Burg wird Sanierungsfall:Schloss Neupannenstein

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Diese Ansicht kennt nahezu jeder. Nur: die Idylle trügt. (Foto: dpa)

In Bayerns wichtigster Immobilie gibt es nach Personalquerelen und Strafbefehlen wegen Betrugs und Untreue die nächsten hausgemachten Probleme: Historische Fenster gehen zu Bruch, es schimmelt - und ein Prozess steht an.

Von Stefan Mayr

Seit vier Monaten hat im wichtigsten Schloss der Republik eine Frau das Sagen. Seit dem Amtsantritt von Katharina Schmidt, 41, ist es auf Neuschwanstein ruhiger geworden, die Querelen um ihren Vorgänger sind abgeklungen. Aber während man noch auf die gerichtliche Aufarbeitung der finanziellen Unregelmäßigkeiten aus der Vergangenheit wartet, sind schon wieder zwei gravierende Pannen passiert: Der Erker im Wohnzimmer des Königs Ludwig II. ist großflächig von Schimmelpilzen befallen - und etliche historische handgewalzte Fensterscheiben sind irreparabel beschädigt. Die Bayerische Schlösserverwaltung bestätigt die Probleme, weist aber alle Schuld von sich.

Aus Personal-Kreisen heißt es allerdings, sowohl den Schimmel als auch die Glasschäden hätten Restauratoren durch unsachgemäßen Umgang verursacht. "Die Hauptverwaltung in München hat uns verboten, das Zimmer zu lüften", berichtet Mitarbeiter Thomas Müller, der aus Angst um seinen Arbeitsplatz seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Unsere Warnungen wurden in den Wind geschlagen, und im Winter begann der Erker zu schimmeln." Als das Problem bemerkt wurde, "durfte - oh Wunder - plötzlich wieder gelüftet werden".

Bauphysikalisches Problem?

Die Bayerische Schlösserverwaltung ihrerseits spricht dagegen von einem "bekannten, völlig normalen bauphysikalischen Problem", das mit "der exponierten Lage an der Nordostecke des Palas", mit "Dauerregen" und "hohem Besucheraufkommen" zusammenhänge. Dieser Darstellung widerspricht Thomas Müller: "Vor dem Lüftverbot war die Wand noch nie schimmlig." Und seitdem die Fenster wieder geöffnet werden dürfen, sei der Schimmelfleck nicht mehr gewachsen.

Auch die Fenster sind nach Müllers Darstellung nur deshalb gesprungen, weil jene Abteilung, die für den Erhalt der Schlosses verantwortlich ist, "stümperhaft" gearbeitet habe. Fakt ist, dass die Hauptverwaltung an den Fenstern UV-Schutzscheiben anbringen ließ, um die frisch restaurierten Vorhänge in den Wohngemächern zu schützen.

Im Kammerdienerzimmer splittert das Glas. (Foto: oh)

"Niemand hat auf uns gehört"

Die langjährigen Schloss-Mitarbeiter hielten dies - wie das Lüftverbot - von Anfang an für keine gute Idee. Sie warnten vor einem Wärmestau, der Risse in den historischen Glasscheiben verursachen könnte. "Aber niemand hat auf uns gehört", sagt Müller. Im Sommer rissen ihm zufolge im Sängersaal und im Kammerdienerzimmer nach und nach sechs Fenster. Thomas Müller spricht von einem "Skandal": "Das sind einmalige, handgewalzte Scheiben, die haben 120 Jahre und zwei Weltkriege überstanden", sagt er, "und jetzt kommt das Restaurierungszentrum und macht sie kaputt."

Die Schlösserverwaltung stellt die Vorgeschichte der Glasschäden ganz anders dar. Dabei argumentiert sie streckenweise aber etwas widersprüchlich: "An einigen wenigen historischen Fenstern waren bereits vor Anbringung des Lichtschutzes Sprünge im Glas festzustellen", schreibt die Pressestelle. Zwei Sätze später heißt es, bei der "Schadenserfassung" werde auch "das aktuell angebrachte Lichtschutzsystem in die Ursachenermittlung einbezogen". Dass Thomas Müllers Vorwurf nicht komplett aus der Luft gegriffen ist, bestätigten seine Vorgesetzten, indem sie nachträglich die UV-Schutzscheiben verkleinern ließen. "Seitdem ist kein Glas mehr kaputtgegangen", sagt Müller.

Wie hoch der entstandene Schaden an Fenstern und Wohnzimmererker ist, teilt die Schlösserverwaltung nicht mit. Auch die Frage, ob die zerstörten Scheiben Originale aus dem 19. Jahrhundert sind, bleibt unbeantwortet. Stattdessen wird lapidar mitgeteilt: "Die Verwaltung und das Bauamt Kempten arbeiten an der Ermittlung der genauen Ursachen und zugleich an einer Verbesserung der Situation."

Hartnäckigkeit der neuen Chefin

Die neue Verwaltungschefin auf Schloss Neuschwanstein, Katharina Schmidt, trifft an all den Pannen wohl keine Schuld. Sowohl die Schimmelflecken als auch die Glasrisse traten bereits vor ihrem Amtsantritt auf. Aus Mitarbeiter-Kreisen heißt es sogar, es sei alleine Schmidts Hartnäckigkeit zu verdanken, dass die Münchner Hauptverwaltung wenigstens nachgebessert hat. Die 41-Jährige selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die Pressestelle der Schlösserverwaltung. Ähnlich vorsichtig zeigt sich die Personalratsvorsitzende Birgit Schöllhorn. Sie will sich "in keinster Weise" zu den Schäden äußern.

Gedenken zum Todestag von Ludwig II.
:Für immer treu

Vor 127 Jahren ist König Ludwig II. im Starnberger See ums Leben gekommen. An seinem Todestag zelebrieren die Königstreuen einen aufwendigen Gedenkgottesdienst - zur Monarchie haben seine Anhänger ein gespaltenes Verhältnis.

Mit Spannung wird unterdessen sowohl in der Hauptverwaltung als auch auf Neuschwanstein der Strafprozess gegen ehemalige Führungskräfte des Schlosses erwartet, der im kommenden Jahr beginnen soll. Das Amtsgericht Kaufbeuren hatte gegen beide Strafbefehle wegen Betrugs und Untreue in besonders schwerem Fall erlassen.

Die Staatsanwaltschaft Kempten wirft den Beamten vor, bei zahlreichen Sonderführungen mehr Geld abkassiert zu haben, als sie später mit der Schlösserverwaltung abrechneten. Sie schlug Bewährungsstrafen von acht und elf Monaten sowie eine Wiedergutmachung des Schadens in vierstelliger Höhe vor. Die Beschuldigten haben Widerspruch gegen die Strafbefehle eingelegt, ein Prozesstermin steht noch nicht fest.

© SZ vom 16.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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