Bahnunglück in Oberbayern:Bad Aibling: Zerborstenes Metall ragt aus den Waggons

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Gegen 6.45 Uhr stoßen zwei Züge auf der Strecke zwischen Rosenheim und München zusammen. (Foto: dpa)

Es ist eines der schwersten Bahnunglücke, die Bayern je erlebt hat. Mehrere hundert Rettungskräfte sind im Einsatz - und die Suche nach der Ursache hat begonnen.

Von Oliver Klasen, Bad Aibling

Die Rettungskräfte, die auf dem Bahndamm exakt bei Kilometer 30 Punkt 2 an der Strecke bei Bad Aibling stehen, bilden eine lange Reihe: Feuerwehr, Polizei, Bergwacht, Wasserwacht, DLRG. Sie haben alle zusammengezogen, die verfügbar waren. Dutzende sind an dem Ort, an dem das Unglück passierte, Hunderte in der näheren Umgebung und auf den umliegenden Straßen.

Die Gesichter der Frauen und Männer, die hier stehen, sind zu den Gleisen gewandt. Wenige Meter vor ihnen, auf der Strecke, die Wracks der beiden Regionalzüge, die hier gegen 6.45 Uhr am Morgen frontal zusammengestoßen sind. Einige Einsatzkräfte arbeiten sich im Inneren des Zuges durch die Waggons. Sie haben Schneidbrenner dabei, um Menschen aus den Trümmern zu befreien.

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Zerborstene Metall- und Plastikteile ragen aus den Waggons

Man hört das Knattern der Hubschrauber, das Brummen der Generatoren, die die Feuerwehr aufgestellt hat. Und man sieht, dass der Triebwagen des einen Zuges sich um 45 Grad nach rechts geneigt hat und aus den Schienen gesprungen ist. Die Spitze des entgegengesetzten Zuges ist dahinter verschwunden, ein Waggon hat sich mit dem Triebwagen verkeilt. Es mag der dritte oder vierte sein, so genau lässt sich das nicht erkennen, von der anderen Seite des Kanals, einem Seitenarm der Mangfall, wo Medienleute auf Neuigkeiten warten, um die Rettungsarbeiten nicht zu behindern.

Aus der Oberseite der beiden ineinandergeschobenen Waggons, auf einer Fläche von mehreren Quadratmetern, ragen zerborstene Metall- und Plastikteile heraus, so als hätte jemand den Zug an der Dachkante aufgeschlitzt.

Es ist eines der schwersten Bahnunglücke, die es jemals in Bayern gab. Zehn Tote, 18 Schwerverletzte, 63 Verletzte und etwa 100 Personen, die leicht oder sogar unverletzt aus den beiden Zügen gerettet werden konnten, so die vorläufige Bilanz der Polizei.

Ohne Faschingsferien wären viele Kinder in den Zügen gewesen

Und es wäre wohl noch viel schlimmer gekommen, wenn in Bayern nicht gerade Faschingsferien wären. "Ich kann bestätigen, dass das zwei Züge sind, die normalerweise von vielen Kinder und Jugendlichen genutzt werden, die hier in den umliegenden Orten zur Schule gehen", sagt Jürgen Thalmeier, Pressesprecher des Präsidiums Oberbayern Süd in Rosenheim.

Unter den Toten soll sich mindestens einer der Lokführer befinden. Die anderen konnten bislang noch nicht identifiziert werden. Auch ist unklar, wie viele Menschen sich genau an Bord befunden haben. "Insgesamt ungefähr 150", schätzt Thalmeier.

Priorität habe jetzt die Versorgung der Verletzten und die Bergung der Toten, betont die Polizei immer wieder. Am späten Vormittag sind die meisten der leicht und mittelschwer Verletzten bereits aus dem Zug geholt und in Krankenhäuser gebracht worden. Die Unglücksstelle befindet sich in der Nähe eines Klärwerks und ist nur schwer zugänglich für die Rettungskräfte. Einige Verletzte müssen mit Seilwinden in Rettungshubschauber gezogen werden. Etwa 15 Helikopter sind an diesem Tag in Bad Aibling im Einsatz.

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Gegen halb eins kommen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) an die Unglücksstelle. Sie sprechen mit Polizei, Feuerwehr und den anderen Rettungskräften, um aus erster Hand zu erfahren, was sich zugetragen hat, wie die Rettungsarbeiten vorangehen und ob man schon etwas zur Unglücksursache weiß.

Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft sind zu diesem Zeitpunkt längst an der Unglücksstelle, auch Experten des Eisenbahnbundesamtes werden zum Einsatz kommen. Sie alle sollen klären, warum die zwei Züge zusammengestoßen sind. Bei der Strecke handelt es sich um eine eingleisige Verbindung zwischen Holzkirchen und Rosenheim, die ausschließlich von Regionalzügen des Anbieters Meridian genutzt wird. Wenige Kilometer südöstlich mündet das Gleis in die Fernstrecke von München nach Salzburg.

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War es menschliches Versagen? Hat ein Signal nicht richtig funktioniert? Waren die Züge zu schnell? Über all diese Fragen herrscht noch keine Klarheit.

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