Bericht zur sozialen Lage in Bayern:Haderthauer verärgert Wohlfahrtsverbände

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Ministerin Haderthauer legt an diesem Freitag den dritten Bericht zur sozialen Lage in Bayern vor - und überrumpelt damit fast alle Experten: Die hatten vor der Veröffentlichung keine Gelegenheit zur Stellungnahme. Auffällig ist auch, dass sie den Bericht ausgerechnet in der Sommerpause des Landtags präsentiert.

Dietrich Mittler

Wenn es ein Coup sein sollte, so ist er gelungen: Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) stellt am heutigen Freitag in München den dritten Bericht zur sozialen Lage in Bayern vor - und sie überrascht damit alle: Sozialpolitiker ihrer eigenen Partei, die Wohlfahrtsverbände und die Sozialexperten der Kommunen, die der Ministerin beratend zur Seite stehen.

"Das hat uns wirklich vom Stuhl gehauen", so der einhellige Tenor. Insbesondere bei Bayerns Wohlfahrtsverbänden ist die Irritation groß: "Niemand weiß von irgendwas. Wir sind sprachlos über den Umgang von Frau Haderthauer mit dem Thema Sozialbericht und mit uns Verbänden", hieß es.

Thomas Beyer, der Chef der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bayern und derzeitiger Sprecher der Wohlfahrtspflege, kritisierte, dass den Verbänden keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme vor der Veröffentlichung gegeben wurde: "Man hat den Eindruck, Frau Haderthauer wollte verhindern, dass mit uns über die Problemfelder gesprochen wird, und das verstehen wir - gelinde gesagt - als eine Brüskierung."

Der Argwohn der Verbände wird eher wachsen, da es sich beim neuen Sozialbericht um eine eher abgespeckte Version handelt, bei dem - wie es in der Einleitung steht - "das Spektrum der explizit zu behandelnden Themen etwas reduziert werden konnte". Derzeit glühen die Drähte zwischen Diakonie, Rotem Kreuz, Caritas, AWO und den Paritätern. "Erst vor zehn Tagen", so heißt es im internen Dialog, "wurden dem Sozialministerium noch Zahlen zur Wohnungslosigkeit geliefert. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass diese Zahlen bereits eingearbeitet sind."

Erfreuliche Fakten

Haderthauer wird sich bei der Präsentation des Sozialberichts an diesem Freitag auf durchaus erfreuliche Fakten stützen können: Bayern wies 2010 die geringste Armutsgefährdungsquote aller Bundesländer auf, das Niveau der Bruttolöhne lag 4,6 Prozent über dem Bundesschnitt, die Arbeitslosenquote habe sich im Zeitraum von 2005 bis 2011 mehr als halbiert, und sie sei mit 3,8 Prozent die bundesweit niedrigste. Was die höhere Armutsgefährdung älterer Menschen in Bayern betreffe, so sei dies auf die frühere landwirtschaftliche Prägung des Freistaats zurückzuführen.

Im neuen Sozialbericht wird ein zusätzlicher Materialband mit "vertiefenden Darstellungen" diesmal nur in digitaler Form verfügbar sein. Dafür geht es im Bericht stärker um die Lebenslagen sozialer Gruppen und welche Teile der Bevölkerung "Probleme mit der Teilhabe an der Gesellschaft" haben.

Beyer kündigte an, dass die Verbände nun ein sehr kritisches Auge auf die Fakten werfen werden. "Wir schauen uns das genau an", sagte er. Zudem sei es doch sehr verwunderlich, dass Haderthauers Präsentation ausgerechnet in die Sommerpause des Landtags falle. "Das entspricht nicht parlamentarischen Gepflogenheiten", sagte der SPD-Politiker.

Stoff für kritische Einwürfe bietet auch der neue Sozialbericht noch genug: So ist etwa "eine deutliche Zunahme des Anteils von Haushalten ohne Kinder zu beobachten", wie es dort heißt - und das hat nicht zuletzt etwas mit den unsicheren Perspektiven im Arbeitsleben zu tun. Immer häufiger müssen demnach auch Bayerns Arbeitnehmer Jobs "mit niedrigen Stundenlöhnen" annehmen. Tendenz: Es ist eine Ausweitung von "teils prekären Beschäftigungsformen zu beobachten".

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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