Beginn der Skisaison:Pisten für Artisten

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Eher durch die Luft fliegen als auf der Piste fahren: Snowboarder von heute. (Foto: dpa)

Das gute, alte Skifahren? Zu unspektakulär! Dirtjumps und Nightsessions sind heute angesagt. Viele junge Wintersportler zieht es in Funparks, auf die Rampen und Schanzen - und ihre Sprünge und Tricks werden immer spektakulärer.

Von Martin Mühlfenzl

Der Fun beginnt, wenn die Nacht hereinbricht. Dann verrenken sich bunt gekleidete Artisten im Flutlicht in der Luft, legen spektakuläre Wallrides in den weiß glitzernden Schnee und fegen mit hohem Tempo über die Dirtjumps - die Schmutzsprünge. Stürze bleiben bei dieser Performance für Jedermann natürlich nicht aus.

Die Nightsessions im Snowpark Oberammergau haben mit dem mittlerweile etablierten Nachtskifahren auf anderen Pisten Bayerns kaum mehr etwas gemein, was man schon daran erkennt, dass jedes dahergelaufene Wort ins Englische übersetzt wird. Aus den Boxen dröhnt lauter Sound, am Pistenrand werden die neusten Moves diskutiert. Disco auf der Piste - Fun- und Snowparks wie in Oberammergau ziehen immer mehr junge Ski- und Snowboardfahrer an. Die Rampen, Sprungschanzen und sonstige Aufbauten für artistisch versierte Wintersportler erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.

Doch vor dem Vergnügen - bei Tag und Nacht - wartet auf die Funpark-Gestalter, Shaper genannt, harte Arbeit. Sie sind gleichermaßen Architekten und Bauarbeiter; ihre Arbeitsutensilien sind 3-D-Programme, Stifte und Zettel - und natürlich Pistenraupen und Schaufeln. Im Skigebiet Spitzingsee ist Martin Poschenrieder der verantwortliche Vorarbeiter. Er hat die Ideen für den Park, plant jedes Detail und setzt seine eigenen Vorgaben auf der Piste auch um. Wenn die Schneehöhe stimmt. "Wir können hier oben loslegen, wenn wir ungefähr einen halben Meter Schnee haben", erklärt der passionierte Snowboarder. "Dann können wir die ersten Elemente aufschichten." Mit der Pistenraupe wird der Naturschnee - im Burton Snowpark am Spitzing wird kein Kunstschnee verwendet - zusammengetragen und anschließend mühevoll in Form gebracht. "Wir brauchen für den ganzen Park ungefähr drei bis vier Wochen. Wenn die Witterung hält, es darf halt nicht zu warm werden", sagt Poschenrieder. 10 000 bis 15 000 Kubikmeter Schnee werden in einem der größten und beliebtesten Snowparks Deutschlands aufgeschichtet und verbaut.

In Oberammergau vertrauen Tobias Papistock und seine Kollegen indes einzig und allein auf Kunstschnee. Seit einigen Tagen laufen die Kanonen auf Hochtouren - vor allem nachts. "Wir arbeiten mindestens eine Woche durch. Unser Park ist ja nicht so groß", sagt Papistock, der vor elf Jahren aus einer Laune heraus erstmals sein kleines Jump- und Ride-Paradies für Skifahrer und Snowboarder eröffnete. "Das war am Anfang ein reines Freizeitprojekt. Wir sind ja eigentlich ein Skigebiet für Kinder und Familien", sagt Papistock. "Aber wir wollten etwas Neues ausprobieren, haben uns ein paar alte Boxen besorgt, kleine Kicker aufgebaut und einfach losgelegt." Mittlerweile ist der Snowpark eine Institution im Skigebiet Oberammergau, für risikofreudige und abenteuerlustige Wintersportler.

Legendär ist auch das Skigebiet Spitzingsee längst. In einer Stunde schaffen es die Münchner Freizeitskifahrer aus der Großstadt ins Wintersportparadies. Mittlerweile hat sich der Spitzing aber auch den Ruf eines herausragenden Funparks erworben: Hier trainierte schon die Weltelite der Freestyle-Snowboarder für das Air & Style, eines der größten Snowboard-Festivals; der Sportartikelhersteller Burton nutzt das Areal gewissermaßen als deutsche Dependance im Freien und investiert in die Ausstattung und Pflege des Parks. Und ohne Sponsoren kommen die Betreiber der Snow- und Funparks auch nicht mehr aus. "Es ist schon ein aufwendiges Vergnügen - zeitlich und finanziell gesehen", sagt Poschenrieder. Für die Fans der weiten, hohen und spektakulären Sprünge ist es allerdings ein relativ kostengünstiges: Schließlich sind die Parks in den meisten Skigebieten wie in Oberammergau und am Spitzing in den regulären Tageskarten inbegriffen.

Die Skifahrer und Snowboarder warten bereits sehnsüchtig auf die Eröffnung der hügeligen Spielwiesen. "Steht der Park schon?", will ein Fan auf der Facebook-Seite des Burton-Snowparks wissen. "Danke, Max, für die höchst qualifizierte Frage", antwortet Martin Poschenrieder von der Piste aus - und sagt, er müsse wieder weiter schaufeln. Die Funparks in Oberammergau und Spitzingsee sind aber nicht die einzigen Anlaufstellen für Freestyler; auch am Fellhorn, am Großen Arber im Bayerischen Wald, in Ofterschwang im Allgäu, auf der Steinplatte oder im Sudelfeld gibt es mittlerweile abgetrennte Areale für Sprünge und Tricks (siehe rechts).

Alleine einem Trend, der sich in Österreich verstärkt durchsetzt, können die bayerischen Skigebiete nicht folgen. In Sölden etwa locken die Liftbetreiber mit einer neuen Slope-Strecke - einem Skicross-Park mit Tunnels, größeren Schanzen und Steilwänden. "Dafür ist unser Skigebiet einfach zu klein", sagt Poschenrieder. "Und es muss ja nicht immer nach demselben Motto gehen: höher, schneller weiter."

Die Funparks in Bayern bleiben Refugien für Amateure. "Bei uns sind es vor allem junge Leute aus der Umgebung, die den Park belagern", sagt der Oberammergauer Papistock. "Und in der Hochsaison auch viele Münchner." Mutig stürzen sich die Snowboarder dann über die Kunstschneepiste hinunter, rasen über die Schanzen und wagen sich an sehenswerte Luftsprünge - Spin, Flip oder Grap genannt. Waghalsige Drehungen, Salti und Griffe an das eigene Brett. Besondere Wirkung erzielen diese Moves natürlich bei Nacht. Im Flutlicht und mit den richtigen Beats aus den Boxen.

© SZ vom 30.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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