CSU-Personaldebatte:Das große Auf und Ab

Lesezeit: 5 min

Bis zur nächsten Landtagswahl 2013 will sich die CSU personell erneuern, Kandidaten gibt es einige. Doch der Generationenwechsel könnte scheitern.

Kassian Stroh

Manches wäre für die CSU viel einfacher, hörte sie auf die Jungen in ihren Reihen. In Dachau etwa: Da hat die Junge Union (JU) im Sommer gefordert, in die Satzung eine Zeitbegrenzung für alle Parteiämter zu schreiben nebst der Unvereinbarkeit selbiger mit politischen Mandaten. Programmierte Bewegung im Personaltableau? Das war den Altvorderen dann doch zu gspinnert - die Initiative der JU wurde abgebügelt.

Bei der CSU steht Veränderung an: Bauarbeiter entfernen das Parteilogo nach dem Nürnberger Parteitag. (Foto: ddp)

Dass solche Gedanken in Dachau aufkommen, ist kein Zufall. Dort residiert Hansjörg Christmann. Er wurde im Jahr 1977 Landrat, 1990 auch CSU-Kreisvorsitzender - zu Zeiten also, die politisch gesehen dem Pleistozän zuzuordnen sind. Den Vorsitz gibt er im März auf, die Nachfolge läuft auf den Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath hinaus. Der könnte auch im März 2014 als Landratskandidat antreten, Christmann darf aus Altersgründen nicht mehr gewählt werden.

Doch Seidenath ziert sich, ein halbes Jahr vorher steht die Landtagswahl an. Wenn er da antritt, hat er ein Problem zu erklären, warum er wenig später plötzlich Landrat werden will. Tritt er nicht an, hat er das Problem, dass er am Ende vielleicht gar kein Amt mehr hat - nichts fürchtet der gemeine CSU-Mensch mehr als die Unsicherheit von Wahlen. Somit ist die Ballung der Wahltermine 2013 und 2014 eine Zwickmühle, in der nicht nur Seidenath steckt.

Noch spricht keiner in der CSU offen über Kandidaturen. Aber in den Landkreisen rund um München ist einiges in Bewegung - und manches hängt mit manchem zusammen. In Erding etwa könnten gleich zwei Mandate frei werden, zumindest erwarten und erhoffen das in der CSU viele: das des Landtagsabgeordneten Jakob Schwimmer, 61, und das des Bundestagskollegen Max Lehmer, 64 - auch wenn beide sagen, für diese Frage sei es noch viel zu früh.

Potentielle Nachfolger gäbe es: Ulrike Scharf etwa, die der Frauen-Union (FU) Oberbayern vorsteht; sie saß als Nachrückerin schon mal drei Jahre im Maximilianeum. Als Leute, die noch was werden könnten, gelten auch Erdings Bürgermeister Max Gotz oder sein Fraunberger Kollege Johann Wiesmaier, ein Freier Wähler, der 2007 zur CSU gewechselt ist. Oder Landrat Martin Bayerstorfer, dem immer wieder Ambitionen auf Höheres nachgesagt werden.

Auf den Bundestag womöglich? Da müsste er sich auch mit den Ebersbergern auseinandersetzen, der Wahlkreis umfasst beide Landkreise. Und in Ebersberg ist parteiintern mit Abstand am meisten in Bewegung, nämlich fast alles. Nicht nur weil die Zukunft des gesundheitlich angeschlagenen Landrats Gottlieb Fauth gänzlich offen ist. Dem Kreisverband sitzt Ex-Ministerin Christa Stewens vor.

Sie wird 2013 für den Landtag nicht mehr antreten und in Kürze aller Voraussicht nach verkünden, den Kreisvorsitz abzugeben. Für beides kursiert in der CSU eine interessante Personalspekulation: Angelika Niebler, FU-Chefin und Europaabgeordnete aus Vaterstetten. Sie war mehrfach für einen Kabinettsposten im Gespräch, zuletzt als Chefin der Staatskanzlei, wenn Siegfried Schneider wie erwartet im Frühjahr ausscheidet.

Diesmal wird Niebler nicht zum Zug kommen, da es sich Horst Seehofer nicht erlauben kann, jemanden quasi von außen zu importieren und die CSU-Landtagsfraktion zu übergehen. Aber 2013, wenn Niebler in den Landtag wechselt? Über ihre landespolitischen Ambitionen ist Widersprüchliches zu hören; sie selbst nennt nur Europa als ihren "Wirkungskreis" und schließt ansonsten nichts aus. Ambitionierte Ebersberger sind grundsätzlich auch Bezirksrat Thomas Huber, Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß und diverse andere Kommunalpolitiker.

Und es bliebe ja noch die Möglichkeit eines Kandidatenimports. Im Kreis München etwa sitzt Finanzminister Georg Fahrenschon, eine der Hoffnungen der CSU. Er bräuchte dringend ein Landtagsmandat, zwecks Zukunftsabsicherung. Doch in seiner Heimat ist der Generationswechsel vollzogen und alles festgefahren: Die Landtagsabgeordneten Kerstin Schreyer-Stäblein und Ernst Weidenbusch (zugleich CSU-Kreischef) sitzen fest im Sattel und zeigen keine Rückzugsneigungen, ebenso wenig wie der erst neu gewählte Bundestagsabgeordnete Florian Hahn, den man generell noch auf der Rechnung haben muss.

Dank parteiinterner Vernetzungen aus JU-Zeiten und als Mitarbeiter der Parteizentrale hat er gute Bedingungen für eine CSU-Karriere. Im Kreis fragt man sich vielmehr, wer 2014 als Landratskandidat antritt. Im Moment werden zwei Namen genannt: Gräfelfings Bürgermeister Christoph Göbel tut seine Ambitionen offen kund; der andere, Oberhachings Rathauschef Stefan Schelle, wiegelt noch ziemlich ab.

Zu seinen Planungen sagt Fahrenschon nur, dass er nichts ausschließt. Doch Kandidatenimporte sind problematisch, die örtliche CSU-Basis schluckt nicht alles. Am ehesten noch, wenn mit räumlicher Nähe argumentiert wird. Fahrenschon wohnt in Neuried, gleich nebenan in Starnberg verlässt die Landtagsabgeordnete Ursula Männle 2013 die politische Bühne - die Ex-Ministerin ist ebenfalls pleistozän-verdächtig.

Männle jedoch ist eine Vorkämpferin der Gleichberechtigung in der CSU, dürfte also alles tun, eine Frau als Nachfolgerin zu finden. Mit der Starnberger Stadträtin Eva John gäbe es eine, die 2014 aber auch als Bürgermeisterkandidatin antreten könnte. Männle beerben wollte schon 2008 der CSU-Kreischef Harald Schwab, den sie aber nicht ließ.

Schwab sitzt im Bezirkstag; dorthin werden von der CSU viele geschickt, denen man weitere Karrieren nicht zutraut. Nichts ändern wird sich für die Starnberger im Bundestag, wo sie Ilse Aigner vertritt, die Bundesagrarministerin, die kurz davor ist, den mächtigen CSU-Bezirksvorsitz zu übernehmen.

Aigner ist auch für Bad Tölz-Wolfratshausen zuständig, und von dort lässt sich vermelden: In Stoiber-Land ist zwar nicht alles gut, aber ruhig. Landtagsabgeordneter und CSU-Kreischef ist Martin Bachhuber, der es nicht verwunden hat, 2008 die Landratswahl verloren zu haben und nun reichlich frustriert durchs Maximilianeum schleicht. Da er nichts anderes hat, wird er 2013 wohl im Landtag bleiben wollen. Für die nächste Landratswahl ist als CSU-Kandidat eher jemand wie der junge Bürgermeister von Kochel, Thomas Holz, im Gespräch.

Ebenfalls neu im Landtag ist für Freising Florian Herrmann, dem zwar nachgesagt wird, dass er sich für kabinettsreif hält, der im Landtag aber kaum auffällt (immerhin hat er im Landesbank-Untersuchungsausschuss einmal eine Frage gestellt). Im Bundestag sitzt der Pfeifenraucher Franz Obermeier, der dafür bekannt ist, dass man montags in Berlin seiner rauchigen Stimme das hinter ihm liegende Wochenende im Stimmkreis deutlich anhört.

Spekuliert wird, dass Kreischef Herrmann die Bundestagskandidatur aus Dankbarkeit für jahrelange loyale Gefolgschaft dem Freisinger CSU-Ortschef Erich Irlstorfer zuschanzen könnte. Der hat sich zumindest aus dem Rennen um die OB-Kandidatur in der Kreisstadt verabschiedet, wo bereits 2012 gewählt wird. Dort soll nun die CSU-Basis auswählen zwischen dem jungen Rathausfraktionschef Tobias Eschenbacher und Bürgermeister Rudi Schwaiger, dem Bruder des örtlichen Landrats.

Landrat und CSU-Chef von Fürstenfeldbruck ist Thomas Karmasin. Der verschafft sich (auch als Sprecher der oberbayerischen Landräte) zuletzt auffallend häufig überregional Gehör. Kabinettsambitionen werden ihm seit langem nachgesagt, geworden ist nie was daraus. Allmählich muss der 48-Jährige zusehen, dass er nicht als ewiges Talent in die CSU-Geschichte eingeht. Doch es rührt sich wenig: Für den Landkreis-Westen sitzt Thomas Goppel mindestens seit dem Pleistozän im Landtag (wenn nicht seit dem Urknall).

Bei ihm gibt es die kuriose Situation, dass er mit dem BR-Moderator Alex Dorow zwar einen Nachfolger auserkoren hat, niemand aber weiß, ob er 2013 aufhören will. In Fürstenfeldbruck-Ost ist Reinhold Bocklet der Platzhirsch. Er genießt das privilegierte Dasein als Erster (darauf legt er Wert) Vizepräsident des Landtags. Wie im Übrigen seine Brucker Bundestagskollegin, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt. Auch wenn beide sich noch nicht festlegen - viel deutet daraufhin, dass sie weitermachen.

Der Kreis-CSU könnte somit das Schicksal blühen, dass sich wegen der Altvorderen eine ganze politische Generation zu Tode gewartet hat. So wie nebenan in Dachau. Kein Zufall: Hasselfeldt vertritt auch die Dachauer im Bundestag, die würden sie 2013 sogar noch lieber behalten als die Brucker.

Mitarbeit: hz, lb, ts, eis, pro, soy, kg

© SZ vom 22.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: