipps für seine Kanzlerkandidatur.

Katja Auer

Die Affäre um die parteipolitisch motivierten Umfragen der Staatskanzlei weitet sich aus. Am Sonntag haben die Grünen Studien aus der Regierungszeit von Ministerpräsident Edmund Stoiber veröffentlicht. Der kommt dabei nicht gut weg: Er hatte sich vom Hamburger Meinungsforschungsinstitut GMS Ratschläge für seine Kanzlerkandidatur im Jahr 2002 erteilen lassen - im Auftrag der bayerischen Staatsregierung wohlgemerkt.

Das Lächeln der vermeintlichen Sieger: Kanzlerkandidat Stoiber und CDU-Chefin Angela Merkel am Wahlabend 2002. Stoiber hatte sich vom Hamburger Meinungsforschungsinstitut GMS Ratschläge für seine Kanzlerkandidatur erteilen lassen. (Foto: AP)

"Hier wurden Staatsapparat und Parteiarbeit systematisch verquickt", sagte Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. Sie vermutet einen Verstoß gegen das Parteiengesetz, weil sich die CSU aus Steuermitteln Ratschläge für ihre Wahlkämpfe habe bezahlen lassen. "Jetzt müssen wir über Sanktionen reden", so Bause. "Die Staatskanzlei fungierte als Stoibers Wahlkampfzentrale", kritisierte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Ein Indiz ist für ihn schon der Umfang der Studie aus dem Jahr 2002. Mit 130 Seiten ist sie deutlich dicker als andere Expertisen, außerdem war sie drei- bis viermal so teuer. 137.538 Euro kostete allein diese Untersuchung. Abgefragt wird darin die ganze Bandbreite an Themen, ein Großteil widmet sich bundespolitischen Fragen.

Daraus folgert GMS-Chef Helmut Jung, dass es bei der Bundestagswahl kein dominierendes Sachthema geben werde, sondern vier bis fünf Problembereiche. Er empfiehlt die Bündelung unter einem Dachthema wie Wirtschaft oder Sicherheit. Zur Zurückhaltung rät er dagegen beim Propagieren des Zuzugs von ausländischen Arbeitskräften - wegen mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung. Und auch einen Tipp zur Konfrontation hat Jung parat: "Die Steuerpolitik der Bundesregierung kann problemlos als ungerecht und sozial unausgewogen angriffen werden."

Ein eigener Abschnitt widmet sich der rechtspopulistischen Schill-Partei des ehemaligen Hamburger Innensenators Ronald Schill. Ausführlich werden die Bekanntheit der Kleinpartei ebenso wie die Zustimmung zu ihren Positionen abgefragt. Dabei kommt GMS zu dem Schluss, dass die Schill-Partei acht von zehn Bayern bekannt sei und durchaus auch im Freistaat ein Potential besitze. Diese hohe Akzeptanz "bietet Anlass zur Besorgnis". Eindeutig Parteitaktik, sagt Bause. Und auch für Rinderspacher ist diese Passage ein Zeichen, dass sich die CSU vergewissern wollte, dass es rechts von der CSU nichts geben dürfe.

Stoiber verlor die Bundestagswahl damals knapp, die Union lag mit der SPD gleichauf bei 38,5 Prozent, die CSU trug neun Prozent zum Ergebnis bei.

Rückzahlung der Kosten verlangt

Rinderspacher fordert nun von der CSU die Rückzahlung der Kosten für die Untersuchungen. Insgesamt 310.000 Euro hätten die Studien aus den Jahren 2001 bis 2008 gekostet. Außerdem müsse die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue aufnehmen. Das hatte sie bislang abgelehnt, als Rinderspacher vor zwei Monaten die Veröffentlichung der Resonanzstudien aus den Jahren 2006 bis 2008 erzwungen hatte.

Allerdings beschäftigen sich der Oberste Rechnungshof ebenso wie Bundestagspräsident Norbert Lammert mit den Untersuchungen wegen des Verdachts der versteckten Parteienfinanzierung. Die neuen Unterlagen will ihnen die Opposition ebenfalls zukommen lassen. Rinderspacher sieht den Verstoß gegen das Parteiengesetz mit den neuen Studien bekräftigt. Dass sich Lammert nun schon mehr als zwei Monate mit den Vorgängen beschäftigt, ist für ihn ein Signal, dass "die Vorwürfe eine Grundlage haben". Bewahrheitet sich das, droht der CSU eine Strafzahlung von bis zu 620.000 Euro, also dem doppelten Wert der besagten Summe.

Gezielte Angriffe empfohlen

Die bereits veröffentlichten Studien hatten eine ausgewachsene Koalitionskrise ausgelöst, weil in der Expertise aus dem Jahr 2008 zu lesen war, wie die CSU mit der FDP umgehen solle. Die Demoskopen rieten der CSU zu gezielten Angriffen: "Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung sollte auf SPD und Grüne, eventuell auch die FDP erfolgen, um die Freien Wähler nicht aufzuwerten." Allerdings regierten die Liberalen bereits drei Monate mit, als diese Umfrage in Auftrag gegeben wurde.

Die FDP forderte Aufklärung, Ministerpräsident Horst Seehofer verteidigte die Studien und wies alle Vorwürfe zurück. Er ließ sogar wissen, dass er es wieder so machen würde. Richtig aufgeklärt wurden die Vorgänge nicht, die Spitzen von CSU und FDP einigten sich lediglich darauf, derlei Studien nur noch einvernehmlich in Auftrag zu geben. So wurde der Koalitionsstreit auf Eis gelegt.

Die Staatskanzlei hält weiter daran fest, dass die Vergabe derartiger Resonanzstudien zum normalen Regierungshandeln gehöre. "Die Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit der Staatsregierung im politischen Prozess hängt entscheidend davon ab, dass sie wahrnimmt, wo aus Sicht der Bürgerschaft Handlungsbedarf besteht, dass sie diese Themen aufgreift und mit ihrer Argumentation und ihren Lösungsvorschlägen die Bürgerschaft überzeugt", schreibt Staatskanzleichef Siegfried Schneider an die Grünen. Dabei sei es unausweichlich, auch die Positionen der Parteien und die Wahlabsichten der Bürger zu erfragen.

Schneider führt als Vergleich Baden-Württemberg an. Dort stelle die Staatsregierung regelmäßig die Sonntagsfrage. Der Unterschied: Das Ergebnis wird den Fraktionen mitgeteilt. In Bayern dagegen beharrte die Staatsregierung jahrelang auf Geheimhaltung mit dem Verweis auf den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung". Zur Verteidigung hat Schneider noch ein Argument: Die Empfehlungen seien nicht abgefragt, sondern von GMS eigenmächtig gegeben worden. Nichts, was die Opposition milde stimmen könnte.

© SZ vom 18.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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