Ausstellung:Das Grün verschwindet aus den Hausgärten

Ausstellung: Gabionenzäune lassen auch schicke Neubauten eher wie Festungen erscheinen.

Gabionenzäune lassen auch schicke Neubauten eher wie Festungen erscheinen.

Ein Ausstellung in Landshut zeigt den neuen Trend: Büsche, Gras und Blumen werden durch allerlei Scheußlichkeiten aus Pflastersteinen, Beton und Kies verdrängt.

Von Hans Kratzer

Der Siedlungsdruck in Südbayern lässt nicht mehr nach, großflächig werden ständig neue Wohn- und Gewerbesiedlungen errichtet. Und mittendrin ist, ohne dass es richtig wahrgenommen wurde, ein ökologisches Krisengebiet entstanden. Kleingärten gelten seit jeher als Inbegriff von Erholung inmitten von grüner Natur, Obstbäumen und Blumenbeeten. Sie sind aber auch ein Indikator für den Wandel des Zeitgeists. In jeder beliebigen Siedlung sind mittlerweile die Gärten der Zukunft zu bestaunen, Gärten, in denen nicht mehr das Grün der Natur dominiert, sondern das triste Grau der Steine und des Betons.

Eine Ausstellung des Bundes Naturschutz in Landshut macht gerade auf schleichende Veränderung aufmerksam. "Tatort Garten" lautete der bezeichnende Titel der Fotoschau, die heimische Gärten einerseits in ihrer ganzen Ödnis präsentiert, andererseits aber auch naturgerechte, stille Oasen, wie sie insgesamt immer noch in der Überzahl sind.

Trotzdem: Die meisten der Fotografien, die durchwegs im Großraum Landshut entstanden sind, wirken auf den Betrachter erschreckend. Sie zeigen Gärten, die sich komplett in Steinwüsten verwandelt haben und in denen das Leben und die Natur keine Chance mehr haben. Kein Igel wird hier einen Käfer finden, kein Vogel einen Wurm, höchstens, dass sich irgendwo ein kleiner Löwenzahn durch die Ritzen des Betons zwängt. "Um die Artenvielfalt ist es in vielen Gärten leider nicht mehr gut bestellt", sagt Elisabeth Voit von der BN-Kreisgruppe Landshut.

Die Bilder zeigen schonungslos, wie heutige Gärten konzeptioniert werden: Massive Sichtschutzwände, Zäune und Mauern sollen fremde Blicke abhalten. Zu diesem Zweck werden gerne sogenannte Gabionenzäune errichtet, das sind mächtige, mit Steinen gefüllte Drahtkörbe. Einfache Siedlungshäuser nehmen dadurch schnell einen Festungscharakter an. Wenn sich hinter den Gabionenwänden auch noch Schotterflächen erstrecken, hat die Natur endgültig verloren. Hier wächst nichts mehr, auf den unfruchtbaren Flächen rührt sich nichts mehr, nicht einmal der Dreck hat hier eine Chance.

Die Stein- und Betongärten sind der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor Jahrzehnten eingesetzt hat. Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden in den Dörfern alte Laubbäume weggeschlagen und durch Krüppelkoniferen ersetzt, Wiesenflecken zubetoniert und Landhäuser mit allerlei Scheußlichkeiten aus dem Baumarkt vermurkst. Bäume im Garten wurden als störend empfunden, weil sie Herbstlaub, Fallobst und Schatten erzeugten. Man ersetzte sie durch Krüppelkoniferen und pflegeleichte Kleingehölze, die aber ökologisch wertlos für Tiere und Vögel sind.

Wer will sich die mühsame Gartenarbeit noch antun?

Die moderne Siedlungsarchitektur mit ihren harten, weiß getünchten Strukturen verträgt keine grüne Natur, so legen es jedenfalls die Bilder der Ausstellung nahe. Überspitzt ausgedrückt, wäre es in dieser Gemengelage stilistisch wohl am besten, auch die Bäume und Pflanzen würden sich strikt an architektonische Vorgaben halten. Der auf- und ausgeräumte Garten soll keine Arbeit mehr machen. Es zeigt sich auch: Der alte grüne Nutzgarten, der mit seinen Obstbäumen und Gemüsebeeten der Selbstversorgung diente, hat hier ausgedient. Gartenarbeit kostet Zeit und Mühe. Warum, so künden diese Flächen, soll man sich in einer Zeit, in der es zu jeder Zeit alles zu kaufen gibt, dies noch antun?

Die Eröffnungsrede zu der Ausstellung hat Dieter Wieland gehalten, der einst als erster Fernsehjournalist überhaupt auf die Verwahrlosung der Natur und der Gärten hingewiesen hatte. Maßstäbe setzte er mit seiner Serie "Grün kaputt. Landschaft und Gärten der Deutschen", in der er bereits jene Fehlentwicklungen darstellte, deren visuelle Folgen nun in der Landshuter Ausstellung zu besichtigen sind. Wieland zog ein düsteres Resümee, was den Naturschutz angeht. "Damals haben wir viel bewegt", sagte er, "aber die Welt habe ich nicht verändern können. Wir sind nicht weiter als 1983. Es ist alles schlimmer geworden."

Umso lieber sang er das Hohelied des Gartens. Eines Lebensraums, in dem der Mensch der Natur so nahe ist wie nirgendwo sonst und in dem er am besten begreift, wie der Kreislauf des Lebens funktioniert. Fotos von klug angelegten und liebevoll gepflegten Gärten, in denen so vieles wächst und blüht, bilden in der Ausstellung einen tröstlichen Kontrast. Abschließend fragte Wieland: "Ist es wirklich schön, in solchen Steinorgien zu leben? Ist das wirklich das Paradies, das wir uns wünschen?"

Tatort Garten, Foyer Rathaus Landshut, Altstadt, bis 26. Feb., Di-Fr und So 14-18 Uhr, Sa 11-18 Uhr.

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