CSU-Fraktion:Sein oder Nichtsein

Lesezeit: 3 min

Manche in der CSU sehen keine Zukunft mit Beckstein. Ein Aufstand droht, wird gemunkelt. Die Entscheidung fällt heute.

Katja Auer und Heiner Effern

In der ersten Sitzung der neugewählten CSU-Landtagsfraktion droht am heutigen Mittwoch ein offener Aufstand gegen Ministerpräsident Günther Beckstein. Gut ein Dutzend Münchner und oberbayerische Abgeordnete kündigte bereits an, Beckstein nicht zu wählen, sollte er erneut als Ministerpräsident kandidieren wollen.

Das desaströse Abschneiden der CSU bei der Landtagswahl könnte auch Ministerpräsident Günther Beckstein sein Amt kosten. (Foto: Foto: AFP)

"Ich gehe davon aus, dass der neue Ministerpräsident Horst Seehofer heißt", sagt der Münchner Thomas Zimmermann. Nach dem "verheerenden Ergebnis" bei der Landtagswahl nützten kein Pflaster und keine Salbe, "da muss ein Schnitt her.

Jede Position wird in Frage gestellt". Das schließe auch Fraktionschef Georg Schmid mit ein. Schmid hält zu Beckstein und könnte im Strudel der Ereignisse selbst untergehen.

Auch der Rosenheimer Klaus Stöttner, Vorsitzender des größten CSU-Kreisverbands in Bayern, sieht für Beckstein keine Zukunft. "Wir gewinnen die Bundestagswahl nur, wenn Bayern insgesamt stark ist. Und Bayern war immer stark, wenn der CSU-Parteichef und Ministerpräsident eine Person war." Sein Kollege Ernst Weidenbusch aus dem Landkreis München appelliert an Beckstein, freiwillig zurückzutreten. "Es ist eine Frage der Ehre, aus einem solchen Ergebnis seine Konsequenzen zu ziehen", sagt der Münchner Abgeordnete nach einem Treffen der Oberbayern.

Doch die Forderung nach einem kompletten Neuanfang kommt nicht nur aus Oberbayern, wo die CSU mit mehr als 20 Prozent minus die empfindlichsten Verluste hinnehmen musste. Auch aus Niederbayern gibt es klare Worte: Konrad Kobler, der Vizechef der Arbeitnehmer-Union der CSU (CSA), regt eine Abschaffung der Doppelspitze an. Die Aufteilung der Ämter sei "nicht optimal" gewesen.

Wer Parteichef und Ministerpräsident werden soll, daran lässt er ebenfalls keinen Zweifel: Zu Horst Seehofer gebe es keine Alternative. Andere Abgeordnete geben zu bedenken, dass Seehofer vor einem Jahr aus gutem Grund nicht zum Parteichef gewählt worden ist: weil der Bundeslandwirtschaftsminister als unberechenbar gilt und gerne einsame Entscheidungen trifft.

Um zehn Uhr kommen die 92 CSU-Abgeordneten zu ihrem ersten Treffen im Landtag zusammen - auch Seehofer wird daran teilnehmen. Alles könne an diesem Tag passieren, heißt es, auch deswegen, weil unter den Abgeordneten 17 Neuzugänge sind. Deren Verhalten weiß noch keiner einzuschätzen. Die Franken wollen zum Großteil Beckstein im Amt halten.

Es sei nicht klug, jetzt auch noch den Ministerpräsidenten auszutauschen, heißt es. Zudem sollten sich die Oberbayern nicht so weit nach vorne wagen. Immerhin hätten sie längst nicht mehr die alte Stärke, merken einige Franken an. Der Lichtenfelser Christian Meißner appelliert an die Vernunft.

Parteichef Erwin Huber habe Konsequenzen gezogen, und nun müsse wieder Ruhe einkehren. Beckstein sei der Richtige, "um die Wochen und Monate des Übergangs zu moderieren".

CSU
:Pleiten und Pannen in der CSU

Fraktionschef Schmid ist angeschlagen, viele Abgeordnete mussten sich dem Zorn der Bürger wegen seines strengen Rauchverbots stellen. "Arrogant" sei Schmid bei der Bevölkerung angekommen, weil er das Rauchverbot gegen alle Widerstände durchgesetzt habe.

Auch der Name von Markus Söder wird als neuer Fraktionschef gehandelt. (Foto: Foto: dpa)

Schmid selbst kündigte an, wieder als Fraktionschef kandidieren zu wollen, doch ob es so weit kommt, wird auch davon abhängen, ob er die Sitzung im Griff behält. Die Abgeordneten machen sich ihre Gedanken, Zimmermann prophezeit, dass es "sicherlich eine Änderung geben" werde.

Namen kursieren viele. So komme Söder als neuer Fraktionschef in Frage, auch Kultusminister Siegfried Schneider wird genannt. Andere wollen Wissenschaftsminister Thomas Goppel zum Fraktionschef oder gar zum Ministerpräsidenten machen, eine dritte Theorie präferiert Innenminister Joachim Herrmann als Ministerpräsident.

Der Fraktionsvize Thomas Kreuzer mahnt indes zur Besonnenheit. Die Wahlschlappe müsse vor allem inhaltlich aufgearbeitet werden. "Wir haben wenig schlechte Sachpolitik gemacht", sagt er, "aber wir haben sie falsch kommuniziert." Man müsse auf dem Reformweg bleiben, aber die Bürger mitnehmen.

Der Nürnberger Bezirksverband, den Beckstein 16 Jahre führte, positioniert sich klar: "Wir stehen voll hinter unserem Ministerpräsidenten Günther Beckstein und hinter der Führung der CSU-Landtagsfraktion mit Georg Schmid an der Spitze", sagt Bezirkschef Markus Söder.

Mit seiner Erklärung soll er sich den Zorn des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zugezogen haben, der beim oberbayerischen Aufstand gegen Beckstein die Fäden zieht. Wo seine Stimme gegen Beckstein bleibe, soll Stoiber Söder am Telefon gefragt haben.

Der Europaminister ist unterdessen bemüht, sich selbst aus der Diskussion zu halten. Er widerspricht Gerüchten, er selbst wolle Schmid als Fraktionschef ablösen.

Denn es wird längst nicht nur darüber diskutiert, ob Beckstein Ministerpräsident bleiben kann oder nicht. In den zahlreichen Telefonaten, die vor der Fraktionssitzung geführt werden, geht es beinahe um jedes Amt.

© SZ vom 1.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: