Anfrage der Grünen:Doppelt so viele Angriffe auf bayerische Flüchtlingsunterkünfte

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Tatort: Rechtsextreme Schmierereien an einem ehemaligen Gasthaus in Vorra, in das Asylbewerber einziehen sollten. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • In Bayern werden immer mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte registriert.
  • Während im Jahr 2013 insgesamt 13 derartige Straftaten erfasst wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits mindestens 25. Das geht aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor.
  • Die Grünen erheben schwere Vorwürfe gegen die CSU-geführte Staatsregierung.
  • Die CSU weist die Anschuldigungen zurück.

Von Wolfgang Wittl, München

Die Zahl der rechtsextremen Übergriffe in Bayern hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Das geht aus Zahlen hervor, die die Landtags-Grünen am Freitag präsentierten. Demnach haben sich die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte innerhalb eines Jahres von 13 auf 25 nahezu verdoppelt. 2008 wurde überhaupt kein Vorfall dieser Art notiert. Die Aufklärungsrate liegt mit 46,2 Prozent hingegen fast 20 Prozent unter der allgemeinen Erfolgsquote in Bayern. "Erschütternd" sei das, sagte Katharina Schulze, die innenpolitische Sprecherin der Grünen: "Das macht uns nachdenklich."

Mehr Attacken und Kampagnen gegen Flüchtlinge

Die Zahlen, die Schulze vorstellte, stammen alle aus dem bayerischen Innenministerium. Die Grünen haben sie in mehreren Anfragen an den Landtag zusammengetragen. Sie weisen nicht nur bei Attacken auf Flüchtlingsquartiere einen merklichen Anstieg auf, sondern auch bei sogenannten rassistischen Kampagnen gegen Asylbewerber. Dazu gehören etwa ausländerfeindliche Schmierereien.

Wurden in den sieben Jahren zwischen 2007 und 2013 insgesamt 56 solcher Kampagnen registriert, waren es allein im vergangenen Jahr 99. Eine zentrale Rolle nehme dabei das inzwischen verbotene Neonazi-Netzwerk "Freies Netz Süd" sowie deren Nachfolgeorganisation "Der III. Weg" ein. Laut Innenministerium seien sie an jeder zweiten Kampagne aktiv beteiligt gewesen.

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Generell hätten im Freistaat Einschüchterungsversuche gegen Personen zugenommen, die der rechtsextremen Ideologie widersprächen. Dies sei besonders gut an der sogenannten Hasskriminalität erkennbar, also an rechtsextrem motivierten Delikten wegen Hautfarbe, Religion und Herkunft eines Menschen: Dort stiegen die Zahlen binnen eines Jahres von 375 auf 596, im Internet haben sich die Einschüchterungsversuche sogar verdoppelt. Besonders beunruhigend ist nach Ansicht der Grünen, dass in Bayern nach Auskunft des Innenministeriums 24 zum Teil gewaltbereite und mit Haftbefehl gesuchte Neonazis untergetaucht sind.

Grüne stellen sieben Forderungen

Bereits die offiziellen Zahlen seien "erschreckend", sagte Schulze. Doch gehe sie davon aus, dass die Dunkelziffer noch weit höher liege. So tauchten in privaten Statistiken wie von Pro Asyl noch weitere Übergriffe auf, die in der Antwort des Innenministeriums fehlten. Konkret nannte sie drei Fälle, die auch von der Bundesregierung bestätigt werden. Die Diskrepanz zwischen Bundes- und Landesebene belege nur, dass die seit dem NSU-Skandal angestrebte bessere Kommunikation zwischen den Behörden immer noch nicht funktioniere. Weitere Kritik: Auch die Aufarbeitung von Altfällen komme nicht voran. Die bayerischen Sicherheitsbehörden hätten weiterhin Probleme, Ermittlungspannen selbstkritisch aufzuarbeiten.

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Mit sieben Forderungen - darunter ein erhöhter Fahndungsdruck gegen die rechte Szene und mehr Geld für gesellschaftliche Projekte - wollen die Grünen die CSU zu mehr Einsatz bewegen. Die nämlich zeige "weiterhin die Tendenz, rechtsterroristische Bestrebungen totzuschweigen". Gerade Innenminister Joachim Herrmann sei "immer dabei, rechtsextremistische Hintergründe zu verharmlosen".

Wie die CSU auf die Vorwürfe reagiert

Die CSU wies die Anschuldigungen zurück. "Der von den Grünen erhobene Vorwurf, das bestehende Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus sei nicht überarbeitet worden, ist haltlos", sagte ihr innenpolitischer Sprecher Florian Herrmann. Er verwahre sich dagegen, der bayerischen Bevölkerung immer wieder ausländerfeindliche, rassistische und rechtsradikale Gesinnung zu unterstellen. Die CSU sei immer schon jeder Art von Extremismus entgegengetreten. Wenn eine Partei auf einem Auge blind sei, dann die Grünen - und zwar auf dem linken.

Schulze entgegnete, die primäre Gewalt gehe eindeutig von rechts aus. Die Qualität der Delikte sei überhaupt nicht vergleichbar. Am Montag will Innenminister Joachim Herrmann den Verfassungsschutzbericht vorstellen. Sie habe keinerlei Sorge, dass er den Fokus wieder auf den Linksextremismus legen werde, sagte Schulze.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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